Bühnenverein beschließt einen Verhaltenskodex
Sexuelle Übergriffe und Machtmissbrauch: Der Deutsche Bühnenverein stellt sich auf seiner Jahrestagung einem unbequemen Thema und beschließt einen Verhaltenskodex.

Der Deutsche Bühnenverein hat einen Wertekodex gegen sexuelle Belästigung und Gewalt verabschiedet. Foto: Britta Pedersen
Der Deutsche Bühnenverein hat auf seiner Jahreshauptversammlung in Lübeck einen Verhaltenskodex gegen sexuelle Übergriffe und Machtmissbrauch verabschiedet.
Darin heißt es, Freiräume der Kunst dürften nicht missbraucht werden. Jede Form der sexuellen Belästigung müsse unterlassen werden, ebenso „Übergriffe in gestischer, sprachlicher und körperlicher Form“. Es dürfe nicht mit Nachteilen bei der Ablehnung von Avancen gedroht werden, ebenso wenig dürften Vorteile für sexuelle Zugeständnisse versprochen werden.
„Dies ist kein Katalog, der menschliches Verhalten bis in den letzten Winkel hinein diktiert und ausleuchtet“, sagte der Präsident des Bühnenvereins, Ulrich Khuon. Aber der Kodex solle die Theater und Orchester bestärken, „mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern immer wieder auszuhandeln, wie man miteinander umgeht und arbeitet“.
„Wir haben kontrovers diskutiert, trotzdem ein Ergebnis erzielt, das große Übereinstimmung fand“, sagte Khuon. Der Verhaltenskodex sei „fast einstimmig“ verabschiedet worden. Die im Verein organisierten Theater und Orchester sollen den Kodex kommunizieren und individuell weiterentwickeln, betonte der Bühnenverein.
Eine unabhängige Vertrauensstelle gegen sexuelle Belästigung und Gewalt“ ist bereits auf den Weg gebracht. Verbände und Gewerkschaften der Film- und Fernsehbranche hatten Ende Mai gemeinsam mit Vertretungen der Produzenten, Sender, Theater und Orchester in Deutschland einen Verein als Träger für die Themis-Vertrauensstelle gegründet. Sie soll in einigen Wochen in Berlin errichtet werden.
„Themis, die Göttin der Gerechtigkeit, ist eine gute Patin für eine unabhängige Beratungsstelle, die außerhalb von Theatern und Orchestern angesiedelt ist“, sagte Marc Grandmontagne, Geschäftsführender Direktor des Bühnenvereins. „Hier sollen Betroffene Hilfe bekommen, juristische Beratung ebenso wie psychologische Betreuung.“ Man hoffe alle zu erreichen. Im Zusammenhang mit der #MeToo-Bewegung seien auch in einigen Theatern Belästigungsvorwürfe bekanntgeworden.
Als weiteren Schritt in Richtung Geschlechtergerechtigkeit beschloss der Bühnenverein, eine paritätische Besetzung aller Gruppenvorstände und Gremienpositionen in absehbarer Zeit umzusetzen. „Für die Gremien muss es in absehbarer Zeit eine geschlechtergerechte Besetzung geben“, sagte Khuon. „Nicht heute oder morgen, aber während der nächsten beiden Wahlperioden. Es geschieht ja auch schon, zum Beispiel im Vorstand der Intendantengruppe.“
Zweites Schwerpunktthema war die Folgen der Digitalisierung für Theater und Orchester. „Digitalisierung geht alle Arbeitsbereiche an, und zwar auf, vor und hinter der Bühne. Nicht nur die künstlerische Praxis ist davon betroffen, sondern auch Weiterentwicklungen und Synergieeffekte in allen Bereichen“, so der Bühnenverein. Die digitale Vernetzung eröffne auch verstärkte Möglichkeiten des Austauschs der Häuser untereinander.
Dem Deutschen Bühnenverein gehören nach eigenen Angaben 470 Staats- und Stadttheater, Landesbühnen, Privattheater, Orchester und persönliche Mitglieder an. Er wurde 1846 gegründet und ist damit einer der ältesten Theaterverbände der Welt.