Radfahren
Lastenfahrräder im Trend: Lange Lieferzeiten für ein tolles Fahrgefühl
Das Lastenrad war lange ein Exot im Straßenverkehr, ist aber immer häufiger auch in Lünen zu sehen. Für Marc Frieling ist es sogar der Autoersatz. Wer jetzt umsteigen will, braucht viel Geduld.
Egal ob als Transportfahrzeug, Taxi für die Kinder, mit oder ohne elektrische Unterstützung: Lastenfahrräder sind gefühlt immer häufiger auf Straßen- und natürlich Radwegen zu sehen. Ein neuer Trend auch in Lünen. „Ja, das stimmt schon. Die Nachfrage ist derzeit sehr groß“, sagt Romuald Tichawski, Inhaber von Zweirad Mönninghoff in der Lüner Innenstadt. Anfragen kommen von Kindergärten bis zur Privatpersonen.
Besonders in den vergangenen Monaten sei die Nachfrage gestiegen. Die hohen Spritpreise durch den Ukraine-Krieg drängen sich da als Beweggrund für die Neuanschaffung auf, glaubt auch Tichawski. Die Trends werden allerdings auch davon beeinflusst, wie viele Fördergelder (für Selbstständige und Unternehmen) das Land NRW gerade im Fördertopf hat. Bis zu 50 Prozent der Kosten zahlt dann der Staat. Bei einem Anschaffungspreis ab 3000 Euro („Grenze nach oben offen“) sehr viel Geld.
Lieferzeiten bis zu einem halben Jahr
„Das ist jetzt der zweite große Peak für die Branche in zwei Jahren.“ Ab Sommer 2020 hatte die Corona-Pandemie die Nachfrage, besonders nach Pedelecs (E-Bikes) explodieren lassen. Die Folge: Leere Lager, lange Bestellzeiten. Bei den Lastenfahrrädern verhält es sich aktuell ganz ähnlich. „Die meisten großen Hersteller haben mittlerweile mindestens ein Modell im Programm. Die Lieferzeit für ein Lastenrad liegt gerade bei 18 bis 25 Wochen“, so der Fahrradhändler. Einzelteile sind knapp, besonders Akkus für Pedelecs fehlen. Lieferengpässe noch aus Coronazeiten.
Wer sich gerade also überlegt, ein Lastenrad anzuschaffen, braucht richtig Geduld. Schneller geht es, wenn man sich für ein Modell entscheidet, das gerade im Ladengeschäft steht. Hier muss man dann allerdings Abstriche machen, was eigene Wünsche bei Ausstattung und Marke anbelangt.
Für den Lüner Marc Frieling ist das Fahrrad der Autoersatz geworden. Mit seinem Lastenfahrrad eines dänischen Herstellers macht er nicht nur den Wocheneinkauf, sondern sorgt auch schonmal fürs Essen auf ADFC-Veranstaltungen, wie hier bei einer Critical Mass im vergangenen Jahr. © Marc Frieling / privat
Privat steigt Tichawski als Familienvater auch selbst gerne aufs Lastenfahrrad. „Ein zweites Auto brauchen wir nicht mehr. Beruflich kann ich allerdings nicht ganz auf das Auto verzichten.“
Lastenfahrrad als Autoersatz
Anders sieht das bei Marc Frieling aus, der seit sieben Jahren vollständig auf das Auto verzichtet. „Ich fahre täglich mit dem Fahrrad zur Arbeit nach Dortmund“, erzählt Frieling, der für die Grünen im Lüner Stadtrat sitzt. Dafür hat er ein Trekkingfahrrad, seit zwei Jahren ist aber auch ein Lastenfahrrad in seinem Fuhrpark. Ohne elektrischen Motor. „Ich habe mich da ganz bewusst für entschieden. Ich sehe das auch aus sportlicher Sicht.“ Dafür mit einer guten Kettengangschaltung, dank der er auch die ein oder andere Halde hochkommt. „Nur langsamer“, sagt Frieling und lacht.
