Corona-Szenarien: Kommt die Delta-Variante wieder zurück?

Kein Ende von Corona in Sicht

Karl Lauterbach warnt davor, dass die gefährlichere Delta-Variante zurückkommen könnte. Analysen aus Israel zeigen, das wäre möglich. Es ist aber nur eines von mehreren Szenarien.

von Saskia Heinze

, 17.05.2022, 09:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Die Omikron-Variante dominiert die Ansteckungen in Deutschland und Europa. Aber bleibt das auch im Sommer, Herbst und Winter so? Oder kommt die Delta-Variante zurück, die sich durch schwerwiegendere Verläufe auszeichnete als jetzt Omikron? Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hält das für möglich, wenngleich das nicht das einzig denkbare Corona-Szenario ist. „Die Pandemie ist noch nicht vorbei. Eine Omikron-Welle im Herbst ist zwar wahrscheinlich. Aber selbst die gefährlichere Delta-Variante könnte zurückkommen“, sagte er zuletzt der „Rheinischen Post“.

Lauterbach bezieht sich dabei auf eine neue Studie israelischer Forschender, die Ende April in der Onlinedatenbank „ScienceDirect“ hochgeladen wurde. Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der Ben-Gurion University of the Negev halten es für möglich, dass eine bedrohliche Delta-Welle wiederkommt. Zwischen November vergangenen Jahres bis Mitte Januar 2022 hatten sie im Abwasser Coronavirus-Spuren untersucht – in Beer-Sheva, Israels viertgrößter Stadt. Weltweit nutzen Forschende solche Untersuchungen als Frühwarnsystem.

Studie: Delta blieb trotz Omikron im Abwasser

In Beer-Sheva zeigte sich nun, dass die Delta-Variante trotz stark zunehmender Omikron-Welle auf gleichbleibend niedrigem Niveau im Abwasser präsent blieb – ein Hinweis darauf, dass die Mutante nicht komplett verschwunden ist. Die Daten nutzten die Forschenden auch für eine Modellierung, um Zukunftsszenarien aufzuzeigen. Die Vorhersagen können eintreten, müssen es aber nicht, wie die Autoren und Autorinnen selbst betonen.

Es wäre aber denkbar: Die Omikron-Variante könnte in den kommenden zwei Monaten abnehmen und verschwinden, die Delta-Variante hingegen unbemerkt weiter zirkulieren. Fallen öffentliche Beschränkungen, könne die Delta-Variante sich wieder verstärkt bemerkbar machen, heißt es in der Studie.

Coronavirus wird sich weiterentwickeln – aber in welche Richtung?

Allein sind die Studienautoren und Autorinnen nicht mit ihrer Vermutung. Forschende aus Großbritannien halten es ebenfalls für möglich, dass Delta zurückkommen könnte. Die Scientific Advisory Group for Emergencies (SAGE) hatte Mitte Februar vier mögliche Szenarien für die nähere Zukunft mit dem Coronavirus im eigenen Land ausgemacht, mal mehr, mal weniger optimistisch:

  • Es gibt im kommenden Herbst und Winter eine schwache Corona-Welle mit weniger Schwerkranken als noch bei Delta und Omikron.
  • Im Herbst und Winter entwickeln sich Infektionswellen mit unterschiedlicher Krankheitsschwere, die mal eher Omikron, mal eher Delta ähneln.
  • Eine neue besorgniserregende Variante taucht plötzlich auf und verursacht eine große Infektionswelle, die auch schon im Frühjahr und Sommer entstehen kann. Vor allem Ungeimpfte, Ältere und Menschen mit erhöhtem Risiko erkranken schwer und sterben.
  • Es gibt eine sehr starke Infektionswelle mit zunehmend schweren Verläufen in breiten Schichten der Bevölkerung. Gesundheitlich am stärksten gefährdet sind Menschen ohne Impfschutz.

Wird Corona wie bei der Grippe mitunter viele Tausende Tote pro Saison verursachen – oder eher zu einem harmloseren Erkältungs-Coronavirus mutieren? Das ist alles denkbar. Die Szenarien zeigen aber auch: Neben dem Auftauchen von neuen oder älteren Varianten ist vor allem der Immunschutz in der Bevölkerung entscheidend. Zwar war gerade die Delta-Variante dafür bekannt, besonders schwere Krankheitsverläufe hervorzurufen. Je besser aber die Grundimmunität bei den Menschen ausfällt, umso weniger wahrscheinlich werden sehr schwere Covid-19-Verläufe – selbst wenn die Zahl der Ansteckungen wieder zunimmt.

Wie steht es um die Corona-Immunität in Deutschland?

Immerhin: In Deutschland gibt es aktuell keine Hinweise darauf, dass sich bereits eine Delta-Welle oder zunehmend Infektionen mit anderen Virusvarianten als Omikron entwickeln. Delta wird zwar nachgewiesen – laut dem jüngsten Wochenbericht des Robert Koch-Instituts (RKI) aber nur selten. Momentan dominiert hierzulande eindeutig die Omikron-Subvariante BA.2 mit rund 97 Prozent.

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Die Mehrheit der Deutschen hatte zudem Kontakt mit dem Coronavirus: ob per Impfung, Infektion oder beides. Eine Modellierung des Robert Koch-Instituts (RKI) geht davon aus, dass bis Ende März 2022 nur rund 7 Prozent der Bevölkerung weder geimpft noch in Kontakt mit dem Coronavirus gekommen sind. Die Ergebnisse wurden Ende April als noch von unabhängiger Seite zu begutachtender Preprint veröffentlicht. Unklar ist allerdings noch, wie lange der Schutz vor schwerer Krankheit anhält und wie er in den kommenden Monaten und Jahren bei verschiedenen Varianten ausfällt.

Wie im Corona-Sommer verhalten?

Fachleute empfehlen in jedem Fall, sich impfen und boostern zu lassen, das sei der sicherste Schutz. Lauterbach rief die Menschen zudem auf, weiter vorsichtig zu sein. „Auch im Sommer sollten wir achtsam bleiben“, mahnte der Minister. Dazu gehöre das Tragen von Masken im ÖPNV und im Flugzeug. „Wer jetzt den Menschen vorgaukelt, Corona sei Geschichte, wird das im Herbst bitter bereuen“, warnte er. Bei Twitter kündigte der Bundesgesundheitsminister zudem an, man werde gemeinsam „auch den Herbst gut vorbereiten.“ Man dürfe sich nicht treiben lassen, „auch jetzt sterben noch zu viele am Coronavirus.“

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" Karl Lauterbach (SPD), Bundesminister für Gesundheit, spricht während der Pressekonferenz im Bundesministerium für Gesundheit.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat dazu aufgerufen, sich auch im Sommer weiter an die Corona-Regeln zu halten. Dem SPD-Politiker zufolge könne eine gefährlichere Variante zurückkehren.