Immer mehr Wechsel: Warum gehen so viele Sportler nach Dortmund?

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Immer mehr Wechsel: Warum gehen so viele Sportler nach Dortmund?

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Immer mehr Sportler und Athleten wechseln nach Dortmund. Gute Athleten geben Sportvereine nur ungern ab, doch hinter solchen Wechseln steckt mehr als nur ein anderer Vereinsname auf dem Trikot.

Olfen, Dortmund

, 21.11.2020, 06:00 Uhr / Lesedauer: 5 min

Seit fast sieben Jahren hat Bernhard Bußmann beim SuS Olfen keine Talente mehr an andere große Leichtathletikvereine in der Umgebung abgeben müssen. In der Wechselfrist in diesem Jahr waren es mit Marie Gövert und Luca-Lynn Faßbender jedoch gleich zwei vielversprechende Mittelstreckenläuferinnen, die ab 2021 für die LG Olympia Dortmund starten werden.

Die neue Trainingsgruppe, die von Christoph Neuhaus und Lars Schelp gecoacht wird, konnte die beiden Athletinnen bereits in den Herbstferien bei einem Trainingslager auf Usedom kennenlernen.

Mit dem Wechsel haben die Läuferinnen einen Schritt gewagt, der ihnen noch bessere Möglichkeiten bietet, ihr Leistungspotenzial auszuschöpfen. Denn die LGO hat mit ihren fast 2000 Mitgliedern andere Rahmenbedingungen als der SuS Olfen. Außerdem setzt man vor Ort im Nachwuchs und bei den Aktiven den Hauptfokus auf Leistungs- und Hochleistungssport, erklärt Pierre Ayadi, Trainer und stellvertretender Vorsitzender bei der LG Olympia Dortmund.

Infrastruktur in Dortmund sticht heraus

Und das mit Erfolg: Im kommenden Jahr wird es aller voraussichtlich 19 Bundes- und neun Landeskaderathleten bei der LGO geben. Einige von ihnen haben sich zudem schon sehr erfolgreich auf der internationalen Bühne präsentiert. So stark war der Verein aber nicht immer, weiß Ayadi.

Eine Veränderung sollte das 2012 gegründete Gremium der sportlichen Leitung bringen. Über mehrere Jahre sei man dann immer weiter gewachsen. Vor Ort sticht besonders die gute Infrastruktur heraus. Dazu gehören beispielsweise die Helmut-Körnig-Halle, die zu den funktionalsten Leichtathletikhallen Europas gehört und zudem Bundesstützpunkt und Landesleistungszentrum ist.

Direkt in der Nähe befindet sich außerdem das 2015 gegründete Sportinternat. Hinzu kommt noch eine vertikale Trainerstruktur, bei der fünf bis sechs Trainer für einen Disziplinbereich über alle Altersbereiche zuständig sind. „Mit diesen ganzen Rahmenbedingungen können wir den Athleten die Möglichkeit bieten, professionell zu trainieren“, erklärt Pierre Ayadi.

Direkt angeworben hat die LG Olympia Dortmund die beiden 16-jährigen Talente aus Olfen nicht. Grundsätzlich ziehe man auch nicht in der Gegend herum und schaue nach potenziellen guten Leuten, so Ayadi. „In der Regel machen die Sportler oder ihre Trainer den ersten Schritt.“ Auch im Fall von Marie Gövert und Luca-Lynn Faßbender. Bernhard Bußmann - in den 90er Jahren selbst bei der LGO angestellt - nahm Kontakt nach Dortmund auf und forcierte den Wechsel.

Diese Entscheidung liegt vor allem in den verschiedenen Möglichkeiten der zwei Vereine begründet. „Bis zu einem bestimmten Level können wir Talente entwickeln und dann sind auch wir eingeschränkt. Somit sehe ich uns in der Verpflichtung, dass wir Athleten, die weiterkommen wollen, die Chance eröffnen, woanders hinzugehen“, erklärt Bußmann.

