Beim Thema Diesel herrscht dicke Luft

Diesel vor unsicherer Zukunft

Abgasskandal, Nachrüstungen, drohende Fahrverbote in NRW-Städten. Dieselfahrer sind genervt, in Autohäusern bricht die Nachfrage nach Diesel-Pkw ein. Hat der Dieselmotor überhaupt noch eine Zukunft?

NRW

, 21.02.2018, 12:01 Uhr / Lesedauer: 4 min
Hat der Diesel in deutschen Städten überhaupt noch eine Zukunft?

Hat der Diesel in deutschen Städten überhaupt noch eine Zukunft? © dpa

Alexander Koch ist ein Vielfahrer. Etwa 25.000 Kilometer legt er im Jahr mit seinem Auto zurück. Seit zweieinhalb Jahren fährt der 26-Jährige daher seinen Diesel. Den gebrauchten VW Scirocco hat er sich angeschafft, weil der Wagen weniger verbrauche und daher günstiger sei als ein Benziner, sagt Koch. Heute blickt der Kölner mit gemischten Gefühlen auf seinen eigentlich so geliebten Wagen.

Der spritzige Euro-5-Diesel, den Koch fährt, musste nachgerüstet werden. „Es war einer der betroffenen Dieselmotoren bei der großen Rückruf-Aktion von VW, bei dem eine Schummel-Software entdeckt wurde. Das musste rückgängig gemacht werden. Nun ist er nach wie vor Euro-5 und er schleudert nach wie vor zu viele Stickoxide raus und ist daher nach aktueller Definition kein sauberer Motor.“ Koch ist nicht der einzige Autofahrer, der Bedenken wegen seines Diesels hat.

Alexander Koch fährt einen Diesel und sorgt sich wegen der drohenden Fahrverbote. "Wenn die Blaue Plakette kommt, habe ich ein Problem."

Alexander Koch fährt einen Diesel und sorgt sich wegen der drohenden Fahrverbote. "Wenn die Blaue Plakette kommt, habe ich ein Problem." © privat

Seit dem Abgasskandal 2015 ist der Markt für Dieselneuwagen eingebrochen. „Der Diesel ist im Abschwung begriffen. Dieselneuwagen werden mit spitzen Fingern angepackt. Nur bei schweren, großen Fahrzeugen ist er noch zukunftsfähig“, sagt Prof. Ferdinand Dudenhöffer. Der Automobil-Experte ist Direktor des CAR Center Automotive Research an der Universität Duisburg-Essen. „Tests zeigen, dass auch der modernste Euro-6-Diesel zu viel ausstößt.“

Die neue Generation der Euro-6d-Diesel kommt erst 2019 auf den Markt. Hier sollen die Grenzwerte der Stickoxide auch im wirklichen Fahrbetrieb eingehalten werden. Bis die neue Generation verkauft wird, dauert es also. „Wenn Sie einen Diesel kaufen, dann Euro-6d, alles andere würde ich nicht nehmen“, sagt Dudenhöffer.


Kunden und Händler sind verunsichert

Christoph Haumann, Geschäftsführer des Autohaus Trompeter in Lünen, merkt die schwindende Nachfrage nach Dieselmodellen. „Die Nachfrage nach Dieseln ist zurückgegangen und die Kunden sind unsicher.“ Vor allem beim Thema Euro-6d-Norm zeigt sich Haumann unzufrieden. „Kunden fragen nach Modellen, die sauber sind“, bestätigt er. „Da gibt es bei Autohäusern eine hohe Unsicherheit.“ Denn noch seien die Euro-6d-Diesel nicht auf dem Markt – und Autohäuser hätten kaum Möglichkeiten festzustellen, ob das Auto, das sie zusammenstellen, auch die Norm erfüllen wird.

Christoph Haumann (l.), Geschäftsführer des Autohaus Trompeter in Lünen, berichtet von verunsicherten Kunden. Die Nachfrage nach Dieseln sei zurückgegangen.

