Auch für das zweite Lüner Kohlekraftwerk tickt jetzt die Uhr

© Trianel

Auch für das zweite Lüner Kohlekraftwerk tickt jetzt die Uhr

rnTrianel im Stummhafen

Ursprünglich sollte das Lüner Trianel-Kraftwerk mindestens 40 Jahre am Netz bleiben. Nach den jüngsten Empfehlungen der Kohle-Kommission dürfte das Ende wesentlich schneller kommen.

Lünen

, 30.01.2019, 17:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Erst vor wenigen Wochen, zum 31. Dezember 2018, hat die Steag ihr Lüner Kraftwerk an der Moltkestraße für immer vom Netz genommen. Jetzt hat die Kohle-Kommission das Ende der Kohleverstromung in Deutschland bis spätestens 2038 empfohlen. Sollte der Gesetzgeber den Vorschlägen der Kommission folgen, bedeutet das: Auch das Trianel-Kraftwerk im Stummhafen wird stillgelegt. Lange, bevor es seine geplante Laufzeit erreicht.

Das Lüner Steag-Kraftwerk, hier ein Blick ins Maschinenhaus, wurde Ende 2018 stillgelegt.

Das Lüner Steag-Kraftwerk, hier ein Blick ins Maschinenhaus, wurde Ende 2018 stillgelegt. © Günther Goldstein

Auf eine Betriebszeit von 40 Jahren sei die 750-Megawatt-Anlage ausgelegt, erklärte Trianel-Sprecher Maik Hünefeld auf Anfrage. Ende 2013 ging das Kraftwerk im Regelbetrieb ans Netz - und hätte somit eigentlich bis etwa 2053 Strom produzieren können. Falls die Kohleverstromung aber tatsächlich 2038 ausläuft, käme das Kraftwerk auf eine Betriebszeit von nur 25 Jahren. Wenn es denn dann zu den Anlagen zählt, die zuletzt vom Netz gehen. Einiges spricht dafür, denn beim Bau pries Trianel das Kraftwerk stets als das effizienteste in Europa an. „Unser Kraftwerk wird eines der letzten sein, die in Deutschland noch stehen“, hatte der damalige Trianel-Kommunikationschef Elmar Thyen bei einem Pressetermin im März 2016 erklärt. Er ging schon damals von einer Stilllegung vor der üblichen Betriebszeit aus.

Keine Aussagen der Kommission zu Lünen

Konkrete Aussagen zum Trianel-Kraftwerk gibt es laut Unternehmenssprecher Hünefeld in den aktuellen Empfehlungen der Kommission nicht. Grundsätzlich begrüße Trianel aber, „dass sich die Kohle-Kommission auf einen Ausstiegspfad und ein Ausstiegsdatum für die Kohleverstromung verständigen konnte.“ Das sei für die Investitionsplanung der Energiewirtschaft äußerst wichtig. Trianel hätte sich aber aus energie- und klimapolitischer Sicht „einen konsequenteren Ausstiegspfad Braunkohle vor Steinkohle“ gewünscht, so Hünefeld.

Rechtsstreit und rote Zahlen

Nach der Investition von circa 1,4 Milliarden Euro hat das Lüner Kraftwerk seinen derzeit 28 Gesellschaftern und dem Unternehmen Trianel bisher nicht viel Freude gemacht. Ein Rechtsstreit um die Genehmigung ist am Bundesverwaltungsgericht anhängig. Vor allem aber produzieren die schwarzen Kohlen neben Strom auch rote Zahlen. Es war von Millionen-Verlusten in dreistelliger Höhe die Rede, die die Gesellschafter pro Jahr schultern müssten.

Stadtwerke halten 1,58 Prozent

Die Stadtwerke Lünen halten eine Beteiligung in Höhe von 1,58 Prozent an der Kraftwerksgesellschaft. Auf Fragen nach der Wirtschaftlichkeit verweist Stadtwerke-Sprecherin Jasmin Teuteberg an Trianel. Dort hält man sich, was konkrete Zahlen betrifft, bedeckt. Unternehmenssprecher Maik Hünefeld erklärt: „Die Situation hat sich seit der Inbetriebnahme des Kraftwerks nicht signifikant verändert. Das aktuelle Marktumfeld für hocheffiziente Kraftwerke ist nach wie vor angespannt und setzt die kommunalen Betreiber weiterhin unter Druck. Ein wirtschaftlicher Betrieb moderner, emissionsarmer Steinkohlekraftwerke wie in Lünen ist auf Vollkostenbasis derzeit nicht realisierbar.“

Zeitplan der Kohle-Kommission hilft

Jasmin Teuteberg betont, die Stadtwerke bezögen „einen Großteil“ ihrer Energie schon jetzt aus erneuerbaren Energien und nennt Beispiele wie Windparks, Photovoltaikanlagen oder die Biogasanlage. Sie verweist auf den vom Unternehmen veröffentlichten Energieträgermix. Dennoch seien fossile Energieträger „derzeit noch ein wichtiger Pfeiler, um die Versorgungssicherheit in Deutschland zu gewährleisten“. Der festgelegte Zeitplan der Kohle-Kommission helfe der Energiewirtschaft, ihre Investitionsplanung auf die Ziele der Bundesregierung abzustimmen. Zuviele Details seien noch ungeklärt, um den Fahrplan der Kommission und die energiepolitischen und betriebswirtschaftlichen Konsequenzen zu bewerten, erklären Trianel und Stadtwerke.

100 Arbeitsplätze im Kraftwerk

Im Lüner Kraftwerk arbeiten laut Trianel rund 100 Menschen. Davon sind aber nur 10 Trianel-Angestellte. 20 arbeiten in der Kohle-Aufbereitung für die Firma Microca, 70 sind Beschäftigte der Steag. Die Steag mit Sitz in Essen fährt das Kraftwerk im Auftrag von Trianel. Der aktuelle Vertrag läuft nach Trianel-Angaben bis 2026. Steag will sich auf Anfrage nicht zum Themenkomplex Kohle-Ausstieg äußern und verweist auf Trianel.

Landrat ergreift Initiative

Derweil macht sich Landrat Michael Makiolla (SPD) Gedanken über die Zeit nach der Kohle. Wie man die Kraftwerksstandorte im Kreisgebiet nach ihrem Auslaufen nutzen könne, das machte er auf der Bürgermeisterkonferenz zum Thema, die am Mittwoch (30. Januar) tagte. Dies auch mit Blick darauf, dass im Zusammenhang mit dem Kohle-Ausstieg von Strukturhilfen bisher fast nur für die Braunkohle-Reviere die Rede war.

Wie der Kreis Unna mitteilte hat Makiolla mit den Spitzen der Städte Bergkamen, Lünen und Werne das weitere Agieren gegenüber der Landesregierung verabredet. So werde ein gemeinsames Schreiben an Ministerpräsident Armin Laschet formuliert. „Darin soll die Lage vor Ort geschildert, die Erwartung finanzieller Hilfen unterstrichen und eine Einladung an Ministerpräsident Laschet in den Kreis Unna zu einem Kraftwerks-Dialog ausgesprochen werden“, so der Kreis.

„Eine neuerliche Herausforderung“

„Wir haben nach dem Rückzug des Steinkohlebergbaus erfolgreich den Strukturwandel eingeleitet. Das Abschalten der Kraftwerke stellt uns vor eine neuerliche wirtschaftliche und soziale Herausforderung, denn wir müssen erneut den Wegfall von Arbeitsplätzen und damit von regionaler Wirtschaftskraft abfedern“, so die vier Kommunalspitzen laut Pressemitteilung. Für Lünen nahm Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns (GFL) an der Konferenz teil.

Landrat Makiolla machte gleichzeitig deutlich: „Wir sind auf den Ausstieg vorbereitet. Wir wollen die Standorte der Steinkohlekraftwerke aufbereiten und soweit wie möglich als Gewerbeflächen vermarkten. Dafür brauchen wir aber den Schulterschluss mit Bund und Land, verbindliche Zeitfenster, also Planungssicherheit und eine angemessene Finanzausstattung.“

Auch im Kontakt mit dem Regionalverband

Deshalb steht der Kreis auch im engen Kontakt mit der Regionalverband Ruhr (RVR). Konkret geht es darum, die Nachnutzung der Kraftwerksflächen im Regionalplan Ruhr festzuschreiben. Laut RVR sind die Flächen des schon abgeschalteten Steag-Kraftwerks in Lünen und der Kraftwerksstandort Bergkamen-Heil bereits als sogenannte interkommunale Kooperationsflächen für eine Folgenutzung eingeplant.

Ein Bild aus der Zeit, als das Steag-Kraftwerk noch in Betrieb war. Circa 43 Hektar ist die Industriefläche groß.

Ein Bild aus der Zeit, als das Steag-Kraftwerk noch in Betrieb war. Circa 43 Hektar ist die Industriefläche groß. © Günther Goldstein

Mittelfristig könne der Kohleausstieg nach Überzeugung von Landrat Michael Makiolla und der Vertreter der Kraftwerks-Städte Bergkamen, Lünen und Werne ein weiterer Baustein im gelingenden Strukturwandel werden: „Die Umnutzung und Bereitstellung der Flächen behebt den Mangel an Gewerbeflächen in unserer Region. Sie wird damit konkurrenzfähiger, denn wir bekommen den dringend gesuchten Platz für Unternehmenserweiterungen, für Neuansiedlungen und damit für neue Arbeitsplätze.“