Abitur in NRW Schulministerin nach Abi-Panne im Visier

Abitur in NRW läuft störungsfrei an : Doch neue Aufgaben für Freitag
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Nach dem verschobenen Abitur-Start in Nordrhein-Westfalen vermutet das Schulministerium Systemfehler bei seinem langjährigen IT-Dienstleister. In einer Sondersitzung des Schulausschusses räumte Ministerin Dorothee Feller (CDU) am Freitag aber auch eigene Defizite bei der Kommunikation des kurzfristig um zwei Tage verschobenen Prüfungsstarts ein.

Die guten Nachrichten: Inzwischen läuft laut Schulministerium alles so rund bei den Abiturklausuren wie in den Vorjahren - mit den üblichen kleineren Nachsteuerungen, wie auch der Philologenverband der Deutschen Presse-Agentur bestätigte. Zwei „Auffang-Lösungen“ des Schulministeriums sollen ein ähnliches Debakel künftig verhindern. Die Oppositionsfraktionen warfen der Ministerin Kommunikations- und Verwaltungsversagen vor und nahmen Feller mit kritischen Fragen in die Zange. Im Folgenden die wesentlichen Ergebnisse der Sitzung.

Pannen-Ursache wohl auf ein Update zurückzuführen

Pannen-Ursache: Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist der Technik-Infarkt am vergangenen Dienstag laut vorläufiger Analyse des Ministeriums auf ein Update zurückzuführen, das der Arnsberger IT-Dienstleister im Mai 2022 an seinem Download-Server vorgenommen hatte. Die neuen Einstellungen hätten dazu geführt, dass das System eine hohe Anzahl gleichzeitiger Zugriffe auf die Zentralabitur-Aufgaben nicht mehr habe bewältigen können, sagte Feller. Die „nicht optimale Dimensionierung des Systems“ habe in Kombination mit der Einführung der Zwei-Faktoren-Authentifizierung zwecks höherer Datensicherheit zu den Ausfällen geführt. Nur ein Drittel der rund 900 Schulen hatte die eigentlich für den Abi-Start am Mittwoch vorgesehenen Aufgaben am Dienstag herunterladen können.

Frühstart für Plan B: Auch ein „Plan B“, die Klausur-Aufgaben mit einem Passwort vom Server des Schulministeriums herunterladen zu lassen, scheiterte. Als das Upload auf dem Server des Bildungsportals fast abgeschlossen gewesen sei, sei leider schon eine Mail mit dem Zugangslink verschickt worden, bedauerte Feller. So hätten dann zahlreiche Schulen schon parallel mit dem Herunterladen begonnen. Das habe der Server des Ministeriums nicht verkraftet. Den Namen des Absenders verriet die Ministerin nicht: „Das sage ich Ihnen nicht. Da muss ich meine Mitarbeiter schützen - auch, wenn sie Fehler machen.“

Plan C und D: „Ein solcher Vorgang darf sich in Zukunft nicht noch einmal wiederholen“, betonte Feller. Deshalb habe ihr Haus inzwischen zwei einsatzbereite „Auffang-Lösungen“ zur Verteilung der Prüfungsaufgaben vorbereitet. „Wir haben jetzt einen Plan C und D.“> Beide Optionen seien technisch sowohl unabhängig voneinander als auch unabhängig vom Arnsberger IT-Dienstleister.

Status Quo: Nach der Deaktivierung der Zwei-Faktor-Authentifizierung hat nach Angaben des Schulministeriums seit Mittwoch beim Herunterladen der Prüfungsaufgaben für die Klausuren alles geklappt. Die vom vergangenen Mittwoch auf diesen Freitag verschobenen Abiturklausuren in den Fächern Biologie, Chemie, Ernährungslehre, Informatik, Physik und Technik seien gut gestartet.

Neue Aufgaben für verschobene Prüfungen

Fehler: In einigen Fächern seien im Vorfeld noch kleinere Fehler entdeckt und Aufgaben ausgetauscht worden, berichtete Schulstaatssekretär Urban Mauer. Das habe die Abiturienten aber nicht beeinträchtigt. „Die Austauschseiten standen rechtzeitig zur Verfügung.“ Auch die Landesvorsitzende des Philologenverbands, Sabine Mistler, berichtete der dpa von kleineren Nachsteuerungen. „Wir sind im Normalmodus angekommen.“

Ausblick: Für die nächsten regulären Prüfungen am Montag sehe alles sehr gut aus, sagte der Ministerialbeamte Dirk Schnelle. Ziel sei es nun, alle Abiturprüfungen bis zum 22. Mai störungsfrei und sicher durchzuführen, betonte Feller. „Ab jetzt muss es beim Abi reibungslos laufen!“, forderte die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft.

