Experten lehnen sie ab, doch Elterntaxis laufen und laufen und laufen wie einst der VW Käfer. Eine Alternative ist der Walking Bus. An der Elisabethschule funktioniert er. Aber nicht ganz.
Heinrichstraße in Brambauer, Höhe Friedhof: An diesem dunklen Morgen Mitte Dezember treffen sich neun Schüler der Elisabethschule und drei Mütter. Hier ist die Haltestelle für den Walking Bus. So steht es auch auf dem Schild am Friedhofszaun. Ein Bus, der nicht fährt, sondern geht. Um 7.35 Uhr setzt sich die kleine Karawane mit ihren gelben, reflektierenden Westen in Bewegung, etwa zehn Minuten später biegt sie auf den Schulhof ein.
Vor der Schule fahren Elterntaxis vor. Und wenden. Das Schulgebäude liegt in einer Sackgasse, das macht die Sache heikel. „Ich wundere mich, dass hier noch nichts passiert ist“, sagt Kirsten Burow. Seit fünf Jahren, als ihr Sohn zur Schule kam und der Walking Bus startete, gehört sie zu den Müttern, die den gehenden Bus begleiten. Mittlerweile besucht ihr zweites Kind die Schule. „Ich wollte einfach nicht ständig mit dem Auto fahren“, so Kirsten Burow. Nicht alle Eltern der Kinder im Walking Bus verzichten auf das Auto. Einige setzen ihre Kinder am Friedhof ab. Dort gibt es genug Parkplätze. „Ich kann von hier aus direkt weiter zur Arbeit fahren“, berichtet ein Vater.
„Super und sicher“
„Ich finde den Walking Bus super und sicher“, erzählt Bianca Rattay. Auch sie gehört zum Team der Begleit-Mütter. Doch das ist in diesem Schuljahr nicht so groß, wie es sein müsste, um die zwei Walking Bus-Linien zu bedienen, die es normalerweise gibt. So bleibt es bei nur einer Linie.
Schulleiterin Birgitta Berkholz steht hinter dem Walking Bus, hält ihn für „ein Wahnsinnsaushängeschild“ ihrer Schule. Eigentlich. „Wir haben uns versprochen, dass die Verkehrsflut an der Schule verringert wird.“ Und, hat sich die Hoffnung erfüllt? „Jein“, meint die Schulleiterin. Unter den Eltern gebe es zwei Lager. Einige fänden den Walking Bus toll, andere fänden es „fast schon unverschämt“, dass sie ihre Kinder besser nicht mit dem Auto zur Schule bringen sollen. Auch Simone Erpelding, eine der Walking Bus-Mütter, nimmt den Konflikt wahr: „Manchmal kriegt man pampige Antworten.“
Eltern wollen selbst entscheiden
Viele Eltern sehen es als ihr gutes Recht an zu entscheiden, ob sie ihre Kinder mit dem Auto bringen. „Mir hat niemand zu sagen ob ich mein Kind zur Schule bringe oder nicht, vor allem nicht in dieser Gesellschaft wo Vergewaltigungen, Entführungen etc. schon fast Alltag ist.“, schreibt ein Vater auf unserer Facebook-Seite. Eine Mutter postet: „Also ich werde mein Kind zum Kindergarten und zur Schule bringen ... Bei dieser kranken Welt muss man einfach richtig gut aufpassen.“
Ob Wissenschaftler, Polizei oder Verkehrswacht: Die Experten sehen Elterntaxis kritisch. Die Polizei Dortmund, auch für Lünen zuständig, hat dazu ein Merkblatt herausgegeben. Die Technische Universität Dortmund hat kürzlich am Beispiel von sieben Lüner Grundschulen erstmals erhoben, wie die Kinder zur Schule gelangen. Ergebnis: 31,7 Prozent werden mit dem Auto gebracht.