Christoph Haumann (l.), Geschäftsführer des Autohaus Trompeter in Lünen, berichtet von verunsicherten Kunden. Die Nachfrage nach Dieseln sei zurückgegangen. © Foto: Julian Beimdiecke

In die Kritik geraten sind Diesel vor allem wegen des viel zu hohen Stickoxidausstoßes, der sich stark auf die Gesundheit auswirkt. Dieser wird an rund 500 Stellen in Deutschland gemessen. In NRW gibt es derzeit 64 Messstellen, die kontinuierlich die Luftqualität in den Städten prüfen. „Wir messen da, wo wir die höchste Belastung vermuten“, sagt Birgit Kaiser de Garcia vom NRW-Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv).

Erfasst werden unter anderem Stickstoffdioxid- und Feinstaubwerte. Feinstaubgrenzwerte seien seit 2014 nicht mehr überschritten worden, sagt Kaiser de Garcia. Bei Stickstoffdioxid-Werten sieht es anders aus. Im Jahr 2016 verzeichnete das Lanuv etliche Grenzwertüberschreitungen.

Grenzwerte in allen größeren Städten überschritten

Nach deutschem und EU-Recht ist zum Schutz der Gesundheit bei Stickstoffdioxid ein Jahresgrenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel festgelegt. Dieser Wert ist seit 2010 einzuhalten – wird aber in deutschen Städten andauernd überschritten. Den höchsten Wert wies 2016 mit 82 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft Stuttgart auf. Die höchsten Werte in NRW gab es in Köln (63), Düren (60), Düsseldorf (58), Essen (52), Hagen (51) und Dortmund (51). „Betroffen von den Überschreitungen der Stickstoffdioxid-Grenzwerte sind alle größeren Städte“, sagt Kaiser de Garcia vom Lanuv. Dort verursache der Verkehr die hohen Schadstoffwerte. Besondere Dreckschleudern sind Lkw und Busse, die mit Diesel fahren.

Grafik: Mühe; Daten: Lanuv, Universität Duisburg-Essen

Grafik: Mühe; Daten: Lanuv, Universität Duisburg-Essen

In Dortmund gibt es gleich mehrere „Hotspots“: Nach den Daten des Lanuv lagen für 2016 die beiden Messstationen an der B1 mit 48 Mikrogramm (am Rheinlanddamm im Bereich Kaiserhain/ Ophoff) und mit 43 Mikrogramm (am Westfalendamm im Bereich Gartenstadt) über dem tolerierten Jahresmittelwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. An der Brackeler Straße in der Nähe des Borsigplatzes betrug 2016 der Jahresmittelwert 51 Mikrogramm.

Die Spitze ist das in Dortmund noch nicht. Das städtische Umweltamt, das eigene Messpunkte unterhält, ermittelte die höchste Belastung für die Kreuzung Ruhrallee/Saarlandstraße in der südlichen Innenstadt – mit einem Mittelwert von 59 Mikrogramm im Jahr 2015. Generell sei die Stickstoffdioxid-Belastung an Hauptverkehrsstraßen in der City zu hoch. Das sei ein flächendeckendes Problem.

Es gibt in Dortmund einige "Hotspots", an denen die Stickstoffdioxid-Werte sehr hoch sind. Einer davon befindet sich an der Messstation an der Brackeler Straße.

Es gibt in Dortmund einige "Hotspots", an denen die Stickstoffdioxid-Werte sehr hoch sind. Einer davon befindet sich an der Messstation an der Brackeler Straße. © Dieter Menne

Grundsatzurteil hätte große Auswirkungen

Das Problem ist nun Thema für Juristen und Politiker. 2015 hat die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren wegen andauernder Überschreitungen der Stickstoffdioxid-Grenzwerte gegen Deutschland eingeleitet. „Die Mahnung der EU-Kommission, die Stickstoffdioxid-Werte zu senken, hängt klar mit dem Diesel-Problem zusammen“, sagt der Automobil-Experte Dudenhöffer. Sollte Deutschland keine überzeugenden Maßnahmen einleiten, um Schadstoffwerte zu senken, drohen bei einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof hohe Strafzahlungen.

