Weihnachten und Ostern als Feiertage vor dem Aus? Christen sind schon bald in der Minderheit

Christen sind schon bald in der Minderheit: Weihnachten und Ostern als Feiertage vor dem Aus?
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Ulrich Breulmann

Wie lange sind die beiden Weihnachtstage noch Feiertage? Oster- und Pfingstmontag, Allerheiligen, Fronleichnam, Karfreitag und Christi Himmelfahrt – wann werden sie als arbeitsfreie Feiertage abgeschafft?

Ich frage mich, wer sich traut, als erster diese Frage zur Diskussion zu stellen. Das ist keineswegs Schwarzmalerei, sondern hat einen realen Hintergrund: Welchen Sinn haben arbeitsfreie christliche Feiertage, wenn das Christliche schneller aus der Gesellschaft verdunstet als Tautropfen an einem heißen Sommertag?

Anteil der Christen an der Bevölkerung stürzt ab

Das ist nicht nur ein diffuses Gefühl, sondern eine von Fakten gestützte Beobachtung. Eine Mitte November vorgestellte Studie, die von der Evangelischen Kirche in Auftrag gegeben und von der Katholischen Kirche unterstützt worden ist, zeichnet die Dramatik nach.

1960 gehörten 93,7 Prozent der Deutschen der Katholischen oder Evangelischen Kirche an, 1980 waren es 85,6 Prozent, 2000 noch 72,7, heute sind es nur noch 52 Prozent. Schon jetzt steht laut Studie fest, dass im nächsten Jahr der Anteil der registrierten Christen unter 50 Prozent sinken wird.

Die Flucht aus den Kirchen und ihre Gründe

Alles deutet darauf hin, dass sich die Fluchtbewegung aus den Kirchen fortsetzen wird. Vor 20 Jahren traten 174.227 Männer und Frauen aus der Evangelischen und 119.405 aus der Katholischen Kirche aus, zusammen 293.632. Seither sind die Austrittszahlen explodiert. 2022 zählten die Amtsgerichte 902.821 Kirchenaustritte (380.000 evangelisch, 522.821 katholisch).

Als Hauptgründe für ihren Austritt geben laut Studie Protestanten an, dass ihnen das Thema Religion und Kirche mit den Jahren gleichgültig geworden sei. Bei den Katholiken spielen Wut und Ärger eine große Rolle: über die Missbrauchsfälle, über kirchliche Stellungnahmen, über die Ungleichbehandlung von Frauen, hierarchische und undemokratische Strukturen, Unglaubwürdigkeit und kirchliche Skandale diverser Art.

All das treibt nicht nur Menschen zu Hunderttausenden aus den Kirchen, es hinterlässt selbst bei denen, die ihrer Kirche (noch) die Stange halten, tiefe Spuren. Die Distanz zu einem Leben mit der Kirche wächst.

Abzulesen ist das etwa an der Zahl der Gottesdienstbesucher. Die Katholische Kirche liefert genaue Daten. 1990 besuchten noch 21,9 Prozent der Katholiken sonntags den Gottesdienst. 2000 waren es noch 16,4 und 2010 noch 11,2 Prozent. Die aktuelle Zahl für 2022 liegt nur noch bei 5,7 Prozent.

Zurück zur Ausgangsfrage: Wenn Christen in der Gesellschaft in der Minderheit sind, warum sollten dann christliche Feiertage der Maßstab für die ganze Gesellschaft sein? Zumal gerade jene, die noch in einer Kirche sind, die gottesdienstlichen Angebote zunehmend ignorieren?

In welchen Ländern kirchliche Feiertage gestrichen wurden

Ich bin überzeugt, dass die säkulare Gesellschaft diese Fragen früher oder später stellen wird. Andere Länder haben Ähnliches längst hinter sich. Italien beispielsweise. 1977 wurden dort Christi Himmelfahrt, Fronleichnam sowie die Namensfeste des heiligen Josef (19. März) sowie Peter und Paul (29. Juni) als gesetzliche Feiertage abgeschafft.

Pfingstmontag ist nur noch in Südtirol arbeitsfrei. In vielen anderen Ländern sind ebenfalls etliche Kirchenfeste keine gesetzlichen Feiertage. Der 2. Weihnachtstag ist etwa in Spanien, Portugal, Frankreich, Belgien und der Schweiz kein landesweiter Feiertag.

Damit mich niemand falsch versteht: Ich finde arbeitsfreie Feiertage großartig. Ich bin überzeugt, dass es für eine Gesellschaft unschätzbar wertvoll ist, an einem Tag gemeinsam füreinander Zeit zu haben. Selbst wenn es für jeden abgeschafften Feiertag für alle einen Urlaubstag mehr gäbe – ein gemeinsamer Feiertag ist dadurch nie und nimmer zu ersetzen.

Aber reicht es zur Legitimation christlicher Feiertage, wenn wir die daran geknüpften, an den ursprünglichen Inhalt nur noch in homöopathischer Dosis erinnernden Traditionen und Bräuche so schön finden?

Traditionen und volkstümliche Bräuche - reicht das?

Was haben glitzernde Weihnachtsmärkte, auf denen man Karussell fahren, Klimbim und Socken kaufen, Deftiges und Süßes vertilgen und sich mit Würzwein betrinken kann, mit Weihnachten zu tun?

Längst hat der Coca-Cola-Weihnachtsmann das Christkind als Überbringer guter Gaben verdrängt. Reichen Traditionen und Bräuche, die sich rund um kirchliche Feste entwickelt haben, als Rechtfertigung, um an arbeitsfreien kirchlichen Feiertagen festzuhalten, wenn der Kern selbst längst aus dem Blick verschwunden ist?

Der Mann aus einem Dorf in der heutigen Türkei

Unangenehme Fragen sind das, ja, aber wir werden uns ihnen stellen müssen. In diesen Tagen etwa ist am 6. Dezember Nikolaustag, an dem alle Welt Geschenke in Socken und Schuhe stopft. Wer das tut, müsste eigentlich den Mann kennen, der im 3. Jahrhundert in einem Dorf in der heutigen Türkei gelebt hat. Wie ist das mit Ihnen?

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