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Zweiter Versuch geglückt: AfD gründet Stadtverband Kamen
Kommunalpolitik
Kurz vor der Bundestagswahl hebt die AfD ihren zweiten Stadtverband im Kreis Unna aus der Taufe. Nach Lünen gibt es die Nationalradikalen jetzt auch vor Ort in Kamen, geführt vom Bundestagskandidaten Lehmann.
Im zweiten Anlauf hat die Parteigründung offenbar geklappt: Die AfD ist jetzt in Kamen auch in Form eines Stadtverbands vertreten. Mit Geburtshilfe des AfD-Kreisverbands Unna und des Landtagsabgeordneten Christian Blex ist ein eigener Stadtverband der rechtspopulistisch bis rechtsradikalen Partei aus der Taufe gehoben worden – zwei Jahre nach einem missglückten Gründungsversuch.
Der als Vorsitzender („Sprecher“) gewählte Vize-Kreisvorsitzende, Kamener Ratsherr und Bundestagskandidat Ulrich Lehmann gab die Neugründung am Montag bekannt.
„Nach Lünen ist Kamen der zweite Stadtverband im Kreis Unna. Als nächstes wird mit Schwerte ein dritter Stadtverband folgen“, lässt sich Lehmann in einer Mitteilung zitieren. „Wir wollen auch im Kreis Unna die politische Landkarte blau färben und den etablierten Parteien das Terrain streitig machen“, so sein Stellvertreter Peter Knepper. Zwei namentlich nicht genannte Beisitzer komplettieren den Vorstand der 2,7-Prozent-Partei der vorigen Ratswahl.
Erste Gründung scheiterte an Formfehler
Bereits am 27. September 2019 hatten die Rechten die Gründung eines Kamener Stadtverbands verkündet. Erst geraume Zeit später und vor der Kommunalwahl 2020 kam heraus, dass die Gründung wegen eines Formfehlers nicht rechtmäßig zustande gekommen war.
Mit Lehmann und Knepper an der Spitze wird der neue Stadtverband von zwei Männer geführt, die keine Berührungsängste mit rechtsradikalen AfD-Politikern wie Björn Höcke haben und als Sympathisanten des sogenannten völkischen Flügels gelten, der inzwischen offiziell aufgelöst ist.
Die Ankündigung des Stadtverbands, den sogenannten etablierten Parteien das Terrain streitbar zu machen, scheint im Widerspruch zum jüngsten Verhalten Lehmanns zu stehen, der Streit mit seinen politischen Gegnern unter einer fadenscheinigen Begründung aus dem Weg ging.
Lehmann ließ im Wahlkampf eine Möglichkeit aus, öffentlich mit den Kandidaten von SPD, CDU, FDP, Linke und Bündnisgrünen zu diskutieren. Kurz vor dem Beginn der Diskussionsrunde „Wahlarena“ von Hellweger Anzeiger und Ruhr Nachrichten am Mittwoch voriger Woche sagte er seine Teilnahme an der Live-Übertragung ab – mit der Begründung, er wolle sich „3G“ nicht unterwerfen. Am Veranstaltungsort in Schloss Opherdicke hatten nur Genesene, Getestete und Geimpfte Zutritt.
Lehmann wird nicht bei der Kundgebung in Unna dabei sein
Der Rückzieher sorgt auch innerhalb der in Flügelkämpfe verwickelten Partei für Verwunderung – und für Spekulationen, dass der nicht als glänzender Rhetoriker geltende Lehmann eine Blamage abwenden wollte. Zudem fiel auf, dass Lehmann nicht auf der Ankündigung der AfD-Wahlkampftour auftaucht. Bei der Kundgebung am 1. September ab 16 Uhr auf dem Marktplatz in Unna, also in Lehmanns Wahlkreis, ist er nicht dabei, obwohl das eigentlich ein Pflichttermin wäre. Er sei beruflich verhindert, sagte der Architekt auf Nachfrage.
Angekündigt sind Landeschef und NRW-Spitzenkandidat Rüdiger Lucassen, der Landtagsabgeordnete Roger Beckamp sowie die Dortmunder Direktkandidaten Matthias Helferich und Heiner Garbe. Helfrich ist in eine Affäre um Chats mit Nazi-Sprüchen verwickelt. Er hatte sich als „demokratischen Freisler“ und „freundliches Gesicht des NS“ bezeichnet. Die angeblich satirisch gemeinten Äußerungen, die vielfach als Zeichen für eine rechtsradikale Gesinnung gewertet werden, sind für den Bundestagskandidaten Lehmann kein Grund, sich von der Wahlkampf-Schützenhilfe zu distanzieren.
Bereits einen Tag vor dem Unnaer Termin macht die Wahlkampftour am Dienstag (31.8) um 16 Uhr Station in Lünen auf der Langestraße, wo Lucassen und der Recklinghäuser Kandidat Lutz Wagner auftreten werden. Ebenfalls mit dabei: Matthias Helferich.
Jahrgang 1973, aufgewachsen im Sauerland, wohnt in Holzwickede. Als Redakteur seit 2010 rund ums Kamener Kreuz unterwegs, seit 2001 beim Hellweger Anzeiger. Ab 1994 Journalistik- und Politik-Studium in Dortmund mit Auslandsstation in Tours/Frankreich und Volontariat bei den Ruhr Nachrichten in Dortmund, Lünen, Selm und Witten. Recherchiert gern investigativ, zum Beispiel beim Thema Schrottimmobilien. Lieblingssatz: Der beste Schutz für die liberale Demokratie ist die Pressefreiheit.
