Mönninghoff seit 100 Jahren in der Lüner City „Immer ein echter Familienbetrieb“

Mönninghoff seit 100 Jahren in der Lüner City: „Immer ein echter Familienbetrieb
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Wenn Romuald Tichawski durch die Räume seines Unternehmen „Zweirad Mönninghoff“ und das Tochterunternehmen „Babyhaus Mönninghoff“, geht, dann bewegt er sich durch ein großes Erbe. Im Winter 2020 hat der 49-Jährige mit der auffälligen Zackenfrisur das Fahrradgeschäft übernommen. Nur ein dreiviertel Jahr später ist dann die Babyhaus Mönninghoff e.K. hinzugenommen. Damit ist wieder zusammengeführt worden, was über viele Jahre getrennte Wege gegangen, aber gemeinsam gegründet worden war.

Denn in dem riesigen Gebäude - ein Eingang geht mit der Hausnummer 33 zur Langen Straße und dem Alten Markt raus, ein anderer Eingang zur Marktstraße, untereinander sind beide Teile des zweistöckigen Fachwerkbaus miteinander verbunden - stecken 100 Jahre Firmengeschichte. Und wenn man die Jahre seit Errichtung des Hauses Mitte des 18. Jahrhunderts durch die Lüner Familie Wehrenbold als Gasthaus, Brauerei und Bäckerei hinzunimmt, dann bewegt sich Romuald Tichawski durch gut zweieinhalb Jahrhunderte Lüner Stadtgeschichte.

Paul und Hermine Mönninghoff
Paul und Hermine Mönninghoff © Mönninghoff

Wer die 100 Jahre in der Geschichte zurückreist, in das Jahr 1923, der findet sich in einem Jahr der Umbrüche, Unsicherheiten, Unbeständigkeiten wieder. Die Ruhrbesetzung, Streiks, der Rücktritt des Reichskanzlers und ein Putschversuch durch Adolf Hitler bestimmten das Jahr. All das wurde von einer Hyperinflation begleitet. Am 1. Januar 1923 kostete beispielsweise eine Briefmarke noch 50 Reichsmark, am 1. August zahlte man bereits 1000 Reichsmark dafür und im November dann 100 Millionen Reichsmark.

Mitten in dieser wirren Zeit, am 26. September 1923, eröffnete der Geschäftsmann Paul Mönninghoff gemeinsam mit seiner Frau Hermine an der Langen Straße 33 das Geschäft „Paul Mönninghoff & Co.“: Einen Handel mit Fahrrädern, Nähmaschinen und Küchengeräten, Schallplatten, Grammophonen und Eisenwaren. Zwei Jahre hatte der Konditor Louis Mönninghoff das Grundstück von Max Neuschmidt, der zuletzt das gleichnamige Hotel in dem Gebäude betrieben hatte, erworben. Paul Mönninghoffs Bruder Louis betrieb bis in die 50er-Jahre hinein das Café Mönninghoff, auf der anderen Seite des Alten Markts gelegen.

Hans und Marianne Wiese mit Tochter Siegrid im Kinderwagen
Hans und Marianne Wiese mit Tochter Siegrid im Kinderwagen © Mönninghoff

Die 100 Jahre Firmengeschichte, die in diesem Jahr gefeiert werden, sind geprägt von Sortimentanpassungen, Besitzerwechseln, Umbauten und Geschäftsvergrößerungen und -verkleinerungen. Doch gehalten hat sich durch die teilweise turbulenten Zeiten der Hauptstandort, die Fahrräder als fester Bestandteil des Sortiments und ein gutes, kundenorientiertes, fast familiäres Betriebsklima.

Nach dem Krieg verzichtete man auf das musikalische Angebot und spezialisierte sich nach und nach auf Zweiräder, Spielwaren und Babyartikel. Und nach dem Tod von Paul Mönninghoff im Jahr 1962 führten Hermine und die Kinder Günter und Marianne mit ihren jeweiligen Ehepartnern Liselotte, die Günter geheiratet hatte, und Hans Wiese, der Marianne geheiratet hatte, das Geschäft weiter. Sie teilten sich die Geschäftszweige auf: Günter und Lieselotte Mönninghoff übernahmen den Bereich der Zweiräder, Spielwaren und Modelleisenbahnen, Marianne und Hans Wiese Kleinkindwaren, Möbel, Kinderwagen Kleidung für Mutter und Kind und Nähmaschinen.

„Mein Vater Günter und seine Schwester Marianne mussten gleich von Anfang an mit rein“, erzählt Tochter Jutta. „Es war völlig klar, dass sie ins mit Geschäft einsteigen.“ Auch für die damals 30-jährige Lieselotte, die eine kaufmännische Ausbildung absolviert hat, war es völlig klar, gemeinsam mit ihrem Mann Günter in das Geschäft einzusteigen. „Meine Schwiegermutter legte besonderen Wert darauf, dass immer jemand an der Kasse sitzt“, erinnert sich die heute 91-Jährige. „Mönninghoff war immer ein Familienbetrieb. Früher war das ein ganz einfacher Fahrradladen. Der Opa hatte Waschmaschinen und noch nicht so viele Fahrräder. Dafür hat mein Mann dann gesorgt. Und dann hat er sich auch noch darum bemüht, dass wir Spielwaren hatten. Ich war immer gerne im Geschäft.“

