
© picture alliance/dpa
Lünen will Luftfilter für Klassenräume nicht einmal geschenkt haben
Luftfilter
Es bleibt dabei: Mobile Luftfilteranlagen für Lüner Schulen wird es nicht geben - nicht einmal solche, die die hochverschuldete Stadt selbst gar nicht hätte bezahlen müssen.
90 Millionen Euro hatte die Landesregierung NRW für den Kauf von Luftfiltern für Klassenzimmer zur Verfügung gestellt. In Lünen wird davon kein Cent ankommen. Die Stadt hatte bei ihrem Förderantrag das Nachsehen - wie so viele andere Kommunen im Land auch. Bei der letzten Ratssitzung des Jahres am Donnerstag (16.12.) im gut belüfteten und beheizten Erlebnisreich-Campus versuchten Eltern und Politiker einen vorerst letzten Vorstoß, um trotzdem einige Klassen mit mobilen Luftfiltern auszustatten. Fast wäre er gelungen.
Zu strenge Förderrichtlinien des Landes bremsen Anträge
Die Förderkriterien des Landes - zuständig ist Ina Scharrenbachs (CDU) Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung - sind denkbar streng: Geld für mobile Anlagen gibt es nur, wenn die Fenster eines Klassenraums gar nicht oder bestenfalls auf Kipp geöffnet werden können - eher die Ausnahme. Das ließ erst gar keine Antragsflut aufkommen. Das Land wird den Großteil seiner Fördergelder wohl behalten. Nach Angaben der Landesregierung wurden bis zum 31. Oktober 2021 gerade einmal gut vier Millionen Euro an Mitteln bewilligt. Der Lüner Antrag gehört nicht dazu.
Die Stadt hatte versucht, zumindest Geld für die 68 Klassenräume zur Verfügung zu stellen, in denen das permanente Lüften nicht nur für kalte Hände, Füße und Ohren sorgt, sondern auch für jede Menge Lärmbelästigung. Für die rund 400 weiteren Klassenräume ohne fest verbaute Lüftungsanlagen hatten die Verantwortlichen im Rathaus von vorne herein keine Chance gesehen. Andere Städte wie Köln haben selbst die Initiative ergriffen und auf eigene Kosten Luftfilter gekauft: ein Vorgehen, von dem Lünens Erste Beigeordnete und Kämmerin Bettina Brennstuhl abrät.
Grundsätzliche Bedenken im Rat: Land ist zuständig
Alle 425 Klassen auszustatten, würde Kosten von mehr als 2 Millionen Euro bedeuten für die hoch verschuldete Stadt, die am Donnerstag ihren 300-Millionen-Euro-Haushalt für 2021 verabschiedet hat. Bei einer Beschränkung auf die 68 Klassen wären es immer noch rund 340.000 Euro, die über zehn Jahre abzuschreiben wären. Dazu kämen laut Brennstuhl Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten von rund 20.000 Euro. Die Mehrheit im Rat hat da abgewunken - nicht nur wegen der zusätzlichen Ausgaben, sondern auch aus grundsätzlichen Bedenken.
„Jeder von uns hat ja den Drang, Kinder besonders zu schützen“, sagte Ferhat Aydin (SPD), selbst Vater und Lehrer. Die Stadt habe schon mehr gemacht als manche andere Kommune, in dem sie die Schulen „flächendeckend mit CO2-Ampeln und Thermometern ausgestattet hat“. Für alles andere sei nun einmal das Land zuständig. Günther Koch (CDU) sah das genauso. „Dass das von Eltern nur schwer zu akzeptieren ist, verstehe ich.“ Das dürfte insbesondere für die Eltern der Osterfeldschule gelten.
Eltern von Osterfeldschülern wollen selbst zahlen
Die Elternvertretung der Grundschule schräg gegenüber der neuen Mercedes-Niederlassung an der viel befahrenen Kurt-Schumacher-Straße hatten sich im Vorfeld der Ratssitzung an den Bürgermeister gewandt - nicht mit einem flehenden Appell, doch noch Geld im Haushalt locker zu machen, sondern mit einem Angebot.
Der Unterricht der zurückliegenden Wochen habe deutlich gezeigt, wie groß die Schwierigkeiten der Kinder sind, sich nach zwei Jahren Corona zu konzentrieren, haben die besorgten Eltern geschrieben. Die vorgeschriebenen Lüftungsintervalle - alle 20 Minuten für 5 Minuten mit weit geöffneten Fenstern - würde zusätzlich für Ablenkung und Unruhe sorgen. Und für Kälte: Eine Raumtemperatur, „die es erlaubt, eine lernmögliche Umgebung herzustellen“ sei so gerade an Fensterplätzen nicht herzustellen. Deshalb wünschen sich die Eltern, dass
„unserer Schule erlaubt wird, für die Klassenräume am Haupt- und
Teilstandort zugelassene CE- und DIN-konforme, mobile Luftfiltergeräte anzuschaffen und während des Unterrichtes einsetzen zu dürfen.“ Weder Land noch Stadt müssten dafür zahlen. Die Mittel dafür - laut eines Kostenvoranschlag der Eltern 11.700 Euro - würde der Förderverein der Schule zur Verfügung stellen.
„Das ist nicht die Aufgabe eines Fördervereins“
Dürfte die Stadt das Angebot überhaupt annehmen? Ferhat Aydin meinte: Nein. „Es ist nicht Aufgabe eines Fördervereins, die Aufgaben des Landes zu übernehmen. Das Schulamt müsste ein Veto einlegen.“ Bettina Brennstuhl räumte ein, es nicht zu wissen. „Gerade die Haftungsfrage müsste geklärt werden.“ Thomas Buller-Hermann (CDU) verwies darauf, „dass wir auf jeden Fall die Folgekosten haben werden“. Und Kunibert Kampmann (GFL) sagte, ihm sei nicht wohl bei dem Gedanken, dass „Schulen mit vermögenderen Fördervereinen eine bessere Ausstattung bekommen als andere“. Da widersprach Gabriele Schimanski (Grüne): An allen Schulen „gleich schlechte Unterrichtsbedingungen zu schaffen“ könne auch nicht das Ziel sein: ein Einwurf, der im Rat fast für ein Umdenken gesorgt hätte.
Karsten Niehues (FDP) schlug vor, die Sitzung kurz zu unterbrechen, „um vielleicht doch noch eine Mehrheit zu gestalten“. Er konnte sich damit aber nicht durchsetzen. Immerhin stimmten 18 der 51 Ratsmitglieder für das Ansinnen der Elternschaft der Osterfeldschule:. Der GFL-Antrag, auf städtische Kosten Luftfilter zu kaufen hatte nur die Hälfte dieser Stimmen gebracht. In beiden Fällen aber nicht genug.
Leiterin des Medienhauses Lünen Wer die Welt begreifen will, muss vor der Haustür anfangen. Darum liebe ich Lokaljournalismus. Ich freue mich jeden Tag über neue Geschichten, neue Begegnungen, neue Debatten – und neue Aha-Effekte für Sie und für mich. Und ich freue mich über Themenvorschläge für Lünen, Selm, Olfen und Nordkirchen.
