So schützen NRW-Zoos ihre Tiere
Auftragsdiebstähle
Der Tod von Seelöwin Holly im Dortmunder Zoo gibt Rätsel auf. Töteten Einbrecher das Tier oder gab es einen Unfall? Ungeklärt. Fakt ist: Einbrüche kommen in den meisten Zoos vor. In NRW gab es zuletzt eine Serie von Affendiebstählen. Taten im Auftrag privater Sammler, glauben Experten. Wie schützen die Zoos ihre Tiere?

Bei Tierdieben begehrt: Krallenaffen, wie dieses Zwergseidenäffchen.
Tierpfleger fanden Holly Anfang November tot in ihrem Gehege. Die Tierärztin des Dortmunder Zoos stellte Verletzungen am Schädel der Seelöwin fest, außerdem fehlten Holly drei Zähne. Mitarbeiter entdeckten in unmittelbarer Nähe des Robbengeheges ein Loch im Zaun. Das fünf Monate alte Jungtier Triton muss nun ohne seine Mutter aufwachsen.
Obwohl die Polizei im Fall Holly keine Hinweise auf Fremdverschulden finden konnte, glaubt Dortmunds Zoodirektor Dr. Frank Brandstätter weiter daran' tag='. "Es gibt keine andere Erklärung", sagt er. Eine technische Ursache für Hollys Tod könne man ausschließen.
Volker Homes, Diplom-Biologe und Geschäftsführer des Verbandes der Zoologischen Gärten (VdZ), ist aus den letzten Jahren kein Fall bekannt, bei dem ein Zootier von Einbrechern getötet wurde. Im VdZ sind Zoos aus ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz organisiert, darunter zum Beispiel die NRW-Zoos aus Dortmund, Duisburg, Gelsenkirchen, Köln, Krefeld und Münster sowie der Tierpark Bochum.
Tatsächlich kommen tödliche Übergriffe auf Zootiere nur sehr selten vor. Hier ein Überblick mit Fällen aus den letzten Jahren' tag='. Häufiger sind Einbrüche, bei denen Tiere gestohlen werden. Allein in diesem Jahr gab es in Nordrhein-Westfalen drei dokumentierte Fälle:
Februar 2015: Im Affen- und Vogelpark Eckenhagen im Bergischen Land wird ein Gehege aufgebrochen. Neun unter Artenschutz stehende Totenkopfäffchen werden gestohlen.
Juli 2015: Aus dem Krefelder Zoo verschwinden drei Goldene Löwenäffchen, darunter das Zuchtpaar der Gruppe. Löwenäffchen gehören zu den sogenannten Krallenäffchen und sind eine bedrohte Tierart.
August 2015: Einbruch in den Dortmunder Zoo ' tag=' - Unbekannte stehlen nachts drei Zwergseidenäffchen und zwei Zwergagutis - kleine Nagetiere, die an Eichhörnchen erinnern. Auch hier ist das Zuchtpaar der kleinen Krallenaffenart unter den vermissten Tieren. Die Stadt engagiert daraufhin einen Wachdienst, der sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag im Zoo unterwegs ist. Den Tod von Seelöwin Holly im November können die Wachleute nicht verhindern.
"Da hat ein Oligarch ein paar Äffchen bestellt"
Einbrüche in Zoos, bei denen Tiere gestohlen würden, gebe es seit einigen Jahren regelmäßig, sagt Franz Böhmer vom Bundesamt für Naturschutz. "Früher war es in diesem Bereich gefühlt ruhiger, eine Statistik führen wir aber nicht", so der Artenschutzexperte. Geklaut würden meist kleinere Tiere wie Eulen, Äffchen oder Papageien.
Die Serie der Affendiebstähle in NRW war eine Auftragstat, durchgeführt von Profis, da sind sich die Experten einig. "In diesen Fällen sind offensichtlich ganz gezielt bestimmte Affen ausgewählt worden", sagt Böhmer. "Da hat vermutlich ein Oligarch aus Moskau ein paar Äffchen bestellt", meint der Direktor des Allwetterzoos Münster, Jörg Adler.
"Die Äffchen sind handlich, ungefährlich und oft auch Fremden gegenüber schnell zutraulich", meint Sabine Haas, Sprecherin der Zoom Erlebniswelt in Gelsenkirchen. Dazu komme, dass die Tiere in relativ kleinen Gehegen untergebracht seien, was das Einfangen erleichtere, so Artenschutz-Fachmann Böhmer. "Alles was Sie dazu brauchen, ist ein guter Handschuh."