An der katholischen Leoschule, war der Anteil mit über 40 Prozent am höchsten. Leiter Matthias Flechtner fordert eine differenzierte Betrachtung. Zum einen hätten seine Schüler den längsten Weg aller sieben untersuchten Schulen. Außerdem ändere sich das Elternverhalten: „Durch immer wiederkehrende Erinnerungen in den Elternbriefen der Schulleitung und durch das positive Vorbild vieler anderer Eltern hat es sich an der Leoschule immer mehr durchgesetzt, dass die Kinder nicht bis in die Hubertusstraße gebracht werden, die - als Sackgasse - für einen Hol- und Bringverkehr ohnehin vollkommen ungeeignet ist. Die Kinder steigen immer häufiger nicht direkt vor der Schule aus dem Auto der Eltern aus, sondern am Lindenplatz oder dem benachbarten Victoria-Karree.“ Von dort gingen sie einen kurzen Weg zu Fuß. Das sei aus Sicht der Schule „ein guter Kompromiss.“
„Das grundsätzliche Problem bleibt“
Laut Bernhard Egermann, Leiter der Schule am Lüserbach mit Standorten in Horstmar und Niederaden, hat sich die Situation vor den Schulgebäuden durch Einführung eines absolute Halteverbotes „etwas entspannt“. Doch das grundsätzliche Problem bleibe: „An der Mentalität und der Menge der mit dem Auto gebrachten Kinder hat sich nicht viel geändert - im Gegenteil: Durch die Tatsache, dass immer mehr Kinder aus anderen Stadtteilen - und teilweise aus Dortmund und Bergkamen - unsere Schule besuchen, werden auch immer mehr Kinder gebracht. Zudem verfestigt sich zunehmend die Einstellung, der Schulweg sei zu gefährlich, um ihn zu Fuß zu bewältigen. Dass statistisch betrachtet das Gegenteil der Fall ist, wird von vielen nicht wahrgenommen.“
Die Overbergschule versucht am Standort Lünen-Süd, den Verkehr im Sinne von mehr Sicherheit zu ordnen - mit Einführung einer „Kiss & Go“-Zone. Schulleiterin Silke Schnelle zu den Erfahrungen: „Wir hätten uns eine größere Verbesserung gewünscht, was aber auch an der begrenzten Zahl der Kiss & Go-Plätze liegt, Es ist morgens immer noch ein kleines Drama. Zwischendurch waren Polizei und Ordnungsamt da, dann sind alle völlig gesittet.“ Der Versuch, einen Walking Bus wie in Brambauer einzurichten, sei schon vor Jahren gescheitert.
Thema beschäftigt die Stadt
Bei der Stadt Lünen heißt es, das Thema „Verkehr und Parken an Schulen“ beschäftige die Verwaltung immer wieder, auch in Kooperation mit der Polizei. So seien an einigen Grundschulen Beschilderungen geändert oder ergänzt worden, um Eltern die Möglichkeit zu geben, ihre Kinder gefahrlos abzusetzen. Stadtsprecher Benedikt Spangardt nennt Overbergschule, Lüserbachschule und Kardinal-von-Galen Schule als Beispiele. Aber: „Hier müssen wir leider sagen: Oft werden diese Angebote dadurch konterkariert, dass Eltern dort parken, ihre Kinder noch bis in die Klasse begleiten und somit den Verkehrsfluss unterbrechen.“
- Die AOK unterstützt seit 2005 in Kooperation mit der Universität Paderborn das Projekt Walking Bus.
- Für die Krankenkasse ist es ein Präventionsprojekt, das dem Bewegungsmangel bei Kindern entgegenwirken soll.
- Der Walking Bus der Elisabethschule ist laut Pressestelle der AOK Nordwest das derzeit einzige Projekt dieser Art in der hiesigen Region.
Berichtet aus Lünen über Lünen für Lünen. Jahrgang 1958, Urgestein bei Lensing Media, seit über 40 Jahren im Geschäft. Vieles hat sich in dieser Zeit verändert, eines nie: Die Leidenschaft für Lokaljournalismus.