Privat steigt auch Fahrradhändler Romual Tichawski aufs Lastenfahrrad. Dass nicht alle Radwege in Lünen optimal für die großen Räder sind, weiß er auch eigener Erfahrung, etwa an der Alsenstraße, wie er sagt. Dort ist der Radweg recht schmal. "Man müsste dort mit dem Lastenfahrrad eigentlich auf der Straße fahren." © Günther Goldstein
90 Liter Volumen fasst die Wanne an Frielings Rad, vier Kisten Wasser sind kein Problem. „Ich finde es toll, dass ich über das Lastenfahrrad immer wieder auch mit anderen ins Gespräch komme.“ Mancher Gesprächspartner auf dem Parkplatz von Getränke Gefromm staune darüber, wie viel Gewicht tatsächlich mit auf das Rad passt.
„Ich fahre mittlerweile aber auch ohne ‚Last‘ gerne damit. Auch schonmal zur Arbeit. Das Fahren macht einfach unglaublich viel Spaß“, sagt Frieling. Eine große Umstellung sei das neue Fahrgefühl nicht gewesen. „Ein bisschen ungewohnt im ersten Moment, aber dann ist es wie bei jedem Fahrrad. Mit Beladung fährt man sogar noch etwas besser, weil das Rad dann ‚satter‘ auf der Straße liegt. Dafür sei das Mehrgewicht natürlich bei jeder kleinsten Steigung zu spüren, wenn man keinen Motor hat.
„Cruisen“ mit den Kindern
Begeisterter Lastenfahrradfahrer ist auch der Lüner Benedikt Wüstefeld (35) . Seit rund vier Jahren bleibt das Auto bei innerstädtischen Einkäufen gerne auch mal stehen. Beim Familienausflug mit Tochter Lea (3) sowieso. „Man ist schneller als mit dem Auto und die Parkplatzsuche fällt weg.“ Im Gegensatz zu Anhänger oder Gepäckträgersitzen, habe er die Kinder - gerne fährt Leas Freundin Sophie (3) auch auf dem Lastenfahrrad mit - besser im Blick.
Für Benedikt Wüstefeld ist das Lastenfahrrad nicht nur praktisch beim Einkaufen. Zusammen mit Tochter Lea (3) und ihrer Freundin Sophie (3) geht es auf Familienausflüge in Lünen. © Benedikt Wüstefeld / privat
Und bei Regen? „Das kostet natürlich etwas Überwindung. Aber hinterher ist man Stolz, den Schweinehund überwunden zu haben.“ Ganz auf ein Auto verzichten, kann Wüstefeld, beruflich bedingt, zwar nicht. Aber das Fahrgefühl beim „cruisen“ mit dem Zweirad sei toll.
Dass es bei Radwegen in Lünen auch für Lastenfahrräder noch einigen Verbesserungsbedarf gibt, sehen nicht nur Tichawski, Frieling und Wüstefeld. „Im Großen und Ganzen bin ich aber ganz zufrieden“, sagt Wüstefeld. Beim Fahrradklimatest des ADFC von 2020 landete Lünen auf Platz 55 von 110 der Städte mit 50.000 bis 100.000 Einwohner in Deutschland. „Radwege sind oft zu schmal oder in schlechtem Zustand“, sagt Frieling. Auch würden Markierungen für Fahrradschutzstreifen oft als feste Linie angesehen, der Mindestabstand beim Überholen beträgt für Autos aber trotzdem 1,5 Meter. „Die Verbindungen selbst sind in der Stadt aber schon ziemlich gut“, sagt Frieling.
Wer sich verschiedene Lastenfahrräder einmal genauer anschauen möchte, kann auch das in Lünen tun. Der ADFC plant in diesem Jahr wieder eine Lastenfahrradtour, wie Frieling sagt. „Letztes Jahr waren über 40 verschiedene Fahrräder mit dabei.“ Die ist allerdings erst für den 17. September geplant.
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