Diagnose Demenz So unterstützt Rollstuhlfahrerin Katharina Meick (30) aus Lünen ihren Großvater

Opas Demenz lässt das enge Band zur Enkelin noch stärker werden
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Ein Herz und eine Seele - das sind Katharina Meick und ihr Opa Jürgen Plenge seitdem die junge Frau vor 30 Jahren auf die Welt kam. Das Band zwischen Enkelin und Großvater mag schon allein deshalb so eng geknüpft sein, weil die Lünerin mit einem körperlichen Handicap geboren wurde und seit Kindertagen auf den Rollstuhl angewiesen ist. Opa und Enkelin wurden unzertrennlich, auch weil der 50 Jahre Ältere die kleine Katharina tatkräftig unterstützte.

Das hat sich im Laufe der Jahrzehnte umgekehrt. Denn nun ist es der Opa, der nicht alleine zurecht kommt. Die Diagnose lautet Demenz, ein Schreckgespenst für viele Familien. So wie Partner und Kinder oft die Erkenntnis ausblenden, dass der Betroffene sich verändert, vieles vergisst - um ihn oder sich selbst zu schützen - so offen geht man in der Familie von Jürgen Plenge mit dessen Krankheit um.

Vielleicht war die medizinisch untermauerte Erkenntnis, dass er an Demenz erkrankt ist, auch deshalb für Katharina Meick kein so großer Schock, weil sie schon als Grundschülerin mit dem Thema in Berührung kam. „Meine Urgroßmutter, die Mama meines Opas, hatte Demenz und ich hab sie damals schon regelmäßig besucht.“ Später hatte sie dann beruflich mit alten Menschen zu tun, erlebte auch dabei die Folgen von Demenzerkrankungen. „Deshalb war ich gespannt, wie es mit meinem Opa wird, als wir die Diagnose bekamen.“

„Er wurde vergesslicher“

Seit November 2022 lebt Jürgen Plenge im AWO-Seniorenzentrum „Alte Gärtnerei“ in Brambauer und dort blüht er auf. Auch wenn er dementiell bedingt geistig instabiler wird. „Man merkt es manchmal an Kleinigkeiten. So hat er mir letztens erzählt, dass er gestern im Sauerland war, hat die Landschaft und die Berge beschrieben. Dabei wusste ich genau, dass er am Tag vorher im Heim war.“ Gedanklich versetzt die Krankheit den ausgebildeten Bankkaufmann wohl in die Zeiten von Dienstreisen oder Kundengesprächen im Sauerland.

Erste Verhaltensauffälligkeiten bemerkte die Familie vor vier Jahren: „Er wurde vergesslicher.“ Damals war er noch im Lüner Seniorenbeirat engagiert - und vergaß Termine oder stand zur falschen Zeit vor dem Büro der Lüner Koordinierungsstelle für Altenarbeit. Plenge lebte nach seiner Scheidung alleine in Brambauer, war aber immer ein sehr geselliger Mensch.

Im Angelsportverein (ASV) Brambauer traf er sich gerne mit Menschen, die sein Hobby teilen. Besonders lag ihm aber seine Familie am Herzen. Das hat sich auch nach der Diagnose nicht geändert. Im Gegenteil. „Wenn wir ihn besuchen, würde er immer am liebsten zu uns nach Waltrop mitkommen.“ In der Nachbarstadt fand Katharina Meick ein barrierefreies Zuhause.

Jürgen Plenge freut sich immer über Besuch, so wie hier von der früheren Vorsitzenden des Seniorenbeirats, Eleonore Köth-Feige.
Jürgen Plenge freut sich immer über Besuch, so wie hier von der früheren Vorsitzenden des Seniorenbeirats, Eleonore Köth-Feige. © Annette Goebel

Die Corona-Pandemie hat wohl entscheidend dazu beigetragen, dass die Demenz-Erkrankung bei Jürgen Plenge offensichtlich wurde. 2022 erkrankte er an der Virus-Infektion. „Er ist zusammengebrochen, hatte Fieber und Lungenprobleme, musste deshalb ins Krankenhaus“, erinnert sich die Enkelin. Im St.-Marien-Hospital lag der alte Herr zunächst auf der Intensivstation. Als er wieder zu sich kam, zeigte Plenge neurologisch-kognitive Auffälligkeiten. Ärzte und Pflegepersonal entschieden, dass es am besten wäre, ihn in der Geriatrie zu behandeln. Danach war klar: Die Diagnose lautete Demenz. Der 80-Jährige konnte nicht mehr alleine in seiner Wohnung bleiben.

Er war sein ganzes Leben lang beruflich und privat sehr korrekt und ordentlich. „Dementiell bedingt hat er nun alles gesammelt, überall lagen Papiere und wir haben bei der Wohnungsauflösung sogar Bücher in der Gefriertruhe gefunden.“ Seit dem Umzug ins Pflegeheim geht es ihm deutlich besser, vor allem auch, weil er nun wieder soziale Kontakte hat. Denn das Fehlen dieser Kontakte während der Pandemie hat offenbar die Demenzerkrankung gefördert. „Durch den Lockdown blieb er allein zuhause, wir konnten nur telefonieren. Opa vereinsamte. Der Seniorenbeirat konnte sich nicht treffen. Auch der ASV musste alle Aktivitäten einstellen. Das war für Opa ganz schlimm“, erinnert sich Katharina Meick.

Opa war ein treuer Begleiter

Denn soziale Kontakte sind für ihn wichtig, gehörten immer zu seinem Leben. So wie seine Enkelin. Als sie ein Kind war und wegen ihrer angeborenen Körperbehinderung eine Assistenz brauchte, aber nicht bekam, stand ihr Opa bereit: „Er hat immer gesagt, wir machen das Beste aus der Situation. Er war mein Assistent im Alltag, auch in der Schule.“ Er nahm Katharina mit zu Terminen, Opa und Enkelin halfen bei den damaligen Senioren- und Behinderten-Messen mit. „Er hat mich immer treu begleitet“, ist sie dankbar und auch froh, dass die enge Verbindung auch heute hält. Heute, wo der Opa Hilfe braucht.

Plenge sei aufgeblüht seitdem er in seinem neuen Zuhause lebt. „Er sitzt gerne im Garten, liebt es dort mal eine Flasche Bier zu trinken. Er war immer schon hilfsbereit und zuvorkommend, kümmert sich deshalb auch gerne um andere Bewohner, denen es schlechter geht.“ Und er hat auch eine neue Partnerin in der „Alten Gärtnerei“ gefunden. Zur Freude seiner Enkelin und ihrer Eltern.

Die Entscheidung, dass Plenge ein neues Zuhause im Heim findet, „war kein Abschiebebahnhof, im Gegenteil. Er fühlt sich dort viel wohler als in seiner Wohnung alleine.“ Und nimmt auch gerne an den Angeboten teil, an Gedächtnistraining oder Zeitungsrunde. Vor allem freut er sich über Besuche - von früheren ASV-Vereinskollegen, von Eleonore Köth-Feige, der früheren Seniorenbeirats-Vorsitzenden und natürlich seiner Enkelin.

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