Geld im Verein muss am Ende stimmen

Eine dieser Grenzen sieht der SuS-Trainer beispielsweise beim Personal. Denn kleinere Vereine hätten oft ehrenamtliche Trainer, die durch ihren Beruf nicht die Zeit haben, Talente fünf bis sechs Mal die Woche zu coachen. Große Vereine sind durch hauptberufliches Personal wie Pierre Ayadi, der als Stützpunktrainer beim Landessportbund NRW angestellt ist, im Vorteil.

Hinzu kommt auch das Finanzielle. Teilnahmen bei Deutschen Meisterschaften sind mit Kosten verbunden, die ein Athlet nicht immer über Jahre hinweg allein tragen kann. Pierre Ayadi nennt mit Trainingslagern, die für gute Leichtathleten oftmals zwei bis vier Mal im Jahr anstehen, ein weiteres Beispiel. „Es soll am Ende nicht daran liegen, dass sich die Sportler das nicht leisten können, sondern dass man als Verein die Möglichkeiten hat, so etwas zu bezahlen.“

Bußmann hat in seiner Zeit als Trainer schon einige Talente abgegeben müssen. Zwar will sich der Olfener in solchen Momenten nicht an seine Athleten klammern, doch es tue schon weh, sie ziehen zu lassen. „Man hat sie über Jahre hinweg aufgebaut und eine persönliche Beziehung zu ihnen gehabt.“ Auf der anderen Seite sieht Bußmann dann aber das Sportliche im Vordergrund. Trotz alledem könnten Vereine durch viele Wechsel von guten Athleten auch ausbluten. Doch die Schuld immer bei großen Klubs zu suchen, findet Bußmann falsch.

Entscheidung für Wechsel sind vielseitig

Wenn sich der Vorsitzende des Leichtathletik-Ausschusses des FLVW nämlich die Liste derjenigen anschaut, die jedes Jahr in oder Richtung Westfalen wechseln, gebe es auch viele, die sich für kleinere Vereine entscheiden. „Wir haben eine Athletin, die vom TV Wattenscheid nach Waltrop gewechselt ist. Oder Senioren, die von Schwerte nach Kirchlinde gehen.“

Solche Entscheidungen hätten oftmals mit einer bestimmten Gruppe vor Ort, einer Staffel, bei der mitgelaufen werden kann, zu tun. Oder es gehe darum, dorthin zurückzukehren, wo man groß geworden ist.

Ein wenig anders sehe die Situation aber bei jungen Athleten wie Marie Gövert und Luca-Lynn Faßbender aus, die sich sportlich noch weiter entwickeln wollen, so Bußmann. Beide waren in ihren Trainingsgruppen eher Einzelkämpferinnen, die Besten auf der Mittelstrecke beim SuS Olfen in ihrem Alter. Gövert ist außerdem bereits im dritten Jahr in Folge in den D-Landeskader aufgenommen worden. Dabei werden Athleten der Jahrgänge 2003 bis 2006 aufgenommen, die die hohen Normen in den jeweiligen Disziplinen erfüllt haben und bei den Landes- und Deutschen Meisterschaften eine vordere Platzierung erreicht haben.

Marie Gövert (grünes Trikot) schaffte es bei den diesjährigen Deutschen Jugendmeisterschaft über die 1500 Meter bis ins Finale und am Ende auf Platz 12.

Marie Gövert (grünes Trikot) schaffte es bei den diesjährigen Deutschen Jugendmeisterschaft über die 1500 Meter bis ins Finale und am Ende auf Platz 12. © Wolfgang Birkenstock

Diese Ausgangslage war für ihren jahrelangen Trainer auch ein Grund, sie nun neue Wege gehen zu lassen. „In der Leichtathletik als Individualsportart will man nicht immer nur zu zweit trainieren. Ihnen fehlten einfach gleichwertige Trainingspartnerinnen.“ Gerade über gute Gruppenstrukturen würden sich Athleten weiterentwickeln. Eine Dynamik, die Pierre Ayadi nicht unbedingt als Konkurrenzdruck, sondern eher als Unterstützung und Motivation bezeichnet. „Wenn ich 20 Kilometer Dauerlauf vor mir habe, dann ist es schon angenehmer, dass mit fünf Leuten zu machen und nicht allein.“

Auch Mittelstreckenläuferin Ida Lefering hat sich in diesem Jahr aus ähnlichen Gründen wie die Olfenerinnen für die LG Olympia Dortmund entschieden. Sie ist bis Ende 2017 beim TV Werne und ab 2018 bei der LG Coesfeld gestartet. Besonders die Fördermöglichkeiten, der Fokus auf den Leistungssport sowie die Infrastruktur vor Ort waren am Ende ausschlaggebend für die Entscheidung der 16-Jährigen.

