Die Sucht nach dem Handy: Wie werden wir die digitale Seuche wieder los?

© Udo Hennes

Die Sucht nach dem Handy: Wie werden wir die digitale Seuche wieder los?

rnKolumne Papatastisch

Man kann Kindern nicht die digitale Welt vorenthalten... oder doch? Nachdem wir viel Zeit und Geld in Handys und Co. gesteckt haben, frage ich mich inzwischen, wie wir diesen Kram wieder loswerden.

Unna

, 18.03.2022, 14:20 Uhr / Lesedauer: 2 min

Es gab einen Moment, da hätten wir es schaffen können. Wir hätten das Handythema von unseren Kindern abgewendet. Ich bin sicher, es hätte geklappt, aber der Moment ist lange vorbei und die Chance ist verstrichen. Jetzt hat uns die Seuche im Griff.

Unvorstellbar: Es drohte die soziale Ausgrenzung

Ich kann mich noch genau an den Moment erinnern. Unser Großer stand kurz vor dem großen Schritt in die fünfte Klasse. Irgendwie war er darauf gekommen, dass dann natürlich ein eigenes Handy her müsse. Seine Kumpels hatten dieselbe Idee, und so standen bei einer Feier einst ein paar Eltern zusammen und plauderten, was „sonst so“ los sei. Auch ein Handy für den Sohn? Was für eins? Wie teuer? Was für ein Vertrag? Das beschäftigte uns alle. Kurioserweise waren sich alle einig: Wirklich benötigt wurde ein Smartphone nicht. Die schwierigste Situation für unsere Sprösslinge in diesem neuen Lebensabschnitt könnte das Verpassen des Busses werden. Und aus dieser Notlage könnte sie immer eine freundliche Schulsekretärin mit ihrem Bürotelefon retten.

„Aber wenn alle ein Handy haben, wäre es ja auch doof, wenn unserer ohne dasteht.“ Dieses Argument war für uns alle ausschlaggebend. Es drohte die soziale Ausgrenzung – undenkbar! Einen Gedanken wollte ich noch zu Ende denken: Wenn keiner von den Jungs ein Handy hätte, stünde auch keiner doof da, oder? Doch dann ging das Gespräch mit irgendeinem „und noch“-Thema weiter. Verflogen war der Moment.

Smartphone-Glück pflanzt sich fort

Kind Nummer 1 erhielt sein erstes Handy und war glücklich. Das Glück pflanzte sich natürlich fort. Nach dem Grundschulabschluss haben inzwischen beide jüngeren Schwestern die begehrten Geräte bekommen. Und der letzte unserer Grundschul-Mohikaner weiß schon, dass er auch ein Handy haben wird demnächst.

Jugendliche spielen mit ihren Handys. Was dieses Symbolfoto zeigt, ist Alltag in allen Familien – und in vielen sicher auch ein Thema.

Jugendliche spielen mit ihren Handys. Was dieses Symbolfoto zeigt, ist Alltag in allen Familien – und in vielen sicher auch ein Thema. © picture alliance/dpa

Dieses Phänomen kennen bestimmt einige Eltern: Erstmal fahren wir die Digitaltechnik hoch, damit unsere Kinder ausreichend zu daddeln und zu kommunizieren haben. Dann bemühen wir uns wiederum verzweifelt, das alles wieder ‘runterzufahren.

Da gibt es tolle Eltern-Apps zur Kontrolle und Begleitung. Ich kann einstellen, wie lange welches Kind was genau an seinem Gerät machen kann. Die kleinen Nutzer müssen neue Spiele und andere Programme durch mich genehmigen lassen, sonst laufen die nicht auf dem Kinder-Endgerät. In meinem Smartphone, das – bisher – nur ich entsperren kann, liegt die Macht.

Die zweifelhafte Macht in meinen Händen

Eine Art Notschalter gibt es auch. Wenn jemand mal gar nicht zuhört, lege ich den Schalter um, und das Handy in Kindeshand wechselt von „smart, bunt flimmernd und bimmelnd“ zu „aus“. Dieser Eingriff kippt in dem Moment natürlich die Stimmung ein bisschen. „Ey, ich war mitten in der Runde...“, hören wir dann. Diesen Moment muss man nutzen, um sich mal ein bisschen zu unterhalten. Das funktioniert übrigens: Die Kinder verstehen eigentlich, was wir meinen, wenn wir etwa von der Nutzung von Zeit für Sinnvolles sprechen. „Es ist Gehirnstromverschwendung, was du da machst!“ Auch sowas höre ich mich manchmal sagen.

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Ich weiß aber auch, dass die Handys und die unzähligen Apps dafür gemacht sind, dass junge – und alte! – Menschen süchtig werden. Es bleibt also eine Daueraufgabe, sich damit auseinanderzusetzen. Wir müssen im Gespräch bleiben – und aufpassen: Eigentlich gibt es schönere und wichtigere Dinge, über die wir sprechen müssen.

Erwischt, Papa!

Manchmal ist es auch zum Schmunzeln. Die mobile Internetwelt hat uns Eltern ja auch voll im Griff. Eben was lesen. Eben eine Nachricht beantworten... „Papa! Wir sitzen am Tisch. Handy weg!“ Papatastisch, diese Kinder.

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Sie könnten sicher auch einige solcher Episoden schildern. Ich hätte auch noch mehr. Aber jetzt muss ich Schluss machen mit Schreiben. Mein Handy informiert mich über diverse App-Anfragen meiner Kinder, die ich abarbeiten muss. Das wird jetzt erstmal wieder ein bisschen dauern.

„Papatastisch“ ist ein Neu-Wort aus der Internet-Community. Es passt ganz gut zur Kolumne von Redakteur Thomas Raulf: Familie ist einfach toll, und ein „Papa“ schreibt darüber. Alle Schilderungen beruhen auf wahren Ereignissen, beim Schreiben fließt hier und da auch ‘mal satirische Würze ein. Lesen Sie gern ein Augenzwinkern mit.