Am Rhein-Herne-Kanal lässt sich die Seele des Potts erfahren
100-jähriges Jubiläum
Eine Wasser-Straße als ein Stück Revier der Kontraste: Nirgendwo verschmelzen traditionelle Maloche und moderne Freizeitgesellschaft so eindrucksvoll wie am Rhein-Herne-Kanal. In diesem Jahr wird er 100 Jahre alt.

Früh wurde der Rhein-Herne-Kanal von den Wassersportlern genutzt: Ruderer in Castrop-Rauxel 1924.
Längst sieht es entlang des Kanals anders aus als in der Blüte des Bergbaus und der Stahlindustrie. Und auch auf dem Wasser reihen sich nicht mehr Kohlekahn an Kohlekahn und Erzfrachter an Erzfrachter. Gleichwohl, auch heute noch lässt sich die wahre Seele des Potts am besten am Kanal erfahren. Nirgendwo verschmelzen traditionelle Maloche und moderne Freizeitgesellschaft so eindrucksvoll wie an diesem großen Wasserweg. Und hier treffen Menschen aufeinander, Originale, Typen, aus dem gleichen Holz geschnitzt. Der Binnenschiffer und der Schleusenwärter, der Kranführer und der Hafenarbeiter, der Angler und der Paddler, die Kapitäne von Yachten und Fahrgastschiffen. Es ist ein Stück Revier der Kontraste. Laute, industrielle Abschnitte im Wechsel mit beschaulichem Naturidyll. Industriebrachen neben herausgeputzten, musealen Kulturdenkmälern. Skurrile Bilder von ungeheurem Charme. Während vielleicht gerade mit ohrenbetäubendem Lärm Schrott in einen Frachter verladen wird, entspannt sich in der Nähe ein Angler bei einem wohlverdienten Feierabendbierchen.
Obwohl wir beim Rhein-Herne-Kanal in erster Linie von einem Güterschifffahrtsweg sprechen, war er daneben immer schon ein Erholungsraum. Seit mit dem Niedergang der Montanindustrie auch die wirtschaftliche Bedeutung des Kanals in die Krise kam, steigt sein Wert als Freizeit- und Tourismusregion kontinuierlich an.
Und spätestens als im Rahmen der Kulturhauptstadt Europas, mit Ruhr.2010, das Projekt Kulturkanal ins Leben gerufen wurde, bekam die Wasserstraße ein neues Image. Jede Menge Veranstaltungen am und auf dem Kanal, aber ebenso in den Anrainerstädten entlang seiner Ufer schaffen einen einzigartigen Bezug.
Jetzt, in diesem Jubiläumsjahr, ist das Programm so umfangreich und vielfältig, dass man die Qual der Wahl hat.
Dabei kann man zugleich stets die einmalige Atmosphäre am Kanal in sich aufnehmen. Wer sich dieser öffnet, wird vor allem eines spüren: Auch wenn es sich um ein relativ schmales Gewässer ohne Strömung und Tidenhub handelt, geht es hier um richtige Schifffahrt mit allem drum und dran. Mit Anlegemanövern, Tauen und Pollern, mit Schleusen und Schifffahrtsamt, mit Werften und Häfen, mit Kirchenboot und Wasserschutzpolizei. Und natürlich mit Fahrgastschiffen. Verschiedene Flotten bieten an vielen Stellen die Mitreise an. Oder aber wir steigen aufs Rad, um den Lebens- und Arbeitsraum Kanal hautnah zu erfahren. Bis auf wenige Stellen geht es direkt am Ufer entlang – rund 50 Kilometer. Die kann man in Etappen machen oder auch an einem Tag, wenn die Kondition reicht.
Danach wird man wiederkommen, denn um die vielen interessanten Dinge im Umkreis des Wasserwegs in Ruhe zu erkunden, muss man Zeit mitbringen. Einerlei, wo man die Route startet, die Entdeckungsreise beginnt sogleich. Losgehen könnte es am Schiffshebewerk Henrichenburg mit dem Museum für Binnenschifffahrt, das unter anderem Einblicke in das Funktions- und Arbeitsleben dieses Hebewerks ermöglicht. Im Rhythmus eines tuckernden Kahns führt von dort der Weg genussvoll pedalierend gen Westen. Brücken, Häfen und Schleusen werden ab jetzt zum Charakteristikum.
Wir passieren das Umspannwerk Recklinghausen mit dem Museum Strom & Leben zur Geschichte der Elektrizität wie auch das Areal der Cranger Kirmes, wo das Kanalufer im August zehn Tage lang zum Schauplatz eines der größten Volksfeste in Deutschland wird.
Gelsenkirchens Zoo, die ZOOM Erlebniswelt, liegt nah am Kanal und ist allein schon mindestens einen ganzen Tag wert. Genauso der Nordsternpark, in dem 1997 die Bundesgartenschau stattfand: Kunst, Industriegeschichte und Natur auf rund 100 Hektar laden ein.
An der Burg Vondern, im Stadtteil Oberhausen-Osterfeld, geht es weit in die Geschichte zurück. Neben Führungen gibt es hier auch ein kulturelles Programm. Haus Ripshorst mit dem Gehölzgarten lässt es nochmals beschaulich werden, bevor es gleich darauf im Schatten des Gasometers Oberhausen turbulent und aufregend wird. Etwa im Aquapark, dem einzigen Bergbau-Erlebnisbad der Welt, mit Förderturm und Fallrutsche, die 18 Meter rasant in die Tiefe zieht. Na und dann das Sea Life, das dank Tunnel und Panoramascheiben buchstäblich in die Unterwasserwelt hineinführt. Angegliedert der große Abenteuerpark, der an Spaß und Spannung keine Wünsche offen lässt.
Und anschließend hinauf auf den Gasometer. Das ist Pflicht. Von dort oben kann man bei gutem Wetter weit den Kanal entlang schauen. Eine grandiose Aussicht. Früher war der Gasbehälter einmal der größte in Europa, und heute ist er Ausstellungshalle mit Superlativ (die höchste europaweit). Danach wird es vornehm. Schloss Oberhausen mit dem Kaisergarten. Ein totaler Kontrast. Ein Fest für die Sinne ist dort die sehenswerte Ludwig Galerie. Im anliegenden Kaisergarten heißt es Lustwandeln unter alten Bäumen, mit Teich, kleinem Tierpark und vielen Spiel- und Sportmöglichkeiten. Und zur Neuen Mitte Oberhausen gehört natürlich das CentrO, eines der größten Shoppingzentren Europas. Dass man sich entlang des Kanals auch immer wieder gastronomischen Genüssen hingeben kann, versteht sich im Revier ja von selbst. Da ist von Currywurst und lecker Pilsken bis zur gehobenen Küche alles möglich.
Am Schluss der Duisburger Hafen. Gewaltig! In seiner Gesamtheit mit allen privaten und öffentlichen Hafenanlagen der größte Binnenhafen der Welt. Dort kumuliert immer noch die ganze industrielle Bedeutung des Ruhrgebiets. Jeder aus dem Pott muss hier einmal gewesen sein, wo auch Rhein und Ruhr sich vereinen. Wie ein Tor zur großen, weiten Welt.