
© Montage: Marcel Drawe
Gegen AfD-Boykott: Kandidaten werben für „Argumente statt Abwesenheit“
Landtagswahl 2022
14 Landtagskandidaten aus dem Kreis Unna haben sich auf einen Boykott im Umgang mit AfD- und Querdenker-Kandidaten verständigt. Doch es gibt auch Kandidaten, die bewusst nicht unterschrieben haben.
Sollte man als Demokrat mit Rechtsextremen auf offener Bühne reden und streiten – oder sollte man ihnen wegen ihrer mitunter rassistischen oder verschwörungsideologischen Positionen jedwede Bühne verweigern? An dieser Frage scheiden sich nicht erst seit gestern die Geister. Im Kreis Unna erhält das Reizthema aber vor der Landtagswahl plötzlich eine neue Brisanz, denn 14 Kandidatinnen und Kandidaten von Grünen, SPD, CDU, FDP, Linke und „Die Partei“ haben einen Boykott unterzeichnet. Sie erklären, sich nicht an Podiumsdiskussionen oder anderen Veranstaltungen zur Landtagswahl zu beteiligen, zu denen die Kandidaten der AfD oder der Querdenker-Bewegung „die Basis“ eingeladen werden.
Ministerin Ina Scharrenbach (CDU) und Ex-Minister Rainer Schmeltzer (SPD) sind die prominentesten Namen auf der Liste der Boykott-Unterzeichner. Am Mittwoch ergänzten das „Werner Bündnis gegen Rechts“ und die „BürgerInnen gegen Rechts Kamen/Bergkamen“ noch den Namen von Nancy Meyer, Kandidat der Partei Volt im Wahlkreis Unna I. Diesen habe man zunächst „aufgrund eines technischen Problems“ versäumt mitzuteilen.
Doch es gibt auch diverse Kandidaten, die nicht unterzeichnet haben. Einige von ihnen hat unsere Redaktion am Dienstagnachmittag angerufen. „Ich bin keiner, der den Einladenden vorschreibt, wen sie einzuladen haben, ich will denen nichts aufoktroyieren“, begründete Hartmut Ganzke (SPD), warum er der Boykott-Initiative nicht gefolgt ist.

Hartmut Ganzke (SPD): „Ich bin keiner, der den Einladenden vorschreibt, wen sie einzuladen haben.“ © Udo Hennes
Marcal Zilian, der Ganzke das Landtagsmandat im Wahlkreis Unna I streitig machen will, sprach von einer „persönlichen Entscheidung“. Das Bündnis gegen Rechts aus Werne und Kamen/Bergkamen habe sich an alle CDU-Kandidaten im Kreis Unna gewandt. Er finde das Engagement gut und respektiere die Meinung der Unterzeichnenden, sagte Zilian.

Marcal Zilian (CDU): „Ich bekämpfe die Feinde der Demokratie bei Demonstrationen genauso wie in der inhaltlichen Debatte.“ © CDU/Biesenbach
Er selbst aber vertritt eine andere Auffassung. „Ich bekämpfe die Feinde der Demokratie bei Demonstrationen genauso wie in der inhaltlichen Debatte. Dafür muss ich kein Dokument unterschreiben. Wenn ich zu einer Veranstaltung eingeladen werde, setze ich mich mit den Argumenten der anderen Kandidaten auseinander und stelle sie inhaltlich.“

Susanne Schneider (FDP): „Die sind nicht ein bisschen rechts, die sind stramm rechts.“ © FDP
Dies war lange auch die Einstellung von Susanne Schneider (FDP), doch die langjährige Landtagsabgeordnete überraschte am Dienstag mit der Aussage, ihr Name fehle nur deshalb unter der Boykott-Erklärung, weil sie an dem Abend verhindert gewesen sei, als das Bündnis gegen Rechts eingeladen hatte. „Mein Name könnte da aber auch stehen“, sagte die FDP-Kreisvorsitzende. Sie habe ihre Meinung in Bezug auf die AfD geändert. „Bei der letzten Wahl habe ich noch dafür geworben, ,komm, lasst sie uns stellen‘, aber heute weiß ich: Die sind nicht ein bisschen rechts, die sind stramm rechts“, so Schneider weiter.
Im Landtag würde die AfD Anträge stellen, in denen zum Beispiel stehe, dass Impfen gegen Corona eine staatlich verordnete Tötungsmaschinerie sei. „Das sind ganz üble Brandstifter und hat mit einer rechtsstaatlichen Partei nichts zu tun“, so Schneiders Fazit.

Silvia Gosewinkel (SPD): „Argumente und Meinungen lassen sich nur entkräften, wenn man ihnen entgegentritt.“ © Alexander Heine
Silvia Gosewinkel, die für die SPD im Wahlkreis Unna III – Hamm II antritt, vertritt unterdessen eine ganz ähnliche Position wie Marcal Zilian. Sie habe sich bewusst dazu entschieden, die Erklärung der Initiative BürgerInnen gegen Rechts zum Umgang mit den Parteien AfD und „die Basis“ nicht zu unterzeichnen. „Dies hat nichts damit zu tun, dass ich keine klare Grenze gegenüber verschwörungsideologischen, rassistischen, antisemitischen und anderen menschenfeindlichen Positionen ziehen möchte. Ich möchte dies jedoch nicht durch meine Abwesenheit erreichen, sondern mit Argumenten“, so Gosewinkel.
Ihr sei klar, „dass die Positionen der AfD undemokratisch, frauenverachtend und rassistisch sind. Ich möchte mir aber auch nicht die Möglichkeit nehmen lassen, dies öffentlich zu sagen und Position zu beziehen. Argumente und Meinungen lassen sich nur entkräften, wenn man ihnen entgegentritt“, so die SPD-Kandidatin aus Bönen.