
Lünens Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns: „Auch auf der Ebene des Verwaltungsvorstands rächt es sich, wenn das Limit des Leistbaren nicht eingehalten werden kann.“ © Stadt Lünen (A)
Lünens Bürgermeister über „Erschöpfung“, „Stammtischparolen“ und „falsche Gerüchte“
Kleine-Frauns im Interview
Klare Positionen bezieht Lünens Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns im Gespräch mit unserer Redaktion unter anderem zu der umstrittenen Einführung einer vierten Beigeordnetenstelle.
Herr Bürgermeister, warum braucht Lünen eine vierte Beigeordnetenstelle?
Wir müssen auch in diesen Zeiten nach Wegen in die Zukunft unserer Stadt suchen. Das ist mehr als nur ein „Raus aus den Krisen“ oder das „Löschen von Bränden“. Dafür benötigen wir aber einen freien Kopf beziehungsweise die entsprechenden Ressourcen, um diese Perspektiven erarbeiten zu können. In allen Geschäftsbereichen der Stadtverwaltung haben insbesondere die zunehmenden Aufgabenübertragungen durch Bund und Land zu zusätzlichen Belastungen geführt. Zudem sind die einzelnen Aufgaben wesentlich komplexer geworden und können nur im Zusammenwirken mit anderen Geschäftsbereichen, für die die Beigeordneten als Wahlbeamte Verantwortung tragen, bewältigt werden. Die daraus resultierenden Belastungen haben vereinzelt zu Erschöpfung geführt. Eine Entlastung, wie sie von SPD und CDU beabsichtigt ist, wirkt dem entgegen. Mehr noch: Ich bin fest davon überzeugt, dass die weitere Beigeordnetenstelle dabei helfen wird.
Lünen drückt ein Schuldenberg von 380 Millionen Euro. Kann sich die Stadt die zusätzliche Stelle überhaupt leisten?
Die Frage müsste eigentlich lauten, ob wir es uns leisten können, darauf zu verzichten.
Kann die Stadt darauf verzichten?
Die Personalkosten für eine weitere Beigeordnetenposition liegen bei 165.000 Euro pro Jahr. Allein der unmittelbare Schaden, den wir in der Verwaltungsspitze in den hinter uns liegenden Krisenjahren durch personelle Inkonsistenzen hatten, hat mehr zu Buche geschlagen. Auch auf der Ebene des Verwaltungsvorstands rächt es sich, wenn das Limit des Leistbaren nicht eingehalten werden kann.
In anderen Bereichen der Verwaltung sind etliche Stellen nicht besetzt. Passt das zusammen?
Das passt gar nicht zusammen, weil das eine nichts mit dem anderen zu tun hat.
Das sehen Verwaltungsmitarbeiter aber ganz anders.
Anders als bei den übrigen Stellen in der Verwaltung werden Beigeordnete in einem gesonderten Verfahren vom Rat gewählt. Dass so viele Stellen auf den anderen Verwaltungsebenen nicht besetzt sind, hat vielerlei Ursachen.
Welche?
Neben der demografisch bedingten Fluktuation sind auch die Kommunalverwaltungen von dem Fachkräftemangel betroffen. Unbesetzte Stellen sind aber auch eine Folge von Abgängen zu anderen Verwaltungen und einer hohen Binnenfluktuation. Um daraus resultierende Neueinstellungen zu vermeiden, bin ich persönlich davon überzeugt, dass wir da, wo sich in den letzten Jahren Aufgabenveränderungen ergeben haben, die Vergütungen verbessern sollten.
Was sagen Sie zu dem Vorwurf des Personalrats, er sei in die Pläne nicht eingebunden worden?
Diesem Vorwurf liegt die Fehleinschätzung des Personalrats zugrunde, dass er bei Angelegenheiten, die der Rat entscheidet und die nicht die Arbeitsorganisation betreffen, einen Anspruch auf Mitsprache hat. Unabhängig davon halte auch ich es für richtig, den Personalrat zu informieren. Genau das haben SPD und CDU nach den mir vorliegenden Informationen aber auch getan. Die Vorstellung des Personalrats allerdings, der Politik in einer Personalversammlung eine kollektive Missbilligung ihrer Pläne auszusprechen, ist nicht schutzwürdig. Denn die Neuordnung der Geschäftsbereiche der Beigeordneten ist der Politik vorbehalten – und der Mitbestimmung durch den Personalrat entzogen. Der Vorwurf geht also ins Leere.

Ein Bild aus längst vergangenen Tagen: Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns (l.) und die Beigeordneten Bettina Brennenstuhl und Arnold Reeker (r.) verabschiedeten Horst Müller-Baß Anfang August in den Vorruhestand. Seit Oktober steht auch Bettina Brennenstuhl nicht mehr in Diensten der Stadt Lünen. © Stadt Lünen (A)
Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Chemie zwischen Ihnen als Verwaltungschef und den über 1000 Mitarbeitern mehrheitlich nicht stimmt. Was sagen Sie dazu und woran liegt das?
Ich würde es nicht als offenes Geheimnis, sondern als falsches Gerücht bezeichnen. Von Chemie zwischen zwei Elementen kann man nur dort sprechen, wo Verbindungen bestehen.
