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Stammzellen-Spenderin rettet dreifachen Mutter aus Lünen das Leben
Diagnose Blutkrebs
Es ist eine Geschichte, die Mut macht und anrührt. Eine junge Frau hat einer dreifachen Mutter aus Lünen das Leben gerettet. Weil sie sich als Stammzellen-Spenderin registrieren ließ.
Es ist ein ganz besonderes Geschenk, dass die junge Mutter Edvina aus Aldingen in Baden-Württemberg der dreifachen Mutter Ümmü aus Lünen machte. Sie spendete der heute 46-Jährigen Stammzellen und rettete ihr damit das Leben.
Zwei Jahre nach der Stammzellspende endet auch die zweijährige Anonymitätsfrist zwischen Spenderin und Empfängerin. In dieser Zeit konnten die beiden sich zwar schon über Briefe und Mails kennenlernen, aber nun stand auch einem persönlichen Treffen nichts mehr im Wege.
Freundinnen geworden
Mittlerweile haben sich die beiden Frauen schon zwei Mal getroffen, einmal in Lünen und einmal in Aldingen. Aus Stammzellenspenderin und -empfängerin sind mittlerweile Freundinnen geworden, die wohl ihr Leben lang über ein ganz besonderes Band verbunden bleiben werden.
Alles begann 2018, kurz nachdem die Fastenzeit Ramadan vorbei war. Ümmü fühlte sich schwach und abgeschlagen, führte das aber auf die Nachwirkungen der Fastenzeit zurück. Kurz vor dem geplanten Urlaub in ihrer Heimat Türkei ging sie dann doch zum Hausarzt. Dort kam zum ersten Mal der Verdacht auf, dass die dreifache Mutter an Leukämie erkrankt sein könnte.
Nach der Blutuntersuchung im Krankenhaus dann die schreckliche Diagnose: Ümmü leidet an akuter myeloischer Leukämie. „Zuerst konnte ich das gar nicht so richtig realisieren – das war ein richtiger Schock für mich,“ erinnert sich Ümmü. Denn die Krankheit ist sehr aggressiv und gefährlich.

Ümmü (l.) aus Lünen besuchte Knochenmarkspenderin Edvina (r.) und deren Familie in Aldingen. © DKMS
Deshalb musste alles ganz schnell gehen. An ihrem 43. Geburtstag beginnt ihre erste Chemotherapie im Krankenhaus in Münster. „Das war eine schwierige Zeit, aber meine Familie hat mir da durchgeholfen“, sagt die dreifache Mutter. Auch die Mitarbeiter im Krankenhaus seien sehr fürsorglich gewesen und hätten sie „toll aufgefangen.“
Trügerische Hoffnung
Nach drei Monaten Chemotherapie folgten drei beschwerdefreie Monate. Ümmü und ihre Familie hofften schon, dass alles überstanden war. Doch die Hoffnung war leider trügerisch, denn bei einer Routineuntersuchung stellten die Ärzte fest, dass der Blutkrebs zurückgekehrt war. Nun konnte Ümmü nur noch eine Stammzellenspende helfen. Das traf die ganze Familie hart. Aber die Mediziner machten Ümmü immer wieder Mut: „Die haben immer wieder gesagt: Sie sind noch jung und fit, sie packen das.“
Zwei Jahre vorher hatte sich die junge Edvina aus Aldingen, einem Ort zwischen Rottweil und Tuttlingen, als Stammzellen-Spenderin testen und registrieren lassen. „Registriert hatte ich mich bei der DKMS 2016, als ich erfahren habe, dass im Umfeld ein kleines Mädchen dringend auf eine Stammzellspende angewiesen war. Das hat mich damals als frischgebackene Mutter sehr berührt“, erzählt die heute 35-Jährige.
2019 startete sie dann in ihrer Firma eine eigene Registrierungsaktion für die Deutsche Knochenmark-Spenderkartei (DKMS) und erfuhr, dass sie Stammzellen spenden durfte. Das war für Edvina eine große Überraschung, doch dann ging sie ohne Zögern und neugierig das Abenteuer Stammzellenspende ein. Die folgende Spende lief, so die DKMS, reibungslos und Ümmüs Körper nahm Edvinas Stammzellen ohne große Komplikationen an.
Jeden Tag an Spenderin gedacht
Für Ümmü ist Edvina seitdem ihre Retterin. „Ich war froh, dass jemand da war, der mir Stammzellen gespendet hat. Als es mir allmählich nach der Spende besser ging, habe ich jeden Tag an die Person gedacht, die mir dieses Geschenk gemacht hat. Jemanden gehabt zu haben, der bereit war, einem zu helfen – das ist einfach wunderbar.“ Zunächst wussten beide Frauen nicht, wer Spenderin und Empfängerin waren. Zwei Jahre nach der erfolgreichen Stammzellen-Spende wurde das Geheimnis gelüftet.
Mittlerweile haben sie sich schon zwei Mal getroffen - in Lünen und in Aldingen. „Es waren emotionale und sehr schöne Tage, bei denen wir beide viel miteinander gesprochen haben“, erinnert sich Edvina. Auch die beiden Familien waren bei den Treffen dabei.
Dass Edvinas Stammzellspende ihr eine zweite Lebenschance ermöglicht hat, ist für Ümmü ein großes Geschenk. Damit noch mehr Menschen sich als potenzielle Stammzellspender registrieren lassen, richtet sie einen Aufruf insbesondere an Mitmenschen muslimischen Glaubens: „Viele strenggläubige Muslime meinen, dass eine Stammzellspende nicht mit den Grundsätzen unserer Religion vereinbar wäre“, erklärt sie. Diese Angst sei ihr schon öfter begegnet. „Aber das ist überhaupt kein Problem. Stammzellen zu spenden ist mit dem Koran vollkommen vereinbar.“
Und auch als Stammzellempfänger oder -empfängerin muslimischen Glaubens müsse man sich keine Sorgen machen – „haram“, also für gläubige Muslime verboten, sei der Empfang einer Stammzellspende nicht, da es um eine lebensrettende Maßnahme gehe.
Appell, sich registrieren zu lassen
„Der Koran kennt ja beispielsweise auch während des Ramadan Ausnahmen, die es Kindern und Schwangeren erlauben, trotz der Fastenzeit ausreichend zu essen und zu trinken“, erklärt die türkischstämmige Muslimin. „Ich möchte daher alle bitten: Lasst euch registrieren und ermöglicht damit Menschen, die an Blutkrebs erkrankt sind, eine zweite Lebenschance.“
Beate Rottgardt, 1963 in Frankfurt am Main geboren, ist seit 1972 Lünerin. Nach dem Volontariat wurde sie 1987 Redakteurin in Lünen. Schule, Senioren, Kultur sind die Themen, die ihr am Herzen liegen. Genauso wie Begegnungen mit Menschen.