Tiere verschwinden in privaten Sammlungen
Viele Zootiere sind über einen Chip mit weltweit einmaliger Kenn-Nummer eindeutig identifizierbar. „Das Erstaunliche ist, dass die meisten der gestohlenen Tiere trotzdem nie wieder auftauchen", sagt Franz Böhmer. Im Fall der neun im Bergischen Land gestohlenen Totenkopfäffchen seien die Kennzeichnungen sofort an die gesamte EU herausgegangen. "Trotzdem haben wir nichts mehr von ihnen gehört. Vermutlich verschwinden diese Tiere in privaten Sammlungen.“
Wie lassen sich solche Dinge verhindern? Wir haben uns bei den Zoos in Nordrhein-Westfalen umgehört.
So schützen sich NRW-Zoos vor Einbrechern
Die etwa 30 Hektar große Zoom Erlebniswelt Gelsenkirchen wird nach Angaben von Sprecherin Sabine Haas von zwei Nachtwächtern mit einem großen Hund bewacht. "Wenn da einer gerade in der Erlebniswelt Afrika unterwegs ist und der andere in Alaska, kann in Asien natürlich trotzdem etwas passieren", sagt Haas. "Es ist aber so: Als Besucher kommt man zwar theoretisch relativ nah an die Tiere ran, allerdings gibt es eigentlich immer entweder einen Wassergraben oder einen sehr tiefen Trockengraben zwischen Mensch und Tier.“
Einen Vorfall, bei dem ein Tier nach einem Einbruch zu Tode kam, habe es in Gelsenkirchen zuletzt vor mehr als 20 Jahren gegeben, so Haas. Damals seien - noch im sogenannten Ruhr-Zoo - Pinguine getötet worden. An einen Tierdiebstahl in Gelsenkirchen kann sich Haas überhaupt nicht erinnern. "Das hängt vermutlich auch damit zusammen, dass unsere Tiere für Diebe entweder zu groß, zu gefährlich oder nicht wertvoll genug sind", erklärt die Sprecherin. "Das Einzige, was regelmäßig vorkommt ist, dass Jugendliche oder Betrunkene nachts in den Zoo eindringen." Das seien wahrscheinlich meistens Mutproben. "Das gibt dann eine Anzeige“, betont Haas.
Zu unhandlich für Tierdiebe: Giraffen in der Zoom Erlebniswelt in Gelsenkirchen. Foto: dpa
Auch im Zoo Krefeld gibt es nach Angaben von Sprecherin Petra Schwinn einen Wachdienst. "Sensible Tierhäuser und andere Gebäude sind außerdem mit einer Alarmanlage versehen, die einen Einbruch sofort an einen Sicherheitsdienst beziehungsweise die Polizei meldet."
Verstärkt habe man die Sicherheitsmaßnahmen nach dem Diebstahl der Goldlöwenäffchen im Juli nicht. Hundertprozentige Sicherheit gebe es, wie in allen anderen Lebensbereichen, ohnehin nicht, betont Schwinn. "Wenn Kriminelle einen Übergriff planen, werden sie nach einer Lücke im System suchen und diese nutzen." Versuchte und gelungene Einbrüche in den Krefelder Zoo habe es in den vergangenen Jahren immer wieder gegeben. Meist seien jedoch nicht Gehege, sondern Verwaltungs- oder Kassengebäude im Visier der Einbrecher gewesen.
Parma-Känguru-Baby "Norman" bekommt im Zoo Krefeld von einer Tierpflegerin eine Flasche Milch. Foto: dpa
Im Zoo Duisburg richten sich die Sicherheitsmaßnahmen nach Angaben des wissenschaftlichen Leiters Jochen Reiter nach der "gängigen Praxis". "Gefährliche Tiere werden in Klassen eingeteilt und die Anlagen baulich danach ausgerichtet." Dabei werde immer so gebaut, "dass ein direkter Kontakt zwischen Tier und Mensch unter normalen Umständen niemals zustande kommen kann“. Die Besucher müssten sich sicher fühlen. In den letzten beiden Jahren seien dem Zoo eine Handvoll europäische Landschildkröten geklaut worden. "Zu solchen Diebstählen kommt es alle paar Jahre", sagt Reiter.
