Auf der Jagd nach den Zoo-Äffchen
Diebstahlserie in NRW
Es ist eine Diebstahlserie, die Tierpfleger in NRW nachts schlecht schlafen lässt: Mindestens 20 Äffchen sind seit Beginn des Jahres aus Zoos und Tierparks in der Region verschwunden. Von allen fehlt bislang jede Spur. Dabei gibt es durchaus Hinweise auf die möglichenTäter.

Von den Totenkopfäffchen, die aus einem Affen- und Vogelpark im Bergischen Land gestohlen wurden, fehlt weiter jede Spur.
Ludger Schmidt ist verzweifelt. Der Tierarzt und Juniorchef des Affen- und Vogelparks Eckenhagen im Bergischen Land hat Angst um seine Totenkopfäffchen. Die Tiere sind empfindlich und brauchen Spezialfutter. Acht der kleinen Kerlchen wurden Anfang des Monats nachts aus ihrem Gehege gestohlen - vier Weibchen, drei Jungtiere und das Zuchtmännchen der Gruppe. Die Diebe knackten ein Vorhängeschloss und nahmen die Äffchen mit. Ihre etwa 30 Artgenossen ließen sie ins Außengehege.
5000 Euro Belohnung
"Das war ein Mordanschlag auf die Tiere", schimpft Schmidt. "Wir hatten einfach Glück, dass es in der Nacht relativ warm war, sonst hätten die Äffchen das nicht überstanden." Es war nicht der erste Einbruch in den Park in diesem Jahr. Schon im Februar hatten Unbekannte dort sechs Totenkopfäffchen gestohlen. Kaufe man die Äffchen legal, seien sie pro Tier zwischen 1500 und 2000 Euro wert, schätzt Ludger Schmidt. Er und sein Vater Werner haben für Hinweise, die zur Ergreifung der Diebe führen, inzwischen 5000 Euro Belohnung ausgelobt.
Auch aus den Zoos in Krefeld und Dortmund verschwanden in diesem Jahr Affen. Im Juli stahlen Unbekannte in Krefeld drei Goldene Löwenäffchen: das Zuchtpaar und dessen Jungtier. In Dortmund verschwanden im August drei Zwergseidenäffchen' tag='. Auch hier war das Zuchtpaar unter den gestohlenen Tieren. Außerdem nahmen die Diebe zwei Zwergagutis mit, kleine Nagetiere, die optisch an Eichhörnchen erinnern.
Experten vermuten Auftragsdiebstahl
An einen Zufall glauben Experten bei dieser Häufung von Affendiebstählen in Nordrhein-Westfalen nicht mehr. "Ich gehe davon aus, dass die Tiere gezielt und mit Auftrag gestohlen werden", sagt Franz Böhmer, Artenschutzexperte vom Bundesamt für Naturschutz.
Davon geht auch Wolfgang Dreßen aus. "Goldene Löwenäffchen in Privathaltung gibt es kaum", erklärt der Direktor des Krefelder Zoos. Die meisten der Tiere lebten in Zoos oder dort, wo sie von diesen wieder angesiedelt würden. Doch gerade die Tatsache, dass man als Privathalter kaum Chancen habe, an die Goldenen Löwenäffchen heranzukommen, wecke bei einigen Sammlern erst richtig das Interesse, glaubt Dreßen.
Wie begehrt die Äffchen sind, zeigten weitere Fälle gestohlener Tiere aus Nachbarländern. So wurden im Mai diesen Jahres aus dem Beauval-Zoo im französischen Saint-Aignan-sur-Cher neben zehn Silberäffchen auch sieben Goldene Löwenäffchen gestohlen. 2014 verschwanden aus dem Zoo im niederländischen Apeldoorn fünf der kleinen Affen.
Der Direktor des Krefelder Zoos hat nach dem Verschwinden seiner Löwenäffchen im Sommer Kontakt in die Szene privater Halter aufgenommen, um herauszufinden, was aus den Tieren geworden ist. Zwei Privathalter meldeten sich sogar von sich aus bei Dreßen. "Die Beiden betreiben die Affenhaltung seriös und wollten uns bei der Suche nach unseren Tieren helfen", berichtet der Zoodirektor.
Mann bekam Löwenäffchen angeboten
Einer der beiden Affenbegeisterten hatte mitbekommen, dass es in der Szene Leute gab, die genau zur Zeit des Diebstahls in Krefeld nach Goldenen Löwenäffchen suchten. Dem anderen waren zwei Wochen nach dem Verschwinden der Tiere auf einer Reise in Osteuropa Löwenäffchen angeboten worden - mit dem Hinweis, diese stammten aus einem deutschen Zoo.
