Georg Johann, Leiter Hydrologie und Hydraulik beim Lippeverband, erklärte den rund 100 Betroffenen, wie es am 14. Juli zu dem Hochwasser in Lünen-Niederaden kommen konnte. © Julian Preuß

Hochwasser

Lippeverband erklärt: So kam es zum Hochwasser in Lünen-Niederaden

Der Starkregen vom 14. Juli und seine Folgen wirken in Lünen-Niederaden nach. Der Lippeverband hat nun erklärt, warum es trotz funktionierender Pumpwerke zur Überflutung kam.

Lünen, Niederaden

, 01.09.2021 / Lesedauer: 4 min

Mittlerweile sind die Wassermassen in Lünen-Niederaden wieder abgeflossen. Geblieben sind Schäden an den Häusern der Anwohnerinnen und Anwohner, so wie bei Bettina Rauscher. Fast zwei Meter hoch stand das Wasser in ihrem Keller. Es werde noch bis in den Herbst hinein dauern, bis sie die Sanierung in Angriff nehmen könne. In Eigenregie, nach und nach.

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Neben den Schäden blieben viele Fragen. Haben die Pumpwerke funktioniert? Wie konnte es zu der Flutwelle kommen, die viele Menschen wahrgenommen haben? Wer ist für die Schäden verantwortlich? Wie soll es weitergehen und welche Maßnahmen können solche Ereignisse künftig verhindern? Rauscher und viele andere Betroffene wünschten sich Aufklärung. Deshalb wand sie sich mit einem Leserbrief an unsere Redaktion. Sie wolle „alle Beteiligten einmal wachrütteln, bevor der Vorfall in Vergessenheit gerät“.

SPD Niederaden organisiert Info- und Diskussionsveranstaltung

Die Antworten bekamen rund 100 Menschen, die sich am Dienstagabend (31.8.) in der Pfarrkirche Herz Mariä Lünen-Horstmar einfanden. Die SPD Niederaden hatte die Versammlung organisiert und die dafür Vertreterinnen und Vertreter des Stadtbetriebes Abwasserbeseitigung Lünen (SAL), des Lippeverbandes und der Stadt eingeladen.

Die Kritik der Betroffenen richtete sich unter anderem gegen den Lippeverband, der das Pumpwerk Lüserbach und die Pumpwerke Niederaden A und B betreibt. Die Pumpen hätten nicht richtig funktioniert und die Wassermassen nicht bewältigen können, hieß es im Vorfeld der Versammlung vielerorts.

Dem widersprach Dr. Hartmut Meyer, beim Lippeverband Betriebsleiter Östliche Lippe und damit zuständig für den Lüner Raum. „Die Pumpen haben gut funktioniert und sind unter Volllast gelaufen“, fasste er zusammen. Parallel zum steigenden Wasserstand seien nach und nach alle Pumpen in Betrieb genommen worden. Wasserstandssonden regeln dies automatisch. Fehlermeldungen habe es in der Bottroper Betriebsmeldezentrale nicht gegeben.

Pumpwerk am Lüserbach befördert 3500 Liter Wasser pro Sekunde

Die Anlage am Lüserbach pumpt 3500 Liter Wasser pro Sekunde (l/s) aus der Bergsenkung in Niederaden heraus. Die Pumpwerke Niederaden erreichten die maximale Leistung von 2600 bzw. 1000 l/s. Durch eine Druckrohrleitung können diese Menge an Wasser den durch den Bergbau bedingten Höhenunterschied überwinden. Danach fließe das Wasser durch das Gefälle in die Seseke.

Die gemessenen Regenmengen von 75 bis 85 Litern pro Quadratmeter (l/m²) in 24 Stunden sorgten dafür, das gegen 16 Uhr die Leistungsfähigkeit des Pumpwerks Lüserbach erreicht wurde. Normalerweise kein Problem. Denn in solchen Fällen kann sich das Wasser zunächst im davor liegenden Rückhaltebecken sammeln. 8000 Kubikmeter passen hinein (ein Kubikmeter entspricht 1000 Litern).

