Das Rabenaas von Mutter triezt sie von klein auf

Neu im Kino

„I, Tonya“ ist stark gespielt und viel, viel mehr als ein Film übers Eiskunstlaufen. Der Zuschauer taucht ab in die 90er-Jahre ein und entwickelt Mitleid für Tonya Harding.

von Kai-Uwe Brinkmann

Dortmund

, 23.03.2018, 13:00 Uhr / Lesedauer: 2 min
Margit Robbie als Tonya Harding war für den Oscar nominiert, hat ihn aber nicht bekommen. Foto DCM

Margit Robbie als Tonya Harding war für den Oscar nominiert, hat ihn aber nicht bekommen. Foto DCM

Ein Fressen für die Medien: US-Eiskunstläuferin wird mit einer Eisenstange aufs Schienbein geschlagen, womöglich im Auftrag ihrer schärfsten Rivalin. So geschehen 1994, als Tonya Harding zur „Eishexe“ und die verletzte Nancy Kerrigan zur Eisprinzessin erklärt wurde. Böse Tonya, schlimmes Luder!

In dem Film geht es nicht primär um die Wahrheit

Oder auch nicht. „I, Tonya“ heißt der Film von Craig Gillespie, in dem Tonya (fabelhaft: Margot Robbie) ihre Sicht der Dinge erzählt, auch wenn ihr Ehemann Jeff (Sebastian Stan) zwei Einstellungen später etwas anderes sagt. Ist auch egal, wer hier die Wahrheit verbiegt.

Es geht nicht um kleine Details, eigentlich nicht mal um olympische Eistänzerei. „I, Tonya“ (von Margot Robbie produziert) ist eine beredsame Gesellschaftsstudie aus Amerikas geschmacksverirrten 80ern, eine gallig witzige schwarze Komödie und eine herrlich schräge Farce, bevölkert von Typen, wie man sie in einem Juxfilm der Coen-Brüder erwarten würde.

Harding war eine Proletin aus einer Proletenfamilie, mit einem Rabenaas von Mutter, das die Tochter auf Leistung trimmt. Ihre Fahrkarte aus den Löchern, in denen die Hardings wohnten, sollte der Sport sein.

Die Mutter wird gespielt von Allison Janney, die für ihre Vorstellung den verdienten Oscar bekam: eine schmallippige, hartherzige Frau, Mundwerk wie ein Feldwebel, mitleidlos und ordinär. Die Mutter bezahlt einen Kerl, damit er Tonya vor dem Wettkampf anpöbelt, weil sie denkt, das kitzele Leistung aus der Tochter.

Zu Rockmusik aufs Eis

Alles hat Tonya sich erarbeitet, nichts flog ihr zu. Die Juroren mögen sie nicht, weil sie zu Rockmusik läuft, blauen Nagellack und knappe Kleidchen trägt und kein amerikanisches Schneewittchen ist. Aber, hey: Sie ist die Einzige, die den dreifachen Axel springt und steht! Macht das mal nach, ihr Barbies!

Tonyas Leben ist ein einziger Kampf. Gegen die Mutter, gegen ihren prügelnden Mann, gegen Kerrigan, gegen alle. Mit Vorwärtsdrall unterhaltsam erzählt, großartig gespielt, das Zeitkolorit in Frisuren, Mode, Musik illuster ausgeschöpft – prima Film!

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