In Lüner Geschäft zeigt sich 100 Jahre Fahrradgeschichte „Plötzlich zahlten die Kunden viel Geld“

100 Jahre Fahrradgeschichte: „Plötzlich zahlten die Kunden viel Geld“
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Wer Romuald Tichowski, Inhaber von „Zweirad Mönninghoff“ kennt, der kennt auch sein Markenzeichen: seine Stachelfrisur. „Nächstes Jahr werde ich 50 und die Haare sind immer noch so“, erzählt er und lacht. Als er vor 20 Jahren begann, sich die Haare so zu stylten, tat er das nur zu Auftritten seiner Metall-Band. Inzwischen habe sich das so verselbstständigt. Tichowski sagt: „Das bin ich.“

Jedenfalls ist seine Frisur der Grund, warum der Geschäftsmann zwar Fahrräder verkauft, selbst aber nicht viel fährt: Auf die Haare passt kein Helm. Wenn er sich in seiner Freizeit aber mal auf den Sattel schwingt dann - natürlich - mit einem E-Bike. Damit liegt er voll im Trend. Diese Zweiräder machen 80 Prozent seines Sortiments aus.

Die übrigen 20 Prozent bestehen aus Kinder- und Jugendfahrrädern, einigen Gravelbikes (eine Mischung aus Rennrad und Mountainbike) und wenigen Lastenrädern. 80 Prozent der E-Bikes werden dabei inzwischen als Job-Rad über Arbeitgeber finanziert und geleast. „Barkauf gibt es kaum noch“, sagt Tichowski. Die Jobräder sind also der Hauptbestandteil seiner Geschäfte und retten ihm die Bilanzen.

Probleme nach der Corona-Pandemie

Auch wenn Tichowski den Laden im Dezember 2020 zu einer Zeit übernommen hat, in der anderer Einzelhandel wegen des Lockdowns bedingt schließen musste, die Nachfrage nach Fahrrädern aber boomte, gibt es ausreichend Herausforderungen. Zum Beispiel hat er noch immer mit Lieferrückständen aus der Corona-Zeit zu kämpfen. „Bis März kam plötzlich alles, was vorher nicht geliefert werden konnte“, erzählt der 49-Jährige.

„Wir wurden mit Ware zugeschüttet, die ich jetzt immer noch im Lager habe, denn die Leute wollen natürlich die neusten Modelle. Das ist sehr herausfordernd.“ Er rechnet damit, dass E-Bikes noch eine ganze Weile weiter im Trend bleiben und sich auch weiter entwickeln werden. Sie haben Motorroller und Mofas, die seine Vorgänger noch im Sortiment hatten, komplett verdrängt.

Plötzlich Freizeitartikel

Eine Werbung aus den 70er-Jahren: Ein Mofa bekam man damals zu einem Preis von 399 DM.
Eine Werbung aus den 70er-Jahren: Ein Mofa bekam man damals zu einem Preis von 399 DM. © Firmenarchiv Mönninghoff

Als der Laden „Paul Mönninghoff und Co.“ vor 100 Jahren im September 1923 eröffnete, waren Fahrräder nur eines von vielen Produkten. Daneben wurden auch Schallplatten, Küchengeräten, Waschmaschinen und Eisenwaren, Grammophone und Nähmaschinen angeboten. Günter Mönninghoff, der den Laden dann gemeinsam mit seiner Frau Lieselotte ab 1963 in zweiter Generation betrieb, konzentrierte sich mehr auf die Zweiräder, holte aber auch Spielwaren ins Angebot.

Auf ihn folgte dann 1993 Hans-Jürgen Willfroth als dritter Inhaber des Traditionsgeschäfts. 1967 hatte er als 14-Jähriger bei Mönninghoff angefangen und sagt: „Fahrrad war genau mein Ding.“ Er erinnert sich: „Wir hatten damals alles. Schlittschuhe, Nähmaschinen, Rollschuhe, Schlitten und dann auch Inliner. Als ich anfing, kostete ein Fahrrad noch 139 DM und da war noch nicht mal Licht dran, das musste man noch dranschrauben. Und wir hatten auch stapelweise diese Klappräder für 99 DM. Die gingen eine Zeitlang wie verrückt.“ Als „Lückenfüller“ zum Fahrrad, das sich damals lediglich über die Sommermonate gut verkaufte, nahm Günter Mönninghoff Spielwaren und Modelleisenbahnen mit in sein Sortiment. So stimmten die Einnahmen auch in der Weihnachtszeit.

In den 80er-Jahren wurden Fahrräder zum Trendsportartikel.
In den 80er-Jahren wurden Fahrräder zum Trendsportartikel. © Firmenarchiv Mönninghoff

Um 1980, so erinnert sich Hans-Jürgen Willfroth, habe das Fahrrad dann plötzlich einen ganz neuen Stellenwert bekommen. Bis dato hatte ein Fahrrad 140, ein gutes etwa 300 DM gekostet. „Und dann kamen die Aluräder von Kettler für 480 DM auf den Markt“, erzählt er. „Und die Leute dachten: Für den Preis muss das ja ein gutes Rad sein. Danach hat Kettler es nochmal geschafft, ein Rad rauszubringen, einen City-Cruiser für 1000 DM, der auf der Messe sofort ausverkauft war.“ Waren diese Fahrräder ihr Geld wert? „Nein, wir haben noch versucht, sie den Kunden auszureden, aber die Leuten wollten das“, sagt Willfroth.

Das markierte den Wendepunkt vom Fahrrad als reines Fortbewegungsmittel zum Freizeitartikel. „Die Leute sagten plötzlich: ‚Wir packen das Fahrrad ins Auto und fahren in Lüdinghausen zwei Mal um die Burg. Bewegung in der Natur ist ne gute Sache‘“, erinnert sich Hans-Jürgen Willfroth. Und seine Frau Sylvia ergänzt: „Für einen Freizeitartikel waren die Kunden bereit, deutlich mehr auszugeben. Plötzlich hat sich das Geschäft mit den Fahrrädern richtig gelohnt. Wir haben den Umsatz gesteigert. Und das nicht, weil Mönninghoffs schlechter waren, sondern wegen des Bewusstseinswandels.“

Über die Jahre, in denen Hans-Jürgen Willfroth das Geschäft führte, sagt er: „Ich war immer auf der Suche nach Trends: Erst waren es die Hollandräder, dann BMX und Skateboards mit dem kompletten Zubehör. Die haben den Umsatz um 50 Prozent gesteigert. Und so ab 1990 kamen dann die Mountainbikes.“

Wer heute ein Fahrrad sucht, wird bei Kinderfahrrädern ab circa 400 Euro fündig. Bei den Erwachsenen-Rädern bewegt sich alles im vierstelligen Bereich und ist ausschließlich motorisiert. Dafür gibt es inzwischen alle Varianten von Fahrrädern ausgestattet mit dem kleinen Motor an der Stange - sogar Klappräder.

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