
© Jörg Gutzeit
„Die Ruhrfestspiele finden statt - nur in anderer Form“
Interview
Olaf Kröck, Intendant der Ruhrfestspiele in Recklinghausen, spricht im Interview über die Jubiläums-Festspiele 2021 – und wie die Kultur mit der Corona-Zeit umgeht.
Die Vorhänge der Theater sind geschlossen. An die Zukunft muss man dennoch denken. Zum Beispiel an die der Ruhrfestspiele, die im Mai 2021 ihren 75. Geburtstag feiern würden. Wir haben mit Ruhrfestspiel-Intendant Olaf Kröck gesprochen. Ob, wann und wie es das Festival geben könnte, welche Maßnahmen man treffen muss – und über Kultur in Corona-Zeiten.
Wie sehen Sie die Chancen für die Ruhrfestspiele 2021?
Ich bin immer schon optimistisch gewesen. Ich bin aber auch Pragmatiker. Trotz allem – ich sehe gute Chancen. Die Ruhrfestspiele finden im Jahr 2021 zum 75. Mal statt! Die Form, in der sie stattfinden, wird aber ganz sicher eine andere sein, als man sie in den letzten 20 Jahren gewohnt war. Es wird eher kein Kulturvolksfest im herkömmlichen Sinne geben, keine großen Partys oder Abschlusskonzerte. Es wäre vollkommen unpragmatisch, etwas zu planen, das einer Massenveranstaltung nahe kommt.
Für die Ruhrfestspiele ist jetzt schon klar: Das Festival findet statt. Vom 1. Mai bis zum 20. Juni. Wieder eine Woche länger also. Das hilft auch, zu entzerren. Der zweite wichtige Punkt ist: Der Vorverkauf startet erst im März. Wir wollen unser Programm im März veröffentlichen – einige Wochen später als sonst.
Zum einen können wir so die aktuelle Entwicklung der Pandemie für die Programmgestaltung besser bewerten. Und unserem Publikum bleibt trotzdem genügend Zeit, sich Vorstellungen und Veranstaltungen auszusuchen.
Haben Sie schon über Maßnahmen nachgedacht, über neue Spielorte diskutiert – und wenn ja, welche?
Das Große Haus im Ruhrfestspielhaus bietet die Möglichkeit, 1,5 Meter Abstand einzuhalten. Und trotzdem kann man eine ganze Menge Plätze anbieten. Der Zuschauerraum bietet 1000 Sitzplätze, auf rund 300 buchbare Plätze wird man mit Abstandsregeln kommen können. Unsere Foyers sind so groß, die Gänge so breit, dass 200 bis 400 Personen sich auch indoor problemlos bewegen können.
Das zweite Theater im Ruhrfestspielhaus, das Kleine Haus, werden wir nicht mit einbeziehen können. Wir werden stattdessen die Vestlandhalle bespielen, die von der Stadt Recklinghausen ertüchtigt wird.
Sie glauben also, dass man im März weiß, wie viel Publikum man im Mai und im Juni wird einlassen dürfen?
Um das zu sagen, bräuchten wir eine Kristallkugel. Wir werden vielleicht modifizieren müssen. Aber ich glaube im Augenblick nicht daran, dass im Mai/Juni 2021 gar kein Theater gezeigt werden kann wie im letzten Frühjahr und auch jetzt aktuell wieder.
Das geht aber nur, wenn ein Lockdown im Mai nicht zur Disposition steht?
Ja. Die Theater in Deutschland haben zweifelsfrei gezeigt, dass sie sehr konsequente Hygienekonzepte planen und umsetzen können und trotzdem Theaterstimmung aufkommt. Im Ruhrfestspielhaus wird mehrmals pro Stunde der gesamte Zuschauerraum mit Frischluft versorgt.
Stockt die Vorbereitung der internationalen Produktionen, wenn der Lockdown Proben, Reisen, Treffen verhindert? Wird 2021 ein nur national besetztes Festival?
Tatsächlich war die Programmentwicklung viel schwieriger. Manche Produktionen sind nicht fertig geworden. Oder uns brechen Verabredungen kurzfristig weg, wie zum Beispiel unsere Eröffnungspremiere im Kleinen Haus, also der Vestlandhalle.
Der internationale Koproduzenten-Verbund, zu dem wir gehören, hat sich schweren Herzens eingestehen müssen, dass es nicht realistisch ist, bis Mai mit den Proben fertig werden zu können.
Aber wir planen – trotz der aktuellen Unwägbarkeiten – immer noch, dass die Ruhrfestspiele auch 2021 ein internationales Festival werden mit Tanztheater, Schauspielproduktionen großen deutschsprachigen Bühnen, Neuem Zirkus, Bildender Kunst, Lesungen und Konzerten.
Sie haben Land, Stadt, DGB und Ihre Sponsoren hinter sich. Wie sieht es derzeit bei den Ruhrfestspielen finanziell aus?
Wir sind eigentlich in einer sehr glücklichen Situation. Die von Ihnen genannten Geldgeber sehr zuverlässig zur Seite. Wir hatten 2020 bereits knapp eine Million Euro beim Kartenverkauf eingenommen. Und wir waren auf dem Weg, ein sensationelles Auslastungs- und Einnahme-Ergebnis zu erreichen. Das wird 2021 nicht zu schaffen sein.

Im letzten Jahr waren die Ruhrfestspiele ausgefallen. Stattdessen hingen für ein Projekt des Künstlers JR Porträts von Besuchern und Darstellern am Haus. © picture alliance/dpa
Rund zehn Prozent der Karten haben uns unsere Zuschauer 2020 gespendet. Dafür sind wir unglaublich dankbar. Nur so konnten wir – nach Abstimmung mit Bund und Land – ein Modell entwickeln, wie wir Künstler, die sonst nicht aufgefangen worden wären, mit Ausfallhonoraren bedenken konnten.
Im Mai wird es geimpfte und nicht geimpfte Besucher geben. Wie gehen Sie mit diesem Thema um?
Die aktuellen Corona-Schutzverordnungen gelten für das gesamte Publikum des Festivals. Ich freue mich sehr, wenn die Impfquote hoch ist und möglichst viele Menschen diese Chance, die Pandemie in den nächsten Monaten beenden zu können, nutzen. Ich werde mich auch impfen lassen, sobald ich die Möglichkeit bekomme.
Doch die Abstandsregeln und Hygienemaßnahmen werden während des Festivals sehr sicher weiter bestehen – für geimpfte und nichtgeimpfte Besucher. Trotzdem werden wir alle Mittel nutzen, um die 75. Ruhrfestspiele zu einem Kulturereignis zu machen, das man gern besucht, und bei dem man sich sicher und wohl fühlt. Wir müssen nur die Theater wieder öffnen können. Daran müssen wir jetzt arbeiten, dass das im Mai klappt.
Seit über 30 Jahren beim Medienhaus Bauer – und dort nahezu ununterbrochen leidenschaftlich in Sachen Freizeit und Kultur unterwegs. Hobbys: Musik von E bis U, insbesondere Soul & Jazz der 60er und 70er, kulinarische Exkursionen in alle Welt und Reisen dahin wo’s warm und grün ist.. Liebe: Die unendlichen Weiten und die unglaubliche Tierwelt Afrikas. Motto: Journalist heißt: Übersetzer. Vom Fach-Chinesisch zum Verständlichen. Und es heißt: Gute Geschichten zu erzählen. Am Besten über Menschen.