Dirigentin Lydia Tár ist ein (fiktiver) Star, ach was, Superstar in der Welt der klassischen Musik. Sie hat mit allen namhaften Orchestern gearbeitet, als erste Frau wird sie Chefin der Berliner Philharmoniker. Sie jettet um die Welt, an der Juilliard School in New York ist sie Gastdozentin.
Lydia (famos gespielt von Cate Blanchett) komponiert, in Kürze erscheint auch ihr Buch „Tár on Tár“, wo sie autobiografisch von einem Leben für die Musik erzählt. Das im Laufe von Todd Fields‘ Kinodrama „Tár“ außer Tritt gerät. Lydia wird Zielscheibe einer Social Media-Kampagne, als eine Studentin sich umbringt, der sie in Amerika ein vernichtendes Zeugnis ausstellte.
Den Kapellmeister feuern
In Berlin ist sie mit Vorwürfen der Patronage konfrontiert, weil sie den Kapellmeister feuert und eine junge Cellistin fördert. Dann taucht im Internet ein Video auf, das den Superstar als verbal übergriffig hinstellt.
Der Racheakt eines Studenten, dem Lydia die Leviten las, könnte das Fass zum Überlaufen bringen. Der Ruf der erfolgsgewohnten Überfliegerin ist jedenfalls schwer angekratzt.

Eine Intelligenzbestie
Der Film läuft stolze 160 Minuten, er wird zum Fest für die grandiose Cate Blanchett, die sein Herz und Kraftzentrum bildet. Lange her, dass man im Kino eine Figur sah, die so durch Verstand imponiert wie Cate Blanchetts Lydia.
Kein Wunder, dass Mittelmäßigkeit vor den Ohren dieser Intelligenzbestie keine Gnade findet. Todd Fields erzählt eine Parabel von Genius und Hybris. Von einer Frau, die hoch fliegt und tief fällt, weil sie nicht sieht, dass ihre Macht mit einer Kälte einhergeht, die viele inakzeptabel finden.
Lydia kennt wenig Rücksicht
Lydia Tár samt ihrer Biografie mag eine Fiktion sein, aber der Film reflektiert reale Strukturen in Orchesterszene und Musiklandschaft. Personalpolitik, Image und Außendarstellung sind sehr wohl Faktoren, die über die Harmonie innerhalb eines Hauses entscheiden. Und Lydia kennt wenig Rücksicht, wenn sie weiß, was sie will.
Ein Shitstorm im Netz und ihr Arbeitspensum bringen sie an den Rand einer Psychose. Die Beziehung zu ihrer Frau, einer Musikerin (gut: Nina Hoss), steht auf der Kippe. Die Luft um Lydia wird dünn, die Lage spitzt sich zu - spannend. Starker Film, starke Geschichte, starke Darsteller.
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