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Coronavirus tritt den Rückzug an: Entscheidende Trendwende zeichnet sich ab
Corona-Wochenbilanz
Seit dem 24. April greift in der Corona-Pandemie die Bundes-Notbremse. Seither sinken gleich mehrere entscheidende Zahlen. Das dürfte allerdings andere Gründe haben, die optimistisch stimmen.
Seit dem 24. April ist in ganz Deutschland die vom Bund beschlossene Notbremse in Kraft. Steigt die 7-Tages-Inzidenz an drei Tagen hintereinander auf einen Wert von mehr als 100, ist es erst einmal wieder vorbei mit Lockerungen. Derzeit – Stand 3. Mai – gibt es mit Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen nur drei Bundesländer, die unter der Schwelle von 100 liegen.
In Nordrhein-Westfalen schaffen das neben der Stadt Münster aktuell fünf Landkreise. Aber es gibt viele Regionen, in denen die Inzidenz noch über 150 oder sogar über 165 liegt. Die Folge: Nicht nur das Einkaufen mit Terminvereinbarung ist dann wieder verboten, sondern auch Schulen und Kitas müssen wieder schließen beziehungsweise in die Notbetreuung übergehen.
Aber zu Beginn des Mais geben einige der entscheidenden Faktoren Grund zur Hoffnung, dass das Coronavirus den Rückzug angetreten hat. Blicken wir auf einige dieser Punkte.
1. Die Zahl der Neuinfektionen stieg vom 26. April bis zum 3. Mai um 126.657 neue Fälle. Das sind 18.969 Fälle oder 13 Prozent weniger als in der Woche zuvor. Das sieht sehr nach einer Trendwende aus, denn bis zur vergangenen Woche gab es seit Anfang März von Woche zu Woche einen immer höheren Anstieg der Fallzahlen. Jetzt scheint die Pandemie in den Sinkflug der dritten Welle übergegangen zu sein.
Natürlich ist die absolute Zahl der Neuinfektionen weiterhin auf einem sehr hohen Niveau. Den bisherigen Höchststand bei Neuinfektionen gab es zwischen dem 14. und 21. Dezember 2020 mit 173.574 neuen Fällen innerhalb von sieben Tagen. Davon sind wir heute weit entfernt. Danach ging die Zahl bis Mitte Februar kontinuierlich zurück, bevor es wieder aufwärts ging. Der bisher geringste Steigerungswert seither wurde in der Woche vom 8. bis 15. Februar registriert, als es 50.442 neue Fälle gab.
Die Entwicklung schlägt sich natürlich auch in der 7-Tage-Inzidenz nieder. Auch dieser über unser öffentliches Leben entscheidende Wert ist erstmals seit längerem wieder gesunken. Die Inzidenz liegt jetzt bei 146,9. Die höchsten Inzidenzwerte gibt es aktuell in Sachsen (215,5), Thüringen (221,1) und Baden-Württemberg (184,6). Aber auch dort sinken die Werte. In Nordrhein-Westfalen sank die Inzidenz innerhalb einer Woche von 186,8 auf 158,5.
Dass die Bundes-Notbremse für den Rückgang der Zahlen verantwortlich ist, dürfte in dieser Absolutheit ein Irrtum sein, denn: Bis sich eine solche Maßnahme auswirkt, dauert es nach Einschätzung aller Experten 10 bis 14 Tage. Allerdings könnte die etwa zwei Wochen andauernde Diskussionen im Vorfeld des Beschlusses dazu geführt haben, dass sich viele Menschen auch ohne den neuen Termin wieder vorsichtiger verhalten und Kontakte vermieden haben.
Noch entscheidender dürfte allerdings die Impfkampagne sein, die in den vergangenen Wochen stark an Tempo zugelegt hat. Im Übrigen sorgen auch die steigenden Temperaturen zum einen dafür, dass sich Menschen wieder vermehrt draußen aufhalten, wo man sich nicht so leicht ansteckt wie in Innenräumen. Zum anderen mag das Virus Wärme nicht. Jedes Grad mehr hilft also beim Kampf gegen das Virus.
