Blutwäsche und Überdruckkammer: Helfen diese Therapien gegen Long Covid?
Teure Behandlungen
Um Spätfolgen einer Corona-Erkrankung zu behandeln, setzen Mediziner auch auf Überdruckkammern und Blutwäsche. Ein Neurologe erklärt, wie wirksam diese Behandlungsansätze sind.
Spätfolgen einer Corona-Infektion zu behandeln, ist für Ärztinnen und Ärzte eine Herausforderung. Denn oft müssen sie feststellen, dass es für die langanhaltenden Beschwerden wie Müdigkeit, Kurzatmigkeit oder Muskelschwäche keine organischen Ursachen gibt. Stattdessen ließen sich viele Beschwerden psychosomatisch erklären, sagte Christoph Kleinschnitz, Leiter der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Essen, gegenüber dem „Spiegel“. Das macht eine Behandlung jedoch nicht unbedingt einfacher.
Menschen, die unter psychiatrischen Vorerkrankungen wie Depressionen und Angststörungen leiden, seien grundsätzlich anfälliger für Corona-Spätfolgen – auch bekannt als Long Covid. Mehr als zwei Drittel aller Patientinnen und Patienten, die mit langfristigen Symptomen im Universitätsklinikum Essen vorstellig werden, seien Frauen, berichtete der Neurologe. Das mittlere Alter der Betroffenen liege zwischen 35 und 55 Jahren.
Ist Long Covid also eine rein psychische Erkrankung?
Nicht alle Ärztinnen und Ärzte sind sich da so sicher wie Kleinschnitz. Auch eine Störung des Vagusnervs könnte Corona-Spätfolgen wie Schwindel, eine erhöhte Herzfrequenz und Durchfall erklären, wie eine spanische Studie kürzlich nahelegte. In diesem Fall gäbe es für Medizinerinnen und Mediziner konkrete Behandlungsmöglichkeiten. Doch wie können Spätfolgen behandelt werden, für die es keine eindeutige Ursache gibt?
Symptomatische Behandlungen mit Atemübungen und Physiotherapie
Ein Medikament gegen Long Covid gibt es bislang nicht. Ärztinnen und Ärzte versuchen deshalb, die von den Patientinnen und Patienten geschilderten Symptome zu lindern. Bei Muskelschwäche und Abgeschlagenheit kann zum Beispiel Physiotherapie helfen; Atemtechniken können hingegen Atemnot und Kurzatmigkeit entgegenwirken.
Patienten sollten sich nicht überfordern
Grundsätzlich empfehlen Mediziner bei Long Covid, sich selbst zwar zu fordern, aber nicht zu überfordern – gerade wenn es um Symptome wie Fatigue geht, eine starke körperliche und psychische Erschöpfung. Wer zu viel macht, riskiert, dass sich die Beschwerden noch verschlimmern.
Weitere Empfehlungen zur selbstständigen Rehabilitation nach einer Corona-Erkrankung hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hier zusammengestellt.
Neurologe Kleinschnitz riet Long-Covid-Betroffenen davon ab, kostspielige, diagnostische Verfahren durchführen zu lassen. Tests, die bestimmte Autoantikörper im Blut als Auslöser von Corona-Spätfolgen nachweisen und teilweise mehr als 900 Euro kosten, seien wenig aussagekräftig. „Sie können das bunte Symptombild bei Long Covid keinesfalls erklären“, sagte er.
Teure Therapien – mit geringem Nutzen
Auch eine Blutwäsche sei bei Spätfolgen nicht wirksam. Bei diesem Verfahren sollen schädliche Stoffe aus dem Körper gefiltert werden, häufig eingesetzt bei Multipler Sklerose. Mithilfe großer Kanülen wird das Blut aus den Gefäßen auf einer Seite herausgepumpt, gewaschen und auf der anderen Seite wieder dem Körper zugefügt. Dabei könnten jedoch Nebenwirkungen wie Störungen der Kreislaufregulation, Blutungen, selten auch Herzinfarkt und Schlaganfall auftreten, erklärte Kleinschnitz.
Ähnlich wirkungslos sei eine hyperbare Sauerstofftherapie. Bei diesem Verfahren erhalten Patientinnen und Patienten unter Überdruck Sauerstoff. Das ist zum Beispiel bei einer Kohlenmonoxidvergiftung sinnvoll, wenn das giftige Gas gegen Sauerstoff ausgetauscht werden soll.
Bei Long Covid sei ein Nutzen „völlig unbewiesen“, merkte der Essener Neurologe an. Behandlungen in Überdruckkammern seien gleichermaßen teuer und risikobehaftet. Das Trommelfell könne reißen oder epileptische Anfälle auftreten. Der Nutzen überwiegt die Risiken am Ende also nicht.
Geimpft und auch vor Long Covid geschützt?
Wirksamer kann es stattdessen sein, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen – als präventive Maßnahme. Mehrere internationale Studien deuten darauf hin, dass die Impfungen das Risiko für Spätfolgen reduzieren können. Wie gut die Vakzine vor langanhaltenden Beschwerden genau schützen, ist unklar – und vermutlich von den individuellen Immunantworten abhängig.„
Mit der Impfung vermeidet man in den meisten Fällen den Ausbruch der Erkrankung“, sagte Rembert Koczulla, Chefarzt am Fachzentrum für Pneumologie an der Schön Klinik in Berchtesgaden und Long-Covid-Experte, Anfang des Jahres dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Deshalb ist es logisch, dass auch Folgeerscheinungen von Covid-19 ausbleiben.“