Deutsch-türkische Beziehung weiter angespannt

Trotz Freilassung

Ein Deutscher nach dem anderen wurde in den vergangenen Monaten in der Türkei aus politischen Gründen inhaftiert. Und auch weiterhin sieht es in der deutsch-türkischen Beziehung nicht gerade nach Entspannung aus. Zwar gibt es jetzt eine Freilassung – doch gleichzeitig Schimpftiraden aus Ankara.

BERLIN/ANKARA

04.09.2017, 20:45 Uhr / Lesedauer: 2 min
Es sieht in der deutsch-türkischen Beziehung weiterhin nicht nach Entspannung aus. Hier im Bild: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.

Es sieht in der deutsch-türkischen Beziehung weiterhin nicht nach Entspannung aus. Hier im Bild: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.

Vier Tage nach der Festnahme eines deutschen Ehepaars im türkischen Urlaubsort Antalya ist die Frau wieder freigelassen worden. Eine Entspannung in den deutsch-türkischen Beziehungen zeichnet sich aber trotzdem nicht ab - im Gegenteil: Die Ankündigung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz, in der Europäischen Union für einen Abbruch der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei eintreten zu wollen, sorgte in Ankara für Empörung.

„Im Moment kehrt Europa zu den Werten von vor dem Zweiten Weltkrieg zurück“, sagte Außenminister Mevlüt Cavusoglu. Dabei handele es sich um „Brutalität, ebenso Faschismus und Gewalt, Intoleranz und gegenseitige Vernichtung“.

Verbindungen zur Gülen-Bewegung vorgeworfen

Am Donnerstag war ein deutsches Ehepaar mit türkischen Wurzeln am Flughafen von Antalya festgenommen worden. Ihr Rechtsanwalt teilte dem Auswärtigen Amt am Montag mit, dass die Frau ohne Auflagen wieder auf freiem Fuß sei. Zu dem Mann hat die deutsche Botschaft in Ankara nach wie vor keinen Kontakt. Den beiden werden Verbindungen zur Gülen-Bewegung vorgeworfen, die von der türkischen Regierung für den gescheiterten Putschversuch vor einem Jahr verantwortlich gemacht wird.

Die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu meldete, dass gegen die Frau trotz der Freilassung weiter ermittelt werde. Auch nach der Freilassung vom Montag sitzen noch elf Deutsche in türkischen Gefängnissen, denen politische Vorwürfe gemacht werden - unter anderem Unterstützung von Terroristen.

In Deutschland hat der Fall aus der vergangenen Woche eine Diskussion über eine weitere Verschärfung des Kurses gegenüber der Türkei ausgelöst. Im Fernsehduell mit Merkel forderte Schulz am Sonntagabend überraschend den Abbruch der seit 2005 laufenden EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Merkel kündigte am Montag an, einen solchen Schritt beim EU-Gipfel in Brüssel im Oktober zu thematisieren.

Schulz legte noch einmal nach und warf dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan einen „Gegenputsch“ und „eine Art Säuberungswelle“ vor. „Irgendwann muss man dem auch mal sagen: Genug ist genug.“ Die Bundesregierung hatte bereits nach der Inhaftierung des Menschenrechtlers Peter Steudtner Mitte Juli einen Kurswechsel in der Türkei-Politik vorgenommen und die Reisehinweise für das Urlaubsland vieler Deutscher verschärft.

Deutschland verteidige "Terroristen und Putschisten"

Das türkische Außenministerium kritisierte, dass „politische Führer in Deutschland und Österreich ihren Wahlkampf auf Türkeifeindlichkeit und auf der Grundlage aufbauen, den EU-Beitrittsprozess unseres Landes zu verhindern“. Das Ministerium warnte vor Populismus jener Politiker, „die uns während der Flüchtlingskrise nachgerannt sind, damit wir die EU vor einem großen Chaos retten“. Merkel gilt als Architektin des EU-Türkei-Flüchtlingsabkommens.

Auch der Sprecher von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan, Ibrahim Kalin, sprach von Populismus und Ausgrenzung. Damit würden „Diskriminierung und Rassismus“ geschürt. Deutschland verteidige nicht die Demokratie, sondern „Terroristen und Putschisten“, hieß es in einer von insgesamt neun Twitter-Nachrichten Kalins.

Eine Sprecherin der EU-Kommission bekräftigte, dass auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die Entwicklungen in der Türkei mit großer Besorgnis verfolge. Er habe erst in der vergangenen Woche gesagt, dass sich die Türkei seiner Meinung nach „in Riesenschritten“ von Europa entferne. Juncker hat sich bislang aber gegen einen einseitigen Abbruch der Verhandlungen ausgesprochen. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini machte deutlich, dass sie den Gesprächsfaden mit der Türkei nicht abreißen lassen will. „Wir reden weiter“, erklärte Mogherini am Montagabend. Die Türkei sei bei vielen Themen ein regionaler Partner und „sie ist immer noch ein Beitrittskandidat“. 

von dpa