Kreis-AfD löst Stadtverband Kamen auf Mitglieder sollen vor Rechtsradikalen gewarnt haben

Kreis-AfD löst Stadtverband Kamen nach Abwahl Lehmanns auf
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Bei der AfD im Kreis Unna gibt es Turbulenzen. Kurz nach der Ablösung des Kameners Ulrich Lehmanns aus dem Amt des Kreissprechers hat der neue Kreisvorstand um Friederike Hagelstein aus Lünen die Auflösung des Stadtverbands Kamen beschlossen. Der Beschluss, die AfD in Lehmanns Heimatstadt formell aufzulösen, fiel bereits am 5. Dezember 2023 in der konstituierenden Sitzung des neuen Kreisvorstands.

Die neue AfD-Spitze im Kreis Unna begründet das Aus für den Kamener Stadtverband damit, dass die Gründung aus formellen Gründen nichtig gewesen sei. „Dem Vorstand des Kreisverbands wurden niemals Gründungsdokumente vorgelegt“, heißt es auf Anfrage. Eine andere Begründung gibt es indessen auf einer angeblichen Facebook-Seite des AfD-Stadtverbands zu lesen. Dort wird der Auflösungsbeschluss als Antwort auf innerparteiliche Kritik am rechtsextremen Kurs der Partei dargestellt.

Wurde Lehmann kaltgestellt, weil er innerparteilich Kritik übte? Die Begründung des Kreisvorstands für die Auflösung aufgrund von Formalitäten wirkt zumindest kurios. Denn es wäre nicht das erste Mal, dass die AfD die Gründung eines Kamener Stadtverbands verpatzt. Kenner der politischen Szene am rechten Rand dürften gerade ein Déjà-vu erleben.

Schon am 27. September 2019 hatte Lehmann erstmals die Gründung eines Stadtverbands verkündet. Damals war er noch nicht Kreissprecher, aber schon im Kreisvorstand. Erst geraume Zeit später und kurz vor der Kommunalwahl 2020 kam heraus, dass die Gründung wegen eines Formfehlers nicht rechtmäßig zustande gekommen war.

Nach dem missglückten Gründungsversuch folgte 2021, kurz vor der Bundestagswahl, ein zweiter Anlauf. Lehmann, damals Vize-Kreissprecher und Bundestagskandidat, verkündete am 30. August 2021, dass auf Beschluss des Kreisvorstands und im Beisein des Landtagsabgeordneten Christian Blex ein Stadtverband gegründet wurde: „Nach Lünen ist Kamen der zweite Stadtverband im Kreis Unna“, so Lehmann. Als nächstes folge Schwerte. Lehmann führte den Stadtverband fortan gemeinsam mit Peter Knepper, der zeitweise auch die Führung des Kreisvorstands übernahm.

Mitglieder für sichtbaren Kurs der Partei

Was Lehmann und Knepper zu der Causa zu sagen haben, ist unklar. Knepper war nicht erreichbar. Lehmann, auch bekannt als einziger AfD-Ratsherr im Kamener Stadtrat, ließ Anfragen auf seinem Anrufbeantworter und per E-Mail unbeantwortet. Eine E-Mail an seine Parteiadresse kam sogar als unzustellbar zurück. Der Server meldet: „ulrich.lehmann wurde nicht in afd-kreis-unna.de gefunden.“

Lehmann ist seit dem 23. November kein Kreisvorsitzender mehr. Er fiel sowohl bei der Wahl des Kreissprechers als auch des Stellvertreters durch und wurde letztlich durch Friederike Hagelstein abgelöst. Die Mitglieder entschieden sich offenbar mehrheitlich für einen aktiveren, nach außen sichtbareren Kurs der Partei.
Aber sollte Lehmann tatsächlich zweimal hintereinander ein Formfehler bei der Gründung des Stadtverbands unterlaufen sein? Oder steckt mehr hinter der Auflösung? Hat er sich gar von der immer weiter nach rechts driftenden AfD abgewandt, die voriges Jahr mit dem rechtsradikalen Dortmunder Bundestagsabgeordneten Matthias Helferich in Unna unter dem Titel „Remigration jetzt“ demonstrierte?

Neu gewählte AfD-Kreissprecherin Friederike Hagelstein, mit Vorstandskollegen  Stefan Weber, Max Klinger, Hans-Otto Dinse, Brigitte Dinse, Christian Neupert, Dustin Dupont und Ulf Orlowski.
Neu gewählte AfD-Kreissprecherin Friederike Hagelstein am 23. November mit Vorstandskollegen Stefan Weber, Max Klinger, Hans-Otto Dinse, Brigitte Dinse, Christian Neupert, Dustin Dupont und Ulf Orlowski. © AfD Bezirksverband Arnsberg

Im Kamener Rathaus ist keine Statusänderung des fraktionslosen AfD-Abgeordneten Lehmann bekannt. Glaubt man der angeblichen Facebook-Seite des AfD-Stadtverbands Kamen (1996 Follower), muss es massive Differenzen gegeben haben. Dort heißt in einem Beitrag am 9. November: „Da wir das Verhalten unserer Partei nicht mehr mittragen können, stellen wir den Betrieb dieser Facebook Seite ein.“ Verlinkt ist ein Artikel des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ mit dem Titel: „Verfassungsschutz stuft AfD in Sachsen-Anhalt als gesichert rechtsextrem ein“.

In einem Beitrag vom 21. Dezember wird gejubelt: „Wir können fröhlich verkünden, dass der Stadtverband Kamen erfolgreich aufgelöst wurde.“ Weiter heißt es: „Nachdem festgestellt wurde, dass die Mitglieder (insbesondere der Stadtverbandsvorstand) den rechtsextremen Kurs der Partei nicht mitgehen wollen, musste dieser Schritt vom neugewählten Kreisvorstand gegangen werden. Pluralismus werden wir in unserer Partei nicht dulden!“

Zur Zukunft Lehmanns und Kneppers in der AfD will sich der Kreisvorstand nicht äußern. „Aus datenschutzrechtlichen Gründen darf ich Ihnen keine Auskunft zu einzelnen Personen geben“, erklärt Vorstandssprecher Hans-Otto Dinse aus Schwerte. Die Facebook-Seite des AfD-Stadtverbands bezeichnet er als Fake. „Rechtsextremer Kurs, typisches linksgrünes Geschwafel von eben denen, oder aber von in der Partei Zu-kurz-Gekommenen.“

Die AfD Kreis Unna erklärt in einer Stellungnahme, dass es im Kreisverband Auseinandersetzungen über die politische Ausrichtung der Arbeit weder gebe noch gegeben habe. Lehmann sei nicht abgewählt worden, sondern er habe bei der turnusmäßig stattfindenden Neuwahl keine Mehrheit bekommen. Die AfD stehe „fest auf dem Boden des Grundgesetzes“, es gebe „keinerlei extremistische Bestrebungen“. Der personelle Zuwachs der Partei beruhe „einzig auf gezielt rechtsstaatlicher Arbeit“.

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 13. Januar und wurde um eine weitere Stellungnahme der AfD ergänzt und aktualisiert.

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