Zuckerfest: Der Ausweichtermin auf diesen - ursprünglich klausurfrei geplanten - Freitag rief vor allem bei SPD und FDP viel Kritik hervor. Muslimische Abiturienten mussten nun an einem ihrer höchsten Feiertage, dem Zuckerfest, ihre Abi-Klausur schreiben. Zwar könnten sie am 9. Mai nachschreiben, hätten dann aber drei weitere Wochen psychischen Druck, stellte FDP-Schulexpertin Franziska Müller-Rech fest. Die schulpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, Claudia Schlottmann, hielt dagegen: „Der erste Tag des Zuckerfestes ist in anderen Bundesländern ein ganz regulärer Prüfungstag.“

Zeitplan: Feller erklärte, der Freitag sei der beste Ausweichtermin gewesen. Bei einer Verlegung in die kommende Woche hätten die Abiturienten bis zu drei Klausuren schreiben müssen, wandte sie ein. Problematisch wäre zudem die Nähe zu Nachschreibeterminen und zum frühen Sommerferienbeginn geworden. So sehen es auch die Grünen. Dass Nachschreibe-Klausuren schwerer seien, sei ein Gerücht, versicherte Schnelle. Die Aufgaben seien gleichwertig.

SPD macht Feller Vorwürfe - Feller hat vergessen, dass sie Ministerin ist

Krisen-Kommunikation: Die SPD warf Feller vor, das Abi-Chaos nicht politisch gemanagt, sondern bloß bürokratisch verwaltet zu haben. Stundenlang habe sie Abiturienten, Lehrer, Eltern, die Schulpolitiker im Landtag und die Medien bis in den Abend hinein im Unklaren gelassen, kritisierte SPD-Vizefraktionschef Jochen Ott.

Verwaltungslogik: „Sie sind nicht mehr Regierungspräsidentin“, erinnerte Ott die Schulministerin. „Sie argumentieren aus der Binnenlogik einer Verwaltungschefin.“ Feller hatte zuvor erklärt, sie habe bewusst darauf verzichtet, Zwischenstände zu kommunizieren, weil sie an eine Lösung geglaubt habe. Abgetaucht sei sie nicht.

Feller räumte aber ein, dass sie künftig anders kommunizieren würde. „Ich weiß, dass ich Ministerin bin und keine Regierungspräsidentin.“ Vorwürfe, sie habe keine Empathie oder ihr Entschuldigungsvideo zum Abi-Chaos sei gekünstelt, wies sie zurück. „Das stimmt nicht. Ich bedaure das und entschuldige mich“, bekräftigte die 56-jährige studierte Verwaltungsjuristin. Dabei habe es „keinen Einfluss der Staatskanzlei auf unser Haus gegeben“.

Das Parlament: Für Empörung bei der Opposition sorgte eine Äußerung von Schulstaatssekretär Mauer, der im Ausschuss unterstrich: „Wir sind nicht gekommen, um uns zu rechtfertigen.“ Das Schulministerium wolle seine Motive erklären, „warum wir im Verwaltungshandeln so gehandelt haben wie wir es gemacht haben“. Ott hielt dem Regierungsbeamten vor: „Sie haben sich zu rechtfertigen vor dem Volk.“ Der aus Sicht der SPD emotionslose Umgang mit dem Abitur-Chaos sei „ein Problem, weil die Leute das Gefühl haben, dass Sie nicht wahrnehmen, was sich abgespielt hat.“

Gerüchte: Feller und ihre Regierungsbeamten nutzten die Gelegenheit, mehrere Gerüchte abzuräumen. Erstens: Sicherheitsprobleme mit dem Download-Server habe es nicht gegeben. Zu angeblich gehackten Servern und Aufgaben sagte Ministeriumsexperte Christoph Gusovius: „Alles, was im Internet kursiert, sind Fälschungen.“ Zweitens: Das Versenden der Prüfungsdateien sei zwar durch ein Video für die Chemie-Prüfung „deutlich größer geworden“. Bei einem Test mit 241 Schulen sei das im vergangenen Dezember aber problemlos durchgelaufen. Drittens: Für das Fach Erdkunde seien keine unlesbaren Diagramme verschickt worden. Das Schulministerium habe auch Karten mit größerer Auflösung geliefert. „Allen standen zum Prüfungstag die Unterlagen problemfrei zur Verfügung“, versicherte Referatsleiterin Isabelle Defort.

dpa

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