2. Die Zahl der Menschen, die an oder mit einer Corona-Infektion gestorben sind, ist weiter gestiegen. In der Woche zwischen dem 26. April und 3. Mai zählte das Robert-Koch-Institut (RKI) 1.652 Corona-Tote. Das sind noch einmal 34 oder 2,1 Prozent mehr als in der Woche davor, allerdings: In den Wochen zuvor lagen die Steigerungsquoten bei den Todesfällen nicht bei 2,1 Prozent, sondern – immer weiter rückwärts geschaut – bei 4,2; 8,0 und 30,1 Prozent. Auch der Anstieg der Zahl der Todesfälle wurde also sehr deutlich abgebremst. Es gibt eine Reihe von Anzeichen, die darauf hindeuten, dass wir in der nächsten Woche erstmals seit Ostern wieder einen Rückgang bei der Zahl der Todesfälle verzeichnen können.
3. Noch keine durchgreifende Entspannung ist auf den Intensivstationen zu vermelden, aber es gibt gleichwohl eine gute Nachricht. Erstmals seit der Woche zwischen dem 8. und 15. März ist die Zahl der auf einer Intensivstation behandelten Covid-19-Patientinnen und -Patienten nicht mehr gestiegen, sondern gesunken. Vor einer Woche waren es noch 5.066 Patienten, am 3. Mai sind es mit 5.018 immerhin 48 weniger. In den Wochen zuvor gab es dagegen von Woche zu Woche immer einen Anstieg im dreistelligen Bereich.
Das ist eine gute Entwicklung. Allerdings gibt es auch einen weniger schönen Aspekt: Die Zahl der Intensiv-Patienten, die beatmet werden müssen, ist weiter gestiegen – und zwar um 65 auf jetzt 2.965. Aber auch hier zeichnet sich ab, dass sich die schlimmste Phase ihrem Höhepunkt nähert, denn vor einer Woche lag der Anstieg der Beatmungspatienten mit 171 fast dreimal so hoch.
Aktuell werden noch 1.341 besonders für Corona-Patienten geeignete Intensivbetten als frei gemeldet – 47 weniger als vor einer Woche. Doch das ist die Gesamtzahl für Deutschland und die freien Betten sind keinesfalls gleichmäßig über das Land verteilt.
Klar ist aber auch: Noch liegen diese Werte unter den Höchstwerten, die Anfang Januar festgestellt wurden. Am 4. Januar, dem bisher schlimmsten Tag in dieser Hinsicht, wurden auf den Intensivstationen 5.744 Corona-Patienten behandelt, von denen 3.211 Menschen beatmet werden mussten. Im Moment sieht es zum Glück nicht so aus, als würden diese Höchstwerte in der dritten Pandemie-Welle erreicht.
Ein Vergleich mit dem vergangenen Frühling, als die erste Infektionswelle über unser Land schwappte, macht deutlich, wie ungleich dramatischer die Lage sich heute noch immer darstellt. Damals gab es innerhalb von sieben Tagen die meisten Neuinfektionen zwischen dem 30. März und 6. April 2020, nämlich 38.093. Jetzt, ein Jahr später, gibt es mehr als drei Mal so viele Fälle. Bei den Corona-Toten gab es in der ersten Welle die meisten Opfer zwischen dem 13. und 20 April 2020: genau 1.605. Hier liegen wir mittlerweile leicht darüber.
Noch ein Blick auf die Impfungen: In der Woche zwischen dem 23. und 30. April (Freitag) wurden 3.831.649 Menschen zum ersten Mal geimpft - 800.000 mehr als in der Vorwoche. Inzwischen sind bis zum 30. April 122.393.183 Menschen geimpft (26,9 %), 6.381.397 (7,7 %) von ihnen haben bereits zwei Impfungen erhalten.
Ulrich Breulmann, Jahrgang 1962, ist Diplom-Theologe. Nach seinem Volontariat arbeitete er zunächst sechseinhalb Jahre in der Stadtredaktion Dortmund der Ruhr Nachrichten, bevor er als Redaktionsleiter in verschiedenen Städten des Münsterlandes und in Dortmund eingesetzt war. Seit Dezember 2019 ist er als Investigativ-Reporter im Einsatz.
