Als Gefängnisarzt der Justizvollzugsanstalt Werl ging Joe Bausch Ende 2018 in Pension. Von Ruhestand kann aber keine Rede sein. Als Schauspieler und Autor ist der mittlerweile 70-Jährige aktiver denn je. Am 30. November kommt er zum Kinofest in die Lüner Cineworld und stellt sein neues Buch „Maxima Culpa“ vor. Warum die Lesungen für Frauen eine Art Existenzfürsorge darstellen und was die Besucherinnen und Besucher erwartet, verrät er im Interview.
Wie ist es denn so als Pensionär? Oder soll ich besser als Un-Ruheständler sagen?
Pension - was ist das? Ich würde sagen, dass ich jetzt nur noch zweieinhalb Jobs habe statt vorher dreieinhalb. Ich habe jetzt ein paar Tage lang mal nichts getan, bin nun aber wieder viel unterwegs. Das Schöne ist, dass ich nach den Terminen nicht mehr nachts zurück fahren muss oder sie nur für Wochenenden annehmen kann. Auch der Radius der Orte, an denen ich meine Bücher vorstelle, wird größer, eben weil ich nicht mehr am nächsten Morgen zur Sprechstunde in Werl sein muss. Ein bisschen vermisse ich die Medizin, aber da ich noch an Weiterbildungen und Vorträgen teilnehme, bin ich weiterhin auf dem neuesten Stand.
Wie war die erste Zeit nach so vielen Jahrzehnten als Gefängnisarzt in Werl?
Als ich Ende 2018 in den Ruhestand gegangen bin, war mein zweites Buch gerade fertig und ich dachte, ich gehe 2019/20 auf große Tour, aber dann ist mir wegen Corona die ganze Planung um die Ohren geflogen. Also habe ich mein drittes Buch geschrieben, bevor ich noch Spuren ins Parkett gelaufen wäre. Aber jetzt kann ich wieder auf Tour gehen und mache mit 70 das erste Mal langfristige Termine aus, weil viele Veranstalter schon mehr als zwei Jahre im Voraus planen. Das hätte ich mit 30 nicht getan. Und jetzt komme ich mit meinem dritten Buch auch wieder ins schöne Lünen. Bei einer Premiere habe ich Wolfram Kuschke, den früheren Staatsminister, getroffen und dabei auch erfahren, dass das Kinofest jetzt von einem neuen Team geleitet wird. Ich habe mich in den vergangenen Jahren immer gefreut, wenn ich eine Einladung zum Kinofest-Empfang bei der Berlinale bekommen habe. Jetzt freue ich mich auf den Abend Ende November.

Haben Sie noch Kontakt zu den früheren Kollegen des Theater Pathologischen Instituts (TPI), mit denen sie vor knapp 40 Jahren im Hilpert-Theater auf der Bühne standen?
Eigentlich kaum. Roland Reber ist ja gestorben, wie ich gehört habe. Jochen Nickel habe ich immer mal bei den Kinofest-Empfängen in Berlin getroffen. Wir sind unterschiedliche Wege gegangen. Viele der ehemaligen TPI-Leute haben heute ganz andere Berufe. Frank Hoelz macht Kleinkunst, wenn es bei mir zeitlich passte, habe ich die Vorstellungen besucht. Und Fee Sachse hat noch in Bochum als Souffleuse gearbeitet. Die Zeit mit dem TPI habe ich noch gut in Erinnerung. Im Dezember 1986 hatten wir Premiere. Manchmal bin ich heute noch im Restaurant „Bella Italia“ zu Gast, so wie damals. Jetzt freue ich mich, dass ich mit dem, was ich gerade mache, wieder zurück nach Lünen komme. Die letzte Lesung im Hansesaal war eine tolle Erfahrung.

Was erwartet die Gäste beim Auftritt in der Cineworld?
Es ist eine Art One-Man-Show, natürlich für mich anstrengender als mit mehreren Kollegen auf der Bühne zu stehen. Aber ich sage immer, wenn sie unsere Musik spielen, kommt das Zirkuspferd heraus. Ich schöpfe so viel Energie aus den Auftritten. Das Format ist sehr schön, manchmal auch als Talk gestaltet. Es ist keine Lesung im eigentlichen Sinne, es geht um True Crime, gibt aber auch Bonusmaterial, Sachen, die nicht ins Buch durften oder die mir zu spät eingefallen sind. Ich möchte ergründen, was den Menschen eigentlich böse macht, ob und wie wir die Bösen erreichen können. Dabei kommt auch die Frage zur Sprache, ob Frauen die besseren Menschen oder einfach nur cleverer sind. Und es wird klar, dass Männer offenbar mit schlechten Gefühlen schlechter zurecht kommen als Frauen. Bei aller Ernsthaftigkeit will ich aber auch das Publikum gut unterhalten und auch mal zum Lachen bringen. Und es gibt auch Infos zu mir, die die Menschen interessieren.
Sitzen mehr Frauen oder Männer im Publikum bei den Veranstaltungen?
Zu 75 Prozent kommen Frauen. Für sie ist es auch eine Art Existenzfürsorge. Denn in der Regel sind Frauen die Opfer von Gewaltverbrechen, die Zahlen sind echt ein Hammer. Frauen sollten gerade im Zeitalter von Online-Dating-Plattformen schnell herausfinden, mit wem sie es zu tun haben.

Welche Pläne haben Sie?
Es wird im nächsten Frühjahr ein neues Buch geben, mit dem Titel „Verrücktes Blut“. Manche Leute schreiben schon mit Mitte 20 ihre erste Biographie und dann gibt es alle fünf Jahre eine neue Variante. Das schaffe ich mit 70 nicht mehr. Aber das neue Buch, das ich mit einer Autorin zusammen schreibe, soll ein bisschen den Bogen schließen von den 1950er-Jahren und meiner Kindheit und Jugend im Westerwald bis heute. Das wollte ich schon, als ich vor zehn Jahren zum Verlag kam. Ich war der Erste in meiner Familie mit einer akademischen Laufbahn und mein Vater dachte damals, die Schauspielerei, das hat was mit der Augsburger Puppenkiste zu tun. Momentan sind wir bei Seite 130, 200 sollen es auf jeden Fall werden.
Und wie geht es mit dem Kölner Tatort weiter?
Ich habe gerade wieder für einen Tatort gedreht. Und die Kollegen Behrendt und Bär haben noch mal ein paar Jahre verlängert. Solange sie mich haben wollen, mache auch ich als Gerichtsmediziner weiter.
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