
© Alexander Heine
Schweigen gebrochen: Grüne über Intrigen, Mobbing und die Abrechnungsaffäre
Kreistag
Lange haben sie geschwiegen, jetzt äußern sich Teile der Kreistagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen zur Abrechnungsaffäre. Verbunden mit einer Warnung an alle anderen Kreistagsmitglieder.
Die Gräben zwischen Partei und Fraktion sind tief. Nach der Parteispitze äußern sich nun Teile der Kreistagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen. Daniela und Dr. Gerrit Heil sehen sich und ihre Co-Fraktionsvorsitzenden Timon Lütschen und Marion Küpper als Bauernopfer. Von Intrigen, Mobbing und Machtspielchen: Die Heils gehen mit der Parteiführung und insbesondere mit der Kreistagsfraktion um Herbert Goldmann hart ins Gericht.
Die Grünen im Kreis Unna blicken auf ein bewegtes Jahr zurück. Nach der erfolgreichen Kommunalwahl im September 2020, die der Partei immerhin sechs zusätzliche Sitze im Kreistag einbrachte, folgte ein ums andere Dilemma: Angefangen von der Spaltung im Kreistag über die Austrittsaffäre von Ex-Parteichef und Landtagskandidat Dr. Gerrit Heil bis hin zur Abrechnungsaffäre mit Timon Lütschen und Maron Küpper als Hauptfiguren.
Während die Kreistagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen bislang beharrlich geschwiegen hat, wurde die Parteispitze im Interview mit dieser Redaktion umso deutlicher: Regina Ranft und Maximilian Ziel stellten der Viererfraktion ein Ultimatum, entzogen Dr. Gerrit Heil aber schonmal Glaubwürdigkeit und Vertrauen – und stellten überdies die generelle Zusammenarbeit mit der Fraktion in Frage. Aussagen, die die Heils entsetzen. Und deshalb brechen sie ihr Schweigen.
Viel Aufwand nach der Spaltung der Grünen
„Wir haben viele Fraktionsstunden und das muss weniger werden“, räumt Dr. Gerrit Heil ein. Allerdings gehöre zur Wahrheit auch: „Wir haben im November und Dezember 2020 deutlich mehr Stunden als die anderen Fraktionen gehabt. Aber in diesem Jahr war das völlig im Rahmen.“ Heil begründet das mit schwierigen Anfängen auch infolge der Spaltung in zwei Fraktionen. „Wir wollten in einer großen Fraktion grüne Politik machen“, sagt auch Daniela Heil. „Wir sind da in eine Arbeit gezwungen worden, die wir so eigentlich nicht wollten.“ Mit entsprechend viel Aufwand seien die ersten Wochen verbunden gewesen.

Dr. Gerrit Heil (Bündnis 90/Die Grünen) will Kreistagsmitglied und Landtagskandidat im Nordkreis bleiben. © Marcel Drawe
Dass die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen mit Abstand am häufigsten vormittags und mittags tage, liege an ihrer beruflichen Situation, so Heil. Schichtdienst und nebenbei ein Bachelorstudium: „Wir müssen in so einer Fraktion doch versuchen, alle an einen Tisch zu bekommen. Und das bedeutet dann eben auch, dass man auf die Rücksicht nimmt, die am unflexibelsten sind – und das war nun mal ich.“
Argumente, die laut Daniela und Gerrit Heil auch der Parteispitze vorliegen – zusammen mit einer Aufschlüsselung aller Einnahmen in Verbindung mit den Kreistagsmandaten der Viererfraktion. „Wir haben das der Partei alles zur Verfügung gestellt. Da kann ich nicht nachvollziehen, warum uns mangelnde Transparenz und Mitarbeit vorgeworfen wird“, so Heil. Noch deutlicher wird seine Ehefrau: „Zur Spaltung hat der Kreisvorstand gar nichts gesagt, jetzt richtet er sich plötzlich gegen uns. Die tun das, um das Problem zu lösen“, so Daniela Heil. „Das nennt man Bauernopfer.“
Die Erwartung an den Kreisvorstand sei, sich an die Faktenlage zu halten. Dr. Gerrit Heil bezieht sich insbesondere auf eine Einlassung von Landrat Mario Löhr (SPD) im Rahmen der jüngsten Kreistagssitzung: „Auch der Landrat hat festgestellt, dass das alles rechtens und demokratisch ist. Er gibt das an die Obere Kommunalaufsicht, um seine Auffassung bestätigen zu lassen – und nicht, weil es einen Verdachtsfall gibt.“ Stand jetzt gebe es keinerlei Hinweise darauf, dass die Abrechnung der Verdienstausfälle von Timon Lütschen und Marion Küpper nicht in Ordnung gewesen sei. „Und deshalb erwarte ich von einem Kreisvorstand, sich hinter seine Leute zu stellen. Gerade jetzt, wenn uns der Wind ins Gesicht bläst, müssen wir uns zusammenraufen und zusammenstehen.“
Zusammen – das klingt mit Blick auf die Situation im Kreisverband von Bündnis 90/Die Grünen wie ein Fremdwort. Schon die Spaltung in zwei Fraktionen interpretieren Partei und Fraktion unterschiedlich. Für die einen war es ein missglückter Genrationswechsel, für die anderen „Mobbing in feinster Art“, wie Daniela Heil sagt. Immerhin sei das Quartett um die späteren Co-Fraktionsvorsitzenden Timon Lütschen und Marion Küpper zur Konstituierung der größeren Fraktion nicht mal eingeladen worden.