Die Kriminalpolizei nahm Kontakt zu den beiden Hinweisgebern auf - allerdings ohne Ergebnis. Vor Kurzem hat die Staatsanwaltschaft Krefeld die Ermittlungen im Fall der Krefelder Löwenäffchen eingestellt. "Die Verdachtsmomente reichten nicht aus, um weiterzumachen", berichtet Dreßen enttäuscht.
Auch im Fall der Totenkopfäffchen aus dem Bergischen Land gab es vage Hinweise auf den Verbleib der Tiere. Nach dem ersten Diebstahl sollten irgendwo in Brandenburg solche Äffchen aufgetaucht sein, beim zweiten Mal schickte jemand dem Park Anzeigen zu, in denen Totenkopfäffchen zum Kauf angeboten wurden.
Doch hier wie auch in Dortmund führten die Ermittlungen der Polizei ebenfalls zu keinem Ergebnis. "Die meisten gestohlenen Zootiere tauchen trotz eines Chips mit weltweit einmaliger Kenn-Nummer nie wieder auf", sagt Artenschutzexperte Franz Böhmer vom Bundesamt für Naturschutz. "Vermutlich verschwinden sie in privaten Sammlungen.“
Werden die Tiere im Ausland "gewaschen"?
Ganz einfach ist das mit dem Verschwinden allerdings nicht. "Für Affen brauchen Sie Papiere", sagt Norbert Zajac. Er betreibt in Duisburg auf 12.000 Quadratmetern das nach eigenen Angaben größte Zoofachgeschäft der Welt und glaubt nicht, dass es in Deutschland einen nennenswerten Markt für geklaute Affen gibt. Spinner gebe es natürlich immer. "Aber grundsätzlich kann ich mir nicht vorstellen, dass die Tiere in Deutschland bleiben", so Zajac. Er nimmt an, dass sie über die Grenze gebracht werden und in osteuropäische Länder gehen.
Diesen Verdacht teilt Wolfgang Dreßen. Allerdings kann er sich durchaus vorstellen, dass der Weg der Äffchen in einigen Fällen auch wieder zurückführt. Nach allem, was er inzwischen gehört hat, hält Krefelds Zoodirektor es für möglich, dass die gestohlenen Tiere in Osteuropa „gewaschen“ werden, also neue "saubere" Papiere ausgestellt bekommen und dann auf dem internationalen Markt zum Kauf angeboten werden.
Wer dort mitbieten will, sollte ein bisschen was zurückgelegt haben. „Für ein Paar Goldene Löwenäffchen müssen Sie schon 20.000 bis 30.000 Euro hinlegen“, berichtet Dreßen. Diese Preise sind es, die ihn hoffen lassen, dass es seinen Äffchen trotz allem gut geht. Bei solchen Summen sei es für die Diebe schließlich eine Katastrophe, wenn eines der Tiere zu Schaden komme.
Ein Äffchen ist kein Picasso
Große Hoffnungen auf eine Rückkehr seiner Äffchen macht er sich aber nicht. "Wenn ein Mensch zu Schaden gekommen oder ein Picasso verschwunden wäre, wäre das eine andere Nummer", glaubt der Zoodirektor. So aber gelte für die Polizei: "Der Krefelder Fall endet in Krefeld und der Dortmunder Fall in Dortmund."
Eine Einschätzung, die von der Polizei Krefeld auf Anfrage im Grundsatz bestätigt wird. "Die Sachbearbeiter verständigen sich zwar untereinander, die Fälle werden aber getrennt ermittelt, weil nicht genügend Hinweise vorliegen, dass sie zusammenhängen", erklärt eine Sprecherin. Zuständig seien die verschiedenen Diebstahl-Abteilungen.
Ludger Schmidt und Wolfgang Dreßen wünschen sich, dass die Affendiebstähle als Serie betrachtet und die Ermittlungen zusammengefasst werden. "Wir haben natürlich Angst, dass die Diebe wiederkommen", sagt Schmidt. Auch andere Zoos sorgen sich inzwischen um ihre Äffchen. So hat man im Allwetterzoo bin Münster die Sicherheitsmaßnahmen bei den Löwenäffchen verstärkt. Sie dürfen nun nachts nicht mehr ins Außengehege. Außerdem wurde eine Tür erneuert und mit einem Schloss ausgerüstet.
Solche Gedanken muss sich Wolfgang Dreßen erstmal nicht mehr machen. Die drei gestohlenen Löwenäffchen waren die letzten ihrer Art in Krefeld. Derzeit steht ihre Anlage leer. Ob der Zoo noch einmal Löwenäffchen aufnimmt, ist im Moment offen. „Wir bekämen sicher welche aus dem Zuchtprogramm“, glaubt Dreßen. „Aber so offen wie bisher könnten wir sie nicht mehr halten.“