In den 80er-Jahren wurde der Laden aufwändig umgebaut. Teile wurden abgerissen und ein neuer Gebäudeteil samt Zugang von der Marktstraße her entstand. Vorher gab es dort lediglich einen Garagenhof.
In den 80er-Jahren wurde der Laden aufwändig umgebaut. Teile wurden abgerissen und ein neuer Gebäudeteil samt Zugang von der Marktstraße her entstand. Vorher gab es dort lediglich einen Garagenhof. © Mönninghoff
Günter Mönninghoff (rechts) vor dem neuen Eingang
Günter Mönninghoff (rechts) vor dem neuen Eingang © Günter Goldstein

„Die Mönninghoffs waren nett, freundlich und zuvorkommend“, erinnert sich der langjährige Mitarbeiter Volker Goldammer. Im Mai 1976 hatte er erst als Hilfsarbeiter, kurze Zeit später als Lehrling bei Günter und Lieselotte angefangen. „Von solchen Chefs hatte ich zuvor noch nie gehört“, erinnert er sich. „Zwei Tage nach meinem Vorstellungsgespräch hatte Günter Mönninghoff meine Eltern besucht, um zu schauen, wie ich wohne. Erst dann dürfte ich anfangen.“ Besonders gerne erinnert er sich auch, wie er zu besonderen Anlassen, zum Beispiel dem Geburtstag der alten Hermine Mönninghoff (verstorben 1991), in deren Wohnzimmer gebeten wurde. „Sie führten den Betrieb wie eine große Familie. Und Günter war manchmal schon sehr streng. Hart, aber gerecht, sag ich mal“, erinnert sich Goldammer, der zum 1. September dieses Jahres nach 47 Jahren im Betrieb in den Ruhestand gegangen ist.

Bis vor zwei Jahren hatte Lieselotte Mönninghoff noch die Wohnung über den Geschäftsräumen bewohnt. Doch nach zwei Oberschenkelhalsbrüchen zog sie vor zwei Jahren zu ihrer Tochter Jutta nach Bayern. Tochter Jutta, ein Einzelkind, wiederum konnte sich nie vorstellen, das Geschäft zu übernehmen. Direkt nach dem Abitur hatte sie Lünen verlassen und ist seit inzwischen 20 Jahren als Leiterin einer Augsburger Schule tätig. Als sich bei Günter und Lieselotte und auch bei Marianne und Hans Wiese der Ruhestand abzeichnete, stand Jutta also nicht zur Verfügung.

1993 übernahmen Siegrid Wiese das Babyhaus und Sylvia und Hans-Jürgen Willfroth das Fahrrad-Geschäft.
1993 übernahmen Siegrid Wiese das Babyhaus und Sylvia und Hans-Jürgen Willfroth das Fahrrad-Geschäft. © Mönninghoff

Zum Jahreswechsel 1991/92 begann Günter Mönninghoff seine Silvester-Rede an die Belegschaft mit den Worten: „Der bestehende Jahreswechsel wird für uns alle nicht so normal verlaufen wie bisher...“ Die Inventur müsse zeitnah abgewickelt werden, was Überstunden erfordere. Die eigentliche Nachricht war aber: Die „P. Mönninghoff & Co.“ wird nicht mehr wie bisher fortgeführt, sondern als zwei Tochtergesellschaften: Zweirad Mönninghoff und die Firma Babyhaus Mönninghoff. Das Zweiradgeschäft übernahm Hans-Jürgen Willfroth, den Babyladen übernahm Siegrid Wiese, die Tochter von Marianne und Hans Wiese.

Mit Siegrid, die im Haus an der Langen Straße aufgewachsen war, wurde die Familientradition fortgeführt. Hans-Jürgen Willfroth war ebenfalls kein Unbekannter: Er hatte 1968 im Alter von 14 Jahren als Lehrling im Laden angefangen. 1998 feierte Willfroth sein 50-jähriges Firmenjubiläum. Er übernahm das Geschäft, als das Fahrrad gerade einen Aufschwung erfuhr, sich vom Fortbewegungsmittel zum Freizeitgerät wandelte und die Leute bereit waren, hohe Preise dafür zu bezahlen. Der Zweirad-Markt boomte und Willfroth eröffnete weitere Geschäfte in Lüdinghausen und Gahmen - bis 2013 die Umsätze doch wieder zurückgingen. „Wir haben wirklich Glück gehabt“, erinnert er sich. Seine Frau Sylvia, die ihren erlernten Beruf als Friseurin mit Geschäftsübernahme aufgab, denkt gerne an die Zeit mit Lieselotte Mönninghoff zurück: „Sie hat mir die Buchhaltung beigebracht“, erinnert sie sich. „Wir haben wirklich große Hochachtung für sie.“

Maureen und Romuald Tichawski im neugestalteten Babyhaus
Maureen und Romuald Tichawski im neugestalteten Babyhaus © Kristina Gerstenmaier

Als bei Hans-Jürgen Willfroth vor einigen Jahren Parkinson festgestellt wurde, suchte er seinerseits einen Nachfolger. „Romuald Tichawski war mein bester Verkäufer. Er war immer ansprechbar und immer präsent“, erzählt er. Somit gaben die Willfroths Tichawski den Vorzug vor anderen Bewerbern.

Als schließlich Siegrid Wiese im Juni 2021 sehr plötzlich verstarb, entschloss sich der neue Inhaber, die Tradition fortzuführen und das Babyhaus mit zu übernehmen. E-Bikes und geleaste Job-Fahrräder sind die Verkaufsschlager der Stunde.

Zum Jahrhundert-Jubiläum gibt bis zum 30. September sowohl im Babyhaus als auch im Fahrradladen und im E-Bike-Center (Lange Straße 33, Bäckerstraße 22, Marktstraße 22) Rabattaktionen.

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