Und Sie haben keine Verbindung zu Ihren Mitarbeitern?
Unsere Organisation ist so aufgebaut, dass ich neben den Beigeordneten mit den Mitgliedern meines Stabes und den Leitungen der meinem Dezernat zugeordneten Organisationseinheiten direkt verbunden bin. Und bei diesen Mitarbeitenden jedenfalls stimmt die Chemie bis auf wenige Ausnahmen, die es aber in jedem Unternehmen und in jeder Organisation gibt.
In einem Kommentar war zu lesen, dass der „Fisch vom Kopf“ her stinkt. Ihre Meinung dazu?
Die Kommentare, die zur Einrichtung einer vierten Beigeordnetenstelle zu lesen waren, haben eine erschreckende Unwissenheit über das Bürgermeisteramt gezeigt.
Was meinen Sie damit?
Dass beispielsweise ein Bürgermeister vom Rat abgewählt werden könne, zeugt von einer schlechten Recherche. Vor diesem Hintergrund stellt sich schon die Frage, ob diese Stammtischparole ernst gemeint oder nur eine weitere Respektlosigkeit gegenüber dem Amt des Bürgermeisters war. Die Tendenz, den Bürgermeister in flapsigen Analysen für alles verantwortlich zu machen, wenn es nicht läuft, ist allgemein verbreitet. (Anm. d. Red.: Richtig ist: Der Rat kann den Bürgermeister nicht abwählen. Das kann nur die Bürgerschaft, die ihn auch direkt gewählt hat. Richtig ist aber auch: Um ein solches Abwahlverfahren einzuleiten, braucht es eines Mehrheitsbeschlusses des Stadtrates. Beides war Gegenstand der Berichterstattung.)
Kann es sein, dass Sie mit Kritik schlecht umgehen können?
Die Frage ist doch, ob angesichts der Komplexität der Situation und der nachweislichen Unkenntnis der Kommentierenden solche Analysen überhaupt irgendeinen Wert haben. Wenn man diese Aussage hingegen ernst meint, wäre es schön, wenn sie auf den gesamten Verwaltungsvorstand projiziert würden – und zwar auch dann, wenn Dinge gut laufen. Ansonsten entsteht nicht nur für mich der Eindruck, dass es hier nicht um eine sachliche Auseinandersetzung, sondern um reine Provokation und Diffamierung von Amt und Privatpersonen geht.
Sie sollen am liebsten alles selbst machen wollen, trauen Sie Ihren Mitarbeitern zu wenig zu?
Das Gegenteil ist der Fall. Als Bürgermeister steuere ich grundsätzlich über Zielvorgaben. Die Mitarbeitenden sind für das operative Geschäft zuständig. Natürlich interessiere ich mich für diese Arbeit, und dazu gehört, dass ich nachfrage.
Vielleicht zu viel?
Außerdem unterstütze ich, indem ich Mitarbeitende auch begleite, wo es gewünscht ist, und zwischen Verwaltungsverständnis und Bürgervorstellung vermittle. Nur wenn ich erkenne, dass Mitarbeitende die verabredeten Ziele nicht erreichen können, würde ich auch operativ tätig werden. Das ist allerdings nicht nötig, weil wir sehr kompetente Mitarbeitende haben, und entspricht nicht meinem Führungsstil.
In der jüngsten Ratssitzung sollen Sie in der Diskussion um die Einrichtung einer vierten Beigeordneten-Stelle gesagt haben, dass Lünen mehr Führung und der Verwaltungsvorstand mehr Kreativität brauche und Sie mit vielen Dingen zu tun haben.
Das habe ich so nicht gesagt. Ich habe gesagt, dass wir uns aktuell ausschließlich mit den Krisen beschäftigen können beziehungsweise müssen, ohne die Chance zu haben, an einer Perspektive für unsere Stadt zu arbeiten.
Nochmal - darf daraus geschlossen werden, dass Sie führungsschwach sind?
Die Situation, die wir aktuell haben, ist eine Folge der großen Herausforderungen, die zu einer Erschöpfung auf allen Verwaltungsebenen geführt hat. Das hat nichts mit Schwäche zu tun, sondern ist schlicht und ergreifend der Tatsache geschuldet, dass auch auf der Ebene des Verwaltungsvorstandes solche Folgen spürbar werden. Und trotzdem habe ich nach wie vor absolutes Vertrauen in alle Mitarbeitenden der Verwaltung, dass wir auch diese Krise meistern werden.
Nach Informationen unserer Redaktion stehen die Kandidaten für die drei vakanten Beigeordnetenstellen längst fest. Ist das der Grund für die kurze Ausschreibungsfrist von drei Wochen?
Da wissen Sie mehr als ich. Die Frist von drei Wochen beruht darauf, dass wir die Reihen schnell schließen wollen. Auf dieses Ziel arbeite ich hin. Das zeigt doch, dass Verwaltung entgegen den Unkenrufen einzelner Menschen nicht nur schnell sein kann, sondern auch schnell ist
Jahrgang 1968, in Dortmund geboren, Diplom-Ökonom. Seit 1997 für Lensing Media unterwegs. Er mag es, den Dingen auf den Grund zu gehen.
