Pflege in Lünen

Nach Pflegeskandal in Lünen: „Methoden des Kreises sind fragwürdig“

Im Zuge eines Betrugsverdachts verlegte der Kreis Unna Patienten einer Lüner Pflegeeinrichtung kurzfristig. Hans-Ulrich Strunk erinnert die Vorgehensweise an einen ähnlichen Fall vor vier Jahren.

Lünen, Gahmen

, 08.09.2022 / Lesedauer: 3 min

Der Aufschrei Mitte Juli war groß, als bekannt wurde, dass der Geschäftsführer des Pflegedienstes Intensivpflege Lünen wegen U-Haft im Gefängnis sitzt. Der Vorwurf ist umfangreich, denn es geht um 54 Fälle von gewerbsmäßigem Betrug in Tateinheit mit Urkundenfälschung. Zudem soll nicht ausreichend geschultes Personal eingesetzt worden sein und Gehaltszahlungen ausgeblieben sein.

In der Folge ordnete der Kreis Unna, der die Aufsicht über die stationären Einrichtungen hat, die Verlegung der Patientinnen und Patienten der sogenannten „Beatmungs-WG“ an.

Der Kreis Unna ordnete die Verlegung von Patienten von Beatmungs-Wohngemeinschaften in Lünen und Bönen an. Der Heimaufsicht lagen Hinweise vor, wonach keine ausreichende Zahl an Pflegekräften in den WGs zugegen war. © Pinger Sabine

Alles ging sehr schnell. Binnen eines Tages wurde der Transport organisiert und abgewickelt. In einer aufwändigen Aktion mit Notärzten, komplexen Transportern und spezieller medizinischer Ausstattung hatte man die Menschen an mehrere Standorte verteilt.

Geschäftsführerin zum Zeitpunkt der Kontrolle im Urlaub

Als der Lüner Hans-Ulrich Strunk von den Abläufen liest, kommt ihm das Vorgehen sehr bekannt vor. Ähnlich wickelte der Kreis Unna vor etwas mehr als vier Jahren auch den Pflegedienst „MediAir“ im Ortsteil Gahmen ab. Die Einrichtung, in der ebenfalls eine Beatmungs-WG betreut wurde, hatte ihren Sitz in einer Immobilie in der Gahmener Straße, die Strunk gehört.

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Noch heute kann er sich an die Ereignisse gut erinnern. „An einem Mittwochmorgen kam die Heimaufsicht und verlangte Einblicke in die Geschäftsbücher. Außerdem kontrollierte sie die Versorgung der Patienten“, erzählt Strunk.

Das Problem damals: Geschäftsführerin Bettina Kronsfoth war wegen eines Urlaubs nicht vor Ort. Die Pflegedienstleiterin bat deshalb um Verschiebung der unangekündigten Kontrolle. Doch die Heimaufsicht ist dieser Bitte nicht nachgekommen. Auch an den Tagen nach dem ersten Besuch hielten sich Mitarbeiter des Kreises Unna über viele Stunden in der Einrichtung auf.

Kreis Unna räumt Einrichtung in Lünen

„Das Pflegepersonal war mit den Nachfragen überfordert. Außerdem blieben viele Angestellte auch tagsüber dort, obwohl sie eigentlich eine Nachtschicht hatten. Daraufhin entstanden Schwierigkeiten in der Schichtübergabe“, berichtet Strunk. Der Höhepunkt geschah dann am 28. April 2018 (Samstag), als die Pflegedienstleiterin ihre Kündigung einreichte. Da die Geschäftsführerin erst am Montag darauf aus dem Urlaub zurückkehrte, ließ der Kreis Unna die Einrichtung räumen und verlegte die Patienten.

Die Geschäftsführerin hätte keine Möglichkeit mehr gehabt, sich gegen die Vorwürfe zu wehren, so Strunk. Er habe zudem den Eindruck gehabt, dass „die Nadel im Heuhaufen gesucht wurde“, sagt der Lüner und fügt an: „Die Methoden des Kreises sind fragwürdig. Mir haben mehrfach Angehörige von Patienten erzählt, dass sich die Menschen in der Einrichtung wohl fühlen.“

„Gewerbsmäßiger Betrug entsteht ja nicht einfach so“

Zurück zum aktuellen Fall aus der Lüner Innenstadt: Strunk kennt den Geschäftsführer des Pflegedienstes nicht und will ihn auch nicht in Schutz nehmen. Wenn die Vorwürfe stimmen, wolle er sie auf keinen Fall entkräften, das betont der Lüner mehrfach im Gespräch mit der Redaktion.

„Aber ich frage mich schon, wie es sein kann, dass ein Pflegedienst über Jahre keine Auffälligkeiten aufweist und dann plötzlich solche schweren Vorwürfe ans Licht kommen. Gewerbsmäßiger Betrug entsteht ja nicht einfach so. Wie haben da wohl die Kontrollen in den vergangenen Jahren ausgesehen?“

Genaueres wird vermutlich Anfang Oktober ans Licht kommen. Am 5. Oktober beginnt ein zivilrechtlicher Prozess gegen den Geschäftsführer der Intensivpflege Lünen am Landgericht Dortmund. Darin geht es um den Vorwurf der Körperverletzung, schwere Pflegefehler und Abrechnungsbetrug. Zudem fordert ein betroffener Patient 70.000 Euro Schmerzensgeld.

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