Nach dem Starkregen am 14. Juli stand das Wasser in Niederaden teilweise kniehoch auf der Straße und hinterließ auch in vielen Häusern große Schäden. Jetzt geht es auch um mögliche Ansprüche der Anwohner.

© Privat / Anwohner aus Niederaden

Haftung: Anwalt aus Lünen klagt nach Hochwasser gegen die RAG

rnHochwasser

Das Unwetter im Juli soll auch juristisch aufgearbeitet werden. Ein Anwalt aus Lünen klagt gegen die RAG, um Haftung geltend zu machen. Bei Erfolg sei der Fall wegweisend für viele Betroffene.

Lünen

, 30.08.2021, 11:15 Uhr / Lesedauer: 3 min

Die Schäden nach dem Unwetter am 14. Juli sind auch Ende August noch längst nicht alle behoben. Keller werden aufwändig getrocknet, Mobiliar muss beschafft werden, die Geschädigten haben alle Hände voll zu tun. Gleichzeitig sind viele Betroffene unzufrieden mit der bisherigen Aufarbeitung dessen, was am Abend und in der Nacht als Flutwelle in Niederaden wahrgenommen wurde. Das Wasser stand in Teilen kniehoch auf den Straßen.

Juristisch geht es im Nachgang auch um die Frage, wer für die Hochwasserschäden aufkommen muss. Auch für Heinrich Kunst. Der Rechtsanwalt aus Lünen-Niederaden ist selbst von Hochwasserschäden betroffen. „Auch in unserem Keller stand das Wasser, allerdings nicht so hoch, wie bei anderen. Den Schaden haben wir natürlich trotzdem und die Trocknung ist das komplizierte.“

Klage gegen RAG

Auch was mögliche Haftungsansprüche der Geschädigten angeht, ist Kunst im Thema. „Ich bin da zur Zeit aber weniger beim Lippeverband, als mehr bei der RAG.“ Denn auch in der Theorie gelte: Selbst wenn der Lippeverband in der Hochwasservorsorge etwas falsch gemacht hätte, würde er nur dann haften, wenn niemand anderes es tut.

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Gerüchten, Pumpwerke in Lünen seien während des Unwetters ausgefallen, hatte der Lippeverband im Juli widersprochen. „In Lünen-Niederaden gab es, wie im gesamten Stadtgebiet, an unseren Pumpwerken keine Ausfälle“, erklärte Sprecherin Anne Kathrin-Lappe.

Viele Keller waren nach dem Unwetter verwüstet. Viel Aufwand muss auch Wochen später noch betrieben werden, um die Räume wieder trocken zu bekommen.

Viele Keller waren nach dem Unwetter verwüstet. Viel Aufwand muss auch Wochen später noch betrieben werden, um die Räume wieder trocken zu bekommen. © Matthias Stachelhaus

So oder so müsse zunächst geklärt werden, ob Ansprüche gegenüber der RAG Aktiengesellschaft bestehen, erklärt Kunst. Bergbaurecht ist sein Fachgebiet. Eine Klage reicht er jetzt ein. Der Grund: „Die RAG haftet für alle Schäden, die durch den Bergbau entstanden sind.“ Sollte der Fall vor Gericht erfolgreich sein, könne das eine gute Ausgangslage für andere Betroffene sein und weitreichende Folgen für die RAG haben.

Nicht nur in Niederaden, denn auch der Bereich „Auf dem Eigengrund“ in Lünen-Süd sei von Absenkungen durch Bergbau betroffen. Es gilt allerdings: „Jeder Einzelfall muss geprüft werden. Es kann auch Gründe geben, in denen die RAG nicht haftbar ist“, schränkt der Jurist ein.

Senkung verursacht durch Bergbau

Ausgangspunkt für Kunst ist dabei der Kommunensteckbrief Lünens bei der sogenannten Hochwasserrisikomanagementplanung des Landes NRW, das auch im Internet veröffentlicht ist.

Darin steht (Stand März 2021) zu Niederaden: „Teile von Niederaden befinden sich in einem Bergsenkungsbereich. Das vorhandene Pumpwerk hat einen Ausbaugrad für ein 25-jähriges Hochwasser. Bei höheren Ereignissen kommt es zum Einstau der Bergsenkungsmulde. Bei einem hundertjährigen Hochwasser sind große Bereiche mit Wohnbebauung sowie eine Gärtnerei betroffen.“

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Auf der beigefügten Karte ist der überflutete Bereich von Juli entsprechend gekennzeichnet. „Niederaden liegt in einer Mulde wegen des Bergbaus. Deswegen sind wir Hochwassergebiet“, erläutert Kunst weiter.

Rückstau und Überflutungen in Kellerräumen

Diese Einschätzung teilt die RAG Aktiengesellschaft nicht. „Im gesamten Umfeld von Lünen wurde großräumig Steinkohle abgebaut. Im Bereich der Ortslage Lünen-Niederaden wurde bis Ende der 90er Jahre Abbau betrieben“, teilt ein Sprecher der RAG auf die Frage mit, wo genau die Absenkung nach Quellen der RAG im Bereich Niederaden verläuft. „Eine lokale Abgrenzung der Senkungen ist somit nicht möglich. Ein Senkungsschwerpunkt liegt südlich von Lünen-Niederaden, in der Nähe der Autobahn A2.“

Auch die Elektrik in den Verteilerkästen auf den Straßen in Niederaden war nach dem Unwetter im Juli nicht mehr zu retten.

Auch die Elektrik in den Verteilerkästen auf den Straßen in Niederaden war nach dem Unwetter im Juli nicht mehr zu retten. © Matthias Stachelhaus

Die bisher eingegangen Schadensmeldungen bei der RAG bezögen sich im Großteil auf Rückstau und Überflutungen in Kellerräumen nach dem Starkregen am 14. Juli. Konkrete Bergschäden seien an den Häusern nicht zu erkennen. In vereinzelten Fällen werde geprüft, ob ein Zusammenhang zwischen bergbaubedingten Wand- und Bodenrissen in Kellern bestehe, die so das Eindringen des Wassers ermöglicht hätten. „Bislang gab es noch keinen Fall, bei dem eine Regulierung durchgeführt wurde“, heißt es weiter.

RAG: Schäden nicht auf Bergbau zurückzuführen

Rein grundsätzlich seien die Hochwasserschäden, nach Einschätzung der RAG, nicht auf den Bergbau zurückzuführen, weil es sich um ein außergewöhnliches (mehr als hundertjähriges) Regenereignis handele.

„Auf solche Wassermengen sind öffentliche Kanalisationen nicht ausgelegt. Vielerorts wurden sämtliche Ableitungssysteme und Hochwasserschutzeinrichtungen, wie auch Pumpwerke weit über ihre Kapazitätsgrenzen hinaus beansprucht. Infolge des außergewöhnlichen und langanhaltenden Starkregens sind Hochwasserereignisse und dementsprechende Hochwasserschäden sowohl in Regionen mit aber auch ohne bergbauliche Beeinflussung eingetreten.“

Vereinfacht ausgedrückt: Egal, ob mit oder ohne Bergbau, das Hochwasser hätte Schäden verursacht. Dafür trägt die RAG keine Verantwortung.

Wann eine Entscheidung durch ein Gericht gefällt wird, kann Kunst derzeit noch nicht abschätzen. Auch wegen der Corona-Pandemie sei das zur Zeit schwer einzuschätzen.

Für die Zukunft gebe es laut Kunst ohnehin noch einen anderen wichtigen Punkt „In erster Linie muss darum gehen, das künftig Schäden verhindert werden.“