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Dieselfahrer Alexander Koch beobachtet die Entwicklungen: „Ich mache mir ziemlich viele Sorgen wegen der drohenden Fahrverbote. Wenn eine Blaue Plakette kommt, habe ich ein Problem.“ Das ärgert den 26-Jährigen, denn gegen die Dieselprobleme hätte die Politik längst angehen müssen: „Die Politik handelt nicht vorausschauend. Sie hat komplett versagt.“

Auch die lokale Wirtschaft würde ein Verbot treffen, teilt Ernst Wölke mit, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Dortmund (HWK). „Nahezu alle Fuhrparks des Handwerks sind dieselbetrieben“, so Wölke. Besonders kleine und mittlere Betriebe würde ein Fahrverbot oder die Forderung nach einer erneuten Umrüstung hart treffen. Deshalb fordert die HWK, im Falle eines Fahrverbotes, einen Bestandsschutz für Fuhrparks von Handwerkern.

Dortmund gilt als Kandidat für Fahrverbot

In 28 Städten sind in NRW derzeit Umweltzonen eingerichtet. Diese sind nur mit der Grünen Plakette befahrbar. 13 der Städte liegen in der Umweltzone Ruhrgebiet. Kämen Fahrverbote tatsächlich, träfen sie wahrscheinlich Dieselfahrer, die wie Alexander Koch in Düsseldorf und Köln unterwegs sind – auch Dortmund gilt als Kandidat für ein Fahrverbot. Das geht aus einer Ende Januar veröffentlichten Studie des Autoexperten Dudenhöffer hervor. Ohne Hardware-Umrüstungen komme man nicht um Fahrverbote herum, so Dudenhöffer.

Um Fahrverbote zu vermeiden, hat die Bundesregierung Förderprogramme aufgesetzt. Mit dem „Sofortprogramm Saubere Luft 2017-2020“ will der Bund beispielsweise Klimaschutzziele auf kommunaler Ebene mit einer Milliarde Euro fördern. Dazu zählen unter anderem die Elektrifizierung des urbanen Verkehrs, von Taxis und Busflotten im Öffentlichen Nahverkehr, sowie die Digitalisierung der Verkehrssysteme.

Die Nachrüstung von Bussen zeige einen klaren Effekt, so Dorothee Saar von der Deutschen Umwelthilfe. Allerdings gebe es Hürden für Kommunen, die auf einen umweltfreundlichen Nahverkehr umstellen wollen. „Für sie ist es schwierig, E-Busse zu bekommen. Auch Infrastruktur und Wartung sind in diesem Bereich anders.“ Ferner könne die begrenzte Reichweite der E-Fahrzeuge zum Problem werden. Bis die Flotten elektrifiziert und die Infrastruktur geschaffen ist, werden viele Jahre vergehen. Es ist ein Langzeit-Projekt, das hilft, den Schadstoffgehalt in der Luft zu reduzieren. Kurzfristig müssen andere Wege gefunden werden. Die Deutsche Umwelthilfe hält daher Fahrverbote für unumgänglich.

Mit Material von dpa

Die Zahl der Autos in Deutschland steigt
  • Auf Deutschlands Straßen sind immer mehr Autos unterwegs. Das geht aus Statistiken des Kraftfahrt Bundesamtes hervor.
  • Im Jahr 2011 waren rund 3,5 Millionen Pkw weniger gemeldet als 2017. Im vergangenen Jahr fuhren bundesweit insgesamt 45.803.560 in Deutschland gemeldete Pkw auf den Straßen, davon 15.089.392 Dieselfahrzeuge und 29.978.635 Benziner – Elektro-Autos gab es bundesweit nur 34.022.
  • Im bevölkerungsreichen Nordrhein-Westfalen sind im Ländervergleich die meisten Pkw unterwegs. Im Jahr 2017 waren es 9.807.338 – 6.502.288 davon Benziner, 3.097.084 Diesel und 5.283 E-Autos.
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