Die Ursprünge des heutigen Lüner Caterpillar-Werks

Gründer war Industriepionier

Zuletzt machte die Lüner Firma Caterpillar damit Schlagzeilen, dass sie erneut Arbeitsplätze abbauen wolle. Doch wie sahen eigentlich die Ursprünge Caterpillars aus? Für uns hat Karl-Peter Ellerbrock, Direktor des Westfälischen Wirtschaftsarchivs Dortmund, einen historischen Rückblick gewagt.

LÜNEN/WETHMAR

von Karl-Peter Ellerbrock

, 14.01.2017, 05:58 Uhr / Lesedauer: 2 min

Die Unternehmen der Montanindustrie wurden in der Frühphase der Industrialisierung zumeist in der Rechtsform einer Gewerkschaft betrieben; ihre Unternehmer nannte man Gewerke. Im Bereich der Eisen- und Stahlindustrie besaß Lünen einen Entwicklungsvorsprung vor Dortmund. 15 Jahre, bevor die Familie Piepenstock 1841 in Hörde die Dortmunder Stahlindustrie begründete, hatte Caspar Diedrich Wehrenbold schon 1826 die „Raseneisenstein Zeche Westphalia“ gegründet, der drei Jahre später eine Eisenhütte angegliedert wurde.

Ein typischer "Gewerke"

Der 1795 geborene Wehrenbold war ein typischer „Gewerke“ seiner Zeit. Er entstammt einer alteingesessenen Lüner Honoratiorenfamilie, die in der Landwirtschaft, der Brauerei, Brennerei und Bäckerei tätig war.

Er hat seine ersten unternehmerischen Spuren in der Lippe-Schifffahrt hinterlassen, wo er zum Teilhaber der bekannten und bedeutenden „Schifffahrts- und Salztransportgesellschaft“ aufstieg. Seine Heirat mit Catharina Elisabeth von Born öffnete ihm die Tür zu einem umfangreichen Netzwerk bedeutender Unternehmer, die sich neben dem traditionellen Reedereigeschäft im Warenhandel, vor allem aber auch in der damaligen „New Economy“, also dem Bergbau und dem Hüttenwesen engagierten.

Modernste Hüttentechnologie kennengelernt

Wehrenbold, der als Freiwilliger an den Befreiungskriegen teilgenommen und auf dem Frankreichfeldzug 1814/15 in den wirtschaftlich fortschrittlichen Regionen rund um die Saar modernste Hüttentechnologie kennengelernt hatte, war der maßgebliche Initiator zur Gründung der Eisenhütte Westphalia, die er mit vier weiteren Gewerken aus diesem Netzwerk aufbaute.

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Wie viele andere Industriepioniere war auch Wehrenbold politisch aktiv, wurde Mitglied der Lüner Stadtverordnetenversammlung und des Kreistages. Im Mittelpunkt seiner Tätigkeiten standen Verkehrsfragen. Als „Lippeschifffahrts-Interessent“ wurde er zu den einschlägigen Beratungen der Behörden hinzugezogen und im November 1848 in eine Kommission gewählt, die die Münsteraner Provinzial-Regierung unterstützen und beraten sollte.

Eine Eisenbahn von Hörde nach Lünen

Er entwickelte die Idee einer Eisenbahn von Hörde nach Lünen, der 1836 sogar eine Konzession erteilt worden war; zehn Jahre bevor die Eisenbahn ins benachbarte Dortmund kam. Wer weiß, wie die Geschichte weiter gegangen wäre, wenn das Projekt nicht an Geldmangel gescheitert wäre.

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Das unternehmerische Schicksal der Eisenhütte Westphalia war eng mit dem Lüner Bergbau verknüpft, denn man profitierte von der zunehmenden Mechanisierung der Steinkohleförderung. Zu den traditionellen Produkten wie Kochgeschirren, Öfen, Säulen oder Gitter traten schon um 1850 Ventile und Pumpen für den Bergbau sowie später auch Förderhaspel.

Zulieferer für den Bergbau

Wehrenbold starb 1851, als die Eisenhütte Westphalia zwar schon in voller Blüte stand, der Durchbruch zur Großindustrie aber noch bevor stand. Seit 1908 baute man die bekannten Förderwagen-Reinigungsmaschinen, in den 1920er-Jahren kamen der Pressluftmotor, dann Förderbänder und der sogenannte Löbbe-Hobel hinzu. Unter dem Primat der nationalsozialistischen Rüstungswirtschaft richtete sich das Unternehmen schließlich fast völlig als Zulieferer für den Bergbau aus.

Zechenschließungen schon in den 1920er-Jahren und die Wirtschaftskrise von 1929 trafen das Unternehmen hart. Wie schwierig die soziale Lage in Lünen war, zeigt eine Sitzung der Lüner Stadtverordnetenversammlung vom 8. November 1932: „In der Stadt Lünen ist die Not auf das Höchste gestiegen. Von 45 297 Einwohnern werden 14 224 Personen öffentlich unterstützt … Die Wirtschaft liegt völlig darnieder. Soweit die Betriebe noch arbeiten, arbeitet die größte Zahl derselben ohne Ertrag. … Dringende Hilfe ist notwendig. Das hiesige Wirtschaftsgebiet muss zum Notstandsgebiet erklärt werden.“

Montanherrlichkeit erwachte nach Krise

Not und Elend bildeten den wirtschaftlichen und sozialen Nährboden für die nationalsozialistische Katastrophe. Die wirtschaftliche Scheinblüte des Dritten Reichs endete schließlich im völligen Zusammenbruch und im wirtschaftlichen Chaos der Nachkriegszeit, bevor im Zeichen von Wiederaufbau und Wirtschaftswunder auch in Lünen die alte Montanherrlichkeit wieder erwachte. Die spätere Krise im Bergbau traf Lünen mit seiner industriellen Monostruktur besonders hart.

Von der traditionsreichen Wehrenboldschen Eisenhütte ist als einziges Gebäude die heutige Kantine Westfalia von 1870 übrig geblieben, die seit 1990 unter Denkmalschutz steht. 

Die Zeit ab 1960: Neue Besitzer, neue Namen
Ab 1960 spezialisierte man sich auf Produkte für den Stollen- und Tunnelbau. 1991 fusionierte die Gewerkschaft Eisenhütte Westfalia mit der Firma Klöckner-Becorit aus Castrop-Rauxel zur Gesellschaft Westfalia Becorit Industrietechnik (WBI). 1995 schlossen sich die Bergbauzulieferer Halbach & Braun Maschinenfabrik, Hermann Hemscheidt Maschinenfabrik und Westfalia Becorit Industrietechnik zur Deutschen Bergbau Technik (DBT) zusammen. Die DBT war eine Tochter der Ruhrkohle AG. Im Mai 2007 übernahm das Unternehmen Bucyrus aus den USA die DBT. 2011 schließlich wurde Bucyrus von Caterpillar, dem größten Baumaschinenhersteller der Welt, gekauft. Zu den besten Zeiten der Westfalia, wie viele Lüner das Werk noch immer nennen, arbeiteten dort fast 4000 Menschen.

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