Einen Sicherheitsdienst wie in Dortmund gebe es nicht, sagt der wissenschaftliche Leiter des Duisburger Zoos. Durchschnittliche Zoos des Verbands der Zoologischen Gärten rangierten in Größenordnungen von vielleicht 15 bis 25 Hektar. "Wenn der Sicherheitsdienst da auf seiner Runde ganz im Norden ist, dann wird halt im Süden Schindluder getrieben", meint Reiter. Damit wolle er nicht sagen, dass solche Dienste nichts bringen. "Aber die Relation zur betreuten Fläche darf man nicht außer Acht lassen."
Ein Roter Vari hängt im Zoo in Duisburg von einem Ast. Foto: dpa
Im Allwetterzoo Münster hat Direktor Jörg Adler den Sicherheitsdienst vor etwa zehn Jahren abgeschafft. "Wir hielten den Einsatz für ineffektiv", sagt er. Damals habe es öfter Kioskeinbrüche gegeben. "Die konnte der Sicherheitsdienst nie verhindern." Die Sicherheitsleute hätten einfach keine Chance, sagt Reiter. "Das Gelände ist riesig und man braucht Licht, um sich umzusehen. Da entdecken die Einbrecher den Sicherheitsdienst früher als umgekehrt."
Der letzte Diebstahl sei im Allwetterzoo 2011 vorgekommen. Damals wurden aus einer Ausstellung zu Tierprodukten aus verbotenem Handel Dinge wie Stiefel aus Reptilienleder, Schmuck aus Schildpatt und ein Leopardenfell gestohlen. "Dass jemand mit diesen Sachen Geld machen konnte, war sehr ärgerlich", sagt Adler. "Die Einbrecher waren aber offenbar organisierte Profis – solche Leute kann man kaum aufhalten.“
Im Allwetterzoo Münster sorgt man sich derzeit vor allem um die Nashörner. Foto: dpa
Wegen der Serie von Affendiebstählen in NRW habe man in Münster zuletzt beim Gehege der Krallenaffen nachgerüstet. "Am meisten Sorgen machen wir uns aber gerade um die Nashörner", verrät Adler. Der Grund: Der Handel mit den Hörnern sei zuletzt explodiert. "Sie sind in Asien ein Statussymbol, dafür wird viel Geld geboten", sagt Adler. Deshalb habe man bei den Nashörnern ein neues Sicherheitssystem eingebaut, das derzeit noch weiter verfeinert werde.
"Ein Zoo darf nicht zum Hochsicherheitstrakt werden"
Insgesamt seien die Sicherheitsmaßnahmen in deutschen Zoos in den vergangenen Jahren deutlich verschärft worden, sagt Volker Homes vom Verband der Zoologischen Gärten. Klar sei aber auch, dass ein Zoo nicht zum Hochsicherheitstrakt werden dürfe. "Wenn ich als Besucher erst durch drei Sicherheitsschleusen muss, geht der Spaß verloren." "Der Zoo soll nicht zur Festung werden", stimmt Sabine Haas von der Zoom Erlebniswelt in Gelsenkirchen zu. Bestimmte Maßnahmen seien für die Zoos auch gar nicht zu finanzieren.
Dortmunds Zoodirektor Frank Brandstätter sagt: "Es ist immer eine Gratwanderung zwischen der größtmöglichen Sicherheit und dem Wohlgefühl der Tiere und der Besucher. Natürlich könnten wir eine drei Meter hohe Mauer um den Zoo bauen und Natodraht draufpacken, aber wir müssen ja auch die Verhältnismäßigkeit wahren."
Nach dem Tod von Seelöwin Holly denke man aber schon über eine Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen nach. In welche Richtung diese gehen könnte, sei noch nicht entschieden, so Brandstätter. "Wir lassen uns da von verschiedenen Experten beraten." Natürlich tausche man sich auch mit anderen Zoos aus. "Man muss das Rad ja nicht neu erfinden."
Belohnung für Hinweise aufgestockt
Unterdessen hat die Tierrechtsorganisation Peta im Fall Holly die Belohnung erhöht, die sie für Hinweise ausgelobt hatte, die zur Ermittlung und Überführung des mutmaßlichen Täters führen. Unterstützer und weitere Tierfreunde hätten den Betrag von 1000 auf rund 2000 Euro verdoppelt, teilte die Organisation auf Anfrage mit. Privatleute und ein Dortmunder Autohaus hatten weitere 2900 Euro in Aussicht gestellt. Man halte an der Belohnung fest, "solange eine Fremdeinwirkung nicht völlig ausgeschlossen ist", so Peta.