Spaltung Folge eines Machtkampfs um Aufsichtsräte?
Daniela Heil führt das auf ein erstes Treffen aller 14 Kreistagsmitglieder von Bündnis 90/Die Grünen zurück, als den Neuen demnach zwar Kreistag und Ausschüsse vorgestellt worden seien, nicht aber Gremien wie die Aufsichtsräte, wie Daniela Heil nun sagt. „Es gibt keinen Grund, den Neuen die Aufsichtsräte nicht zu präsentieren – außer, um sich sein eigenes goldenes Säckel zu sichern“, kritisiert sie – und fragt sich: „Wie kann man dann jetzt mit dem Finger auf Timon Lütschen und Marion Küpper zeigen?“
Daniela Heil selbst ist bekanntlich aus der Partei ausgetreten – und zwar in Folge der gescheiterten Listenkandidatur ihres Ehemannes für die Landtagswahl. „Ich habe das nicht gemacht, weil ich wie eine bockige, pubertierende 14-Jährige bin“, so Daniela Heil. „Das war eine Intrige – und ich weiß es.“ Ihrem Mann sei im Vorfeld der Veranstaltung ein Votum für Platz drei oder vier zugesagt worden. „Sich dann da hinzusetzen und ihn genüsslich vorzuführen – das ist einfach widerlich.“

Daniela Heil ist aus der Partei ausgetreten, hält aber an ihrem Kreistagsmandat fest. © Archiv
Dr. Gerrit Heil bestätigt, im Vorfeld entsprechende Netzwerkarbeit betrieben und auch darauf vertraut zu haben. „Ich habe das offensichtlich schlechter gemacht als andere. Aber ich frage mich: Warum wird mir nicht im Vorfeld klar gesagt, ich soll es lassen?“
Gerrit Heil will Kreistagsmitglied und Landtagskandidat bleiben
Heil bestätigt in dem Zusammenhang Berichte dieser Redaktion, die er zunächst dementiert hatte. Nach der gescheiterten Listenkandidatur hat er seinen Austritt aus der Partei erklärt, sich dann aber von Parteifreunden umstimmen lassen. „Es sind die grünen Ziele, die uns interessieren – und deshalb bleibe ich weiter dabei, für die grüne Sache.“ Deshalb will er der Aufforderung zum Rückzug von Co-Parteichefin Regina Ranft auch nicht nachkommen – nicht als Kreistagsmitglied und auch nicht als Direktkandidat der Ortsverbände Lünen, Werne und Selm. „Ich bin gewählt, dieser Verantwortung will ich mich stellen.“
Landtagswahl: Ortsverbände wollen Heil austauschen
Heil bestätigt allerdings auch, dass es zumindest in Werne und Selm Bestrebungen gibt, ihn als Direktkandidat für die Landtagswahl auszutauschen. „Stand jetzt bin ich Direktkandidat und ich würde es auch gerne bleiben – aber am Ende liegt die Entscheidung natürlich bei den Leuten vor Ort“, verweist Heil auf bevorstehende Gespräche am Jahresanfang.
Ob es im Lichte so tiefer Gräben überhaupt noch die Möglichkeit für einen Brückenschlag zwischen den gespaltenen Fraktionen im Kreistag gibt? „Das wird schwer, aber wir müssen uns zusammenraufen“, so Dr. Gerrit Heil. Die Viererfraktion jedenfalls habe mehrfach die Vereinigung angeboten – auch ohne jeden Führungsanspruch in einer gemeinsamen Großfraktion. Gesprächsangebote seien von der Fraktion um Herbert Goldmann nicht angenommen worden.
Das sei auch der Grund für den Rückzug vom Rückzug gewesen, so Heil: In einem Schreiben an alle Mitglieder hatte er im Oktober angekündigt, sein Kreistagsmandat niederlegen zu wollen – verbunden mit der Hoffnung, damit den Weg für die Wiedervereinigung frei zu machen. Weil es keine Reaktionen gegeben habe, habe er es nicht als notwendig erachtet, sein Kreistagsmandat niederzulegen.
„Stinkt gewaltig“: Warnung an alle Kreistagsmitglieder
Dann nehmen Daniela und Dr. Gerrit Heil die Berichte über die Abrechnungsaffäre noch zum Anlass für eine Mahnung an alle Couleurs. „Niemand im Kreistag hat das Recht, mit dem Finger auf Timon und Marion zu zeigen“, sagt Daniela Heil. Es klingt, als wolle sie der Kommunalpolitik insgesamt den Spiegel vorhalten. „Das stinkt gewaltig!“ Timon Lütschen und Marion Küpper selbst äußerten sich zunächst weiterhin nicht zu Berichten über die Abrechnungsaffäre.