
Die Polizei in NRW will in Pressemitteilungen demnächst immer die Nationalität von Tatverdächtigen nennen - egal, ob es sich dabei um Deutsche oder Ausländer handelt. Der Medien-Erlass für die Polizei werde dahingehend überarbeitet, bestätigte das Düsseldorfer Innenministerium auf Anfrage nach entsprechenden Medienberichten.
Prinzipiell werde die Anweisung für alle Delikte gelten, bei denen der Tatverdächtige zweifelsfrei identifiziert sei. Falls die zuständige Staatsanwaltschaft im Einzelfall aber zu dem Schluss komme, dass die Nationalität in den Informationen an die Medien nicht benannt werden sollte, werde dem Folge geleistet. Die Neuregelung solle Transparenz schaffen, erläuterte das Ministerium. Aus diesem aktuellen Anlass haben wir den folgenden Artikel (vom 13.12.2023) erneut veröffentlicht:
Wie man sich doch täuschen kann. Es war doch eine einfache Frage: „Begehen Ausländer mehr Straftaten als Deutsche?“ Als Teil unserer Serie „Alles sagen! Der Streit um die Meinungsfreiheit“ wollten wir auf diese Frage eine seriöse, durch Tatsachen gestützte Antwort finden und dabei unterschiedliche Einschätzungen zu Wort kommen lassen.
Zahlreiche Reaktionen, die wir erhielten, belehrten uns eines Besseren. So einfach ist die Frage offenbar doch nicht. Eine Reihe von Leserinnen und Lesern warfen uns vor: „Ihr zählt viele Migrantinnen und Migranten überhaupt nicht zu den Ausländern, nur weil sie einen deutschen Pass haben. Dabei werden gerade von dieser Gruppe besonders viele Straftaten verübt. Kümmert euch doch mal um diese Menschen mit Migrationshintergrund!“
In der Diskussion innerhalb der Redaktion über diese Leserreaktionen schälten sich zwei Kernfragen heraus: Erstens: Können wir auf die Frage, wie viele Menschen mit Migrationshintergrund straffällig werden, eine seriöse Antwort geben? Zweitens: Wollen wir das, selbst wenn wir es könnten?
Bevor wir die beiden Fragen beantworten, ist zu klären: Was ist überhaupt ein Mensch mit einem „Migrationshintergrund“? Das Statistische Bundesamt sagt: „Eine Person hat einen Migrationshintergrund, wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurde.“
Damit ist klar: Wenn Oma oder Opa vor 80 Jahren von irgendwoher nach hierhin gezogen ist, zählt der Enkel nicht mehr als Mensch mit Migrationshintergrund. Offiziell ist das also geklärt, aber: Wie wir aus vielen Leserzuschriften gelernt haben, sehen viele Menschen das anders.
Nun zur ersten Frage: Können wir die Frage der Straffälligkeit von Menschen mit Migrationshintergrund seriös beantworten? Die Antwort: ein klares Nein. Das können wir nicht und das kann auch sonst niemand. Und dieses Nein gilt schon für den offiziellen Begriff „Migrationshintergrund“, umso mehr für das „volkstümliche“ Verständnis, bei dem Opa und Uroma ins Spiel kommen.
Der Grund: Wenn die Polizei einen Tatverdächtigen ermittelt, wird geklärt, ob er einen deutschen Pass hat oder ob er Staatsbürger eines anderen Landes ist. Mehr nicht. Welche Nationalität seine Eltern, Großeltern oder Geschwister haben, wird nicht erfragt. Und weil es nicht erfragt wird, wird es auch nicht erfasst. Und weil es nicht erfasst wird, gibt es dazu keine Statistik.
Es gibt keine Deutschen erster und zweiter Klasse
Bleibt die zweite Frage: Und wenn es doch Daten gäbe? Wollten wir überhaupt einen Unterschied machen zwischen Deutschen ohne und mit Migrationshintergrund? Ich halte das für keine gute Idee. Unser Grundgesetz kennt keine Deutschen erster und solche mit dem „Makel“ einer Migrationsgeschichte behaftete Deutschen zweiter Klasse.
Was wäre das auch für eine unfassbare Diffamierung all der Zuwanderer, die seit Jahrzehnten hier leben, bestens integriert, Stützen unserer Gesellschaft und nie straffällig geworden sind?
Wir freuen uns über Reaktionen auf unsere Serie „Alles sagen!“ Schreiben Sie uns an: sagen@lensingmedia.de
Im April 2019 stellte die Bundesregierung klar: „Deutscher im Sinne des Grundgesetzes ist, vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat‘.“
In Kurzform: Deutscher ist Deutscher. Punkt. Dabei bleibt es und das ist gut so. Auch der Vorschlag, der uns gleich mehrfach erreicht hat, anhand der Namen von Tatverdächtigen Menschen mit Migrationshintergrund „auszusortieren“, taugt nichts und ist infam. Alle, deren Eltern ihnen den Vornamen Ali, Amir oder Hakim gegeben haben, schon mal vorsorglich in die Schublade der Verdächtigen einzuordnen, ist menschenverachtend. Und zielt außerdem nur auf eine Gruppe von Menschen mit Migrationshintergrund ab, nämlich diejenigen mit islamischer Glaubenszugehörigkeit.
Unerträgliche General-Verdächtigungen
Wir wollen und werden uns nicht an solch unerträglichen General-Verdächtigungen und Unterstellungen beteiligen. Wir haben die Fakten aufgezeigt, wie es sich mit der Kriminalität von Ausländern im Allgemeinen und Zuwanderern im Besonderen verhält. Dazu haben wir mit vielen Expertinnen und Experten gesprochen, die das eingeordnet und ihre Sicht der Dinge dargelegt haben. Das war und ist wichtig und richtig.
Wer nur seine ausländerfeindlichen Vorurteile schüren und bestätigt sehen möchte, ist bei uns falsch. Der muss sich seine eigenen Wahrheiten bei den Populisten und Demagogen suchen. Bei uns wird er sie nicht finden.
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