
Große Gefahr: Notfallpatienten zögern beim Griff zum Hörer - wegen Corona
Notrufnummer 112
In der Corona-Pandemie ist die Zahl der Notfallbehandlungen in Westfalen-Lippe merklich zurückgegangen. Wir erklären, wann man zum Hörer greifen muss - und welche Nummer wann die richtige ist.
Sie ist eine der beiden Telefonnummern, die wohl jedes Kind kennt: Die 112, die europäische Notrufnummer. Doch seit Ausbruch der Corona-Pandemie zeichnet sich ein besorgniserregender Trend ab: Immer weniger Menschen wählen die 112. Das kann mitunter fatale Folgen haben. Wir erklären, wann man als Patient zum Hörer greifen sollte und welche Nummer dann die richtige ist: Die 112 oder doch eher die 116 117?
Europäischer Tag des Notrufs am 11. Februar
In einer Pressemitteilung zum europäischen Tag des Notrufs (11. Februar) weist die Krankenkasse AOK darauf hin, dass in den beiden Corona-Jahren 2020 und 2021 „ein deutlicher Rückgang bei Notfallbehandlungen in ganz Westfalen-Lippe festgestellt“ worden sei. Demnach seien etwa zwischen Oktober 2020 und Januar 2021 - also in der zweiten Pandemiewelle - neun Prozent weniger stationäre Schlaganfall-Eingriffe verzeichnet worden. Bei Herzinfarkten betrug der Rückgang laut AOK acht Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
„Das gibt Anlass zur Sorge. Aus Angst, sich im Krankenhaus mit Covid-19 zu
infizieren, meiden die Menschen trotz typischer Symptome den Weg in die Klinik“, lautet die Schlussfolgerung der AOK.
Trend zeichnet sich auch in Lünen ab
Auch in Lünen zeichnet sich der Trend ab. Das St. Marien Hospital verzeichnet Rückgänge in den Notfallbehandlungen, wie die Pressesprecherin Paula Klein mitteilt. Die in der zentralen Notaufnahme registrierten Fälle liegen im Jahr 2021 zwölf Prozent unter den Aufnahmen aus dem Jahr 2019. Im Jahr 2020 war die Menge der behandelten Herzinfarkte im Vergleich zum Vorjahr um 28 Prozent zurückgegangen ist nun aber wieder auf Normalwert gestiegen.
Eine ähnliche Kurve zeichnet sich auch bei den notfallmäßigen Schlaganfallbehandlungen ab.
Als Auslöser sehen die Verantwortlichen des St. Marien Hospitals unterschiedliche Gründe. „Die Patienten hatten wegen eines vermeintlich höheren Infektionsrisikos Angst, ins Krankenhaus zu kommen. Bei milderen Symptomen, aber auch bei typsicheren deutlichen Symptomen haben Sie sich nicht behandeln lassen“, schreibt Paula Klein. „Außerdem kann es sein, dass die Patienten bewusst versucht haben die Krankenhäuser zu entlasten. Hinzu kommen Einschränkungen in den privaten Kontakten. Schlaganfallsymptome werden beispielsweise zuerst von den Angehörigen erkannt“, so die Pressesprecherin.
Die Klinik am Park teilte auf Anfrage dieser Redaktion mit, man habe in den vergangenen beiden Jahren keinen Rückgang bei der Zahl der Notfallbehandlungen beobachten können. „Allerdings haben wir festgestellt, dass Patienten, die als Notfälle zu uns kommen, oftmals kränker sind“, so Dr. Sandra Döpker, Leitende Ärztin der Notfallmedizin. Das deute darauf hin, dass Menschen während der aktuellen Pandemie länger zögerten, bevor sie den Notruf wählten.

Dr. Sandra Döpker (Mitte) ist die leitende Ärztin der Notfallmedizin der Klinik am Park in Lünen. © Archiv
Auch die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) äußert sich gegenüber der Redaktion zu der offenbar höheren Hemmschwelle durch Corona, zumindest lassen die Zahlen darauf schließen. Daniel Müller von der KVWL: „Wir haben in unseren Notfalldienstpraxen einen Rückgang feststellen können, im Vergleich 2019 zu 2020 sind die Fallzahlen um etwa ein Drittel zurückgegangenen.“
Die AOK appelliert deshalb an alle Patienten, Warnsignale ernst zu nehmen. Für den Laien ist allerdings oft schwer zu beurteilen, wann ein Menschenleben akut in Gefahr ist. Mögliche Symptome für einen Notruf können zum Beispiel sein:
- Plötzliche Brustschmerzen
- extreme Schwindel- und Schwächegefühle
- Gleichgewichtsstörungen mit Übelkeit und Erbrechen
- Taubheitsgefühle bis hin zu Lähmungserscheinungen
- plötzliche Sehstörungen
- plötzlich auftretende, bisher so nicht gekannte Kopfschmerzen
- eine unverständliche, gestörte Sprache
In diesen Fällen sollten Patienten und Angehörige nicht zögern und den Notruf - also die 112 - wählen. Das Gleiche gilt bei mittelschweren bis schweren Verletzungen, die durch einen Unfall im Haushalt oder Ähnliches entstanden sind und durch die sich Patienten nicht mehr aus eigener Kraft und verkehrssicher auf den Weg in die nächste Notaufnahme begeben können.
In dringenden Notfällen nicht die 116 117 wählen
Keinesfalls sollten Patienten in solch dringenden Fällen die 116 117 - also die Nummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes - wählen. Zwar sei das Fachpersonal am anderen Ende der Leitung laut Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) medizinisch geschult und könne die medizinische Dringlichkeit von Anrufen beurteilen und zur Not den Rettungsdienst verständigen. Doch geht hierbei im Zweifel wertvolle Zeit verloren.
Tanja Hinzmann, Sprecherin der KBV, stellt deshalb klar: „Die 116 117 muss man klar von der klassischen Notrufnummer 112 trennen.“ Als Faustregel gelte: Die 116 117 wählt man dann, wenn man akute Beschwerden hat, die noch am selben Tag behandelt werden müssen, mit denen man aber ganz normal zu einem Arzt in die Praxis gehen würde. Sind die Praxen zu, weil etwa Wochenende oder ein Feiertag ist, dann wird man über die 116 117 an den richtigen Bereitschaftsarzt vermittelt - rund um die Uhr.
2014 als Praktikant in der Sportredaktion erstmals für Lensing Media aufgelaufen – und als Redaktionsassistent Spielpraxis gesammelt. Im Oktober 2017 ablösefrei ins Volontariat gewechselt und im Anschluss als Stammspieler in die Mantel-Redaktion transferiert. 2021 dann das Comeback im Sport, bespielt hauptsächlich den Kreis Unna.