„Mit dem Starkregen vom 14. Juli hat es nicht einmal eine Stunde gedauert, bis das Becken voll war“, beschrieb Georg Johann, Leiter Hydrologie und Hydraulik beim Lippeverband. „Man muss sich das wie eine volle Badewanne vorstellen, bei der man den Wasserhahn nicht zudrehen kann“, sagte Meyer ergänzend. Die Folge: Das Wasser sei um kurz nach 17 Uhr aus dem Becken hinaus gelaufen, rein in die Wohngebiete und in die Keller.

Lippeverband liefert Erklärung für „Flutwelle“

Auch das, was viele Anwohnerinnen und Anwohner mehrere Stunden nach dem großen Regen als Flutwelle beschrieben hatten, erklärten die Vertreter des Lippeverbandes. Eine Zuschauerin sprach gar von einem Tsunami. So gehöre nicht nur Niederaden zum Einzugsgebiet des Lüserbachs, sondern auch einige Dortmunder Stadtteile. Und dort sei der Regen noch stärker ausgefallen. Die Radarauswertung der Niederschlagsmenge zeigt für die angrenzenden Dortmunder Stadtteile 85 bis 100 l/m² in 24 Stunden an.

„Dieses Wasser sammelt sich ebenfalls im Lüserbach und fließt in die Bergsenkung, die den niedrigsten Punkt in der Umgebung darstellt“, sagte Johann. Es dauere aber eine Weile, bis das Wasser mit seiner Fließgeschwindigkeit dort angekommen ist. Es sei möglich, dass es in der Zwischenzeit aufgehört hat zu regnen und der Wasserstand auf den Niederadener Straßen leicht gesunken ist. „Wenn dann das Zuflusswasser aus dem Einzugsgebiet im Pumpwerk Lüserbach zeitverzögert ankommt, steigt das Wasser auch wieder“, so Johann.

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Diese Welle lässt sich in den Statistiken nachvollziehen. Um kurz vor 17 Uhr registrierte der Lippeverband mit etwa 5,5 Kubikmetern pro Sekunde (m³/s) den höchsten Zufluss auf das Pumpwerk Lüser Bach. Bis kurz nach 18 Uhr sank die Zuflussmenge auf etwa 4,6 m³/s ab. Um etwa 19 Uhr stieg sie nochmal auf etwa 5 m³/s an. Erst zwischen 0 und 1 Uhr in der Nacht entsprach die Zuflussmenge wieder der Leistungsfähigkeit des Pumpwerks von 3,5 m³/s.

Lippeverband sieht seine Pflicht erfüllt

Da die Pumpsysteme sowie die Vorrichtungen zur Rückhaltung des Wassers vollständig funktioniert hätten, habe der Lippeverband seine Pflicht erfüllt, fasste Meyer zusammen. Dennoch sagte er: „Wir müssen sehen, dass wir weiterkommen.“ Der Lippeverband sei gewillt, mehr zum Schutz der Menschen zu tun.

Dabei gebe es allerdings zwei Probleme. „Wir brauchen Geld, um Pumpwerke zu bauen oder Flächen zur Wasserrückhaltung zu kaufen“, sagte Meyer. Bezahlen müssten dies dann auch die Bürgerinnen und Bürger, in Form von höheren Beträgen, die die Kommunen an den Verband leisten. Doch selbst wenn das Geld für Maßnahmen da wäre, bestehe immer noch das Problem, dass keine Flächen vorhanden sind.

Wie hilfreich Flächen zur Rückhaltung von Regenwasser sein können, erklärte Johann anhand einer Simulation. „Durch die ökologische Verbesserung des Lüserbachs haben wir Auen geschaffen, in denen sich das Wasser verteilen konnte. Das hat das Pumpwerk entlastet und noch größere Schäden verhindert.“

Anwohnerin Bettina Rauscher war froh, „dass wir nun gehört worden sind“. Schuldig blieb der Lippeverband allerdings konkrete Lösungsvorschläge, damit künftig Schäden wie die nach dem 14. Juli verhindert werden können. Daniela Fiege, Vorstand des SAL, verwies nochmals auf die entsprechenden Beratungsangebote. Denn in einer Sache waren sich die Beteiligten einig: Bedingt durch den Klimawandel werden solche starken Regenfälle immer häufiger auftreten.

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