Auch die Trainingsmethoden in Dortmund hätten Lefering, die sich auf die 1500 Meter spezialisiert, gezeigt, dass sie nun an einem Bundes- und Landeszentrum trainiert. Man merke, dass sich die Trainer ständig weiterbilden und der Umfang der Einheiten ganz anders seien.

Nach Abgängen wieder neue Talente suchen

Durch den Weggang von guten Athleten sieht Bußmann aber auch eine Gefahr. „Wenn einen ständig Athleten verlassen, kann es unter Umständen sein, dass eine ganze Disziplin wegbricht und Trainern dann die Motivation fehlt.“ Aufgrund der Wechsel von Gövert und Faßbender sei beispielsweise die Mittelstrecke beim SuS Olfen sehr weit zurückgefallen. Für Bußmann ist in solchen Situationen dann wichtig, den „Kopf nicht in den Sand zu stecken“, sondern weiterzumachen und wieder Athleten ranzuholen.

„Wir fokussieren uns dann darauf, was im eigenen Verein in den jüngeren Altersklassen möglich ist. Wenn wir da merken, dass Athleten gefördert werden können, versucht man sich im Training intensiver zu kümmern“, erklärt der SuS-Trainer.

Marie Gövert und Luca-Lynn Faßbender trainieren schon lange zusammen in einer Gruppe. In Dortmund haben sie sich im neuen Team bereits gut eingefunden.

Marie Gövert und Luca-Lynn Faßbender trainieren schon lange zusammen in einer Gruppe. In Dortmund haben sie sich im neuen Team bereits gut eingefunden. © SuS Olfen

Bei der LG Olympia Dortmund hat man für Jugendförderung 2012 zusätzlich ein internes Talentteam gegründet. Neben den Einheiten in den neun Stammvereinen der LGO gibt es dann noch eine Art Kader-Training, bei der besondere Talente gefördert werden. So versucht man, gute Leichtathleten bereits in jungen Jahren zu erkennen. Denn das Hochleistungsalter sei immer früher, so Ayadi. „Es herrscht noch oft die Meinung vor, dass die Athleten erst ganz breit ausgebildet werden müssen und im kleinen Verein bleiben sollen, bis sie 20 sind. Dann erst Leistungssport zu machen, ist aber viel zu spät“, erklärt Pierre Ayadi.

Eine Chance, gute Athleten in eher kleineren Vereinen zu halten, sieht Bußmann in selten angebotenen Disziplinen, wie beispielsweise Gehen oder dem Hammerwurf. Denn selbst die großen Klubs wie der LGO Dortmund oder dem TV Wattenscheid könnten nicht die ganze Bandbreite der Leichtathletik abdecken. Man brauche das entsprechende Trainerpotenzial, engagierte Leute und vor allem auch die Möglichkeiten vor Ort.

Besondere Disziplinen können eine Chance sein

In Olfen gebe es beispielsweise einen extra Wurfplatz nur für die Hammerwerfer, Rahmenbedingungen, die selbst große Vereine nicht vorzeigen könnten. „Kein Athlet würde da auf die Idee kommen zu wechseln, denn in dieser Disziplin gibt es nur drei, vier Nester in Westfalen“, erklärt Bußmann.

Ein anderes Beispiel sei die LG Lippe Süd, ein Zusammenschluss von vier Vereinen im Nordosten von NRW. Der Verein hat vor allem im Stabhochsprung einige internationale Talente, wie etwa Lilli Schnitzerling (U20-Vize-Europameisterin) oder Desiree Singh (U18-Weltmeisterin) in den eigenen Reihen groß gemacht. „Damit können dann auch kleine Vereine richtig groß rauskommen“, so Bußmann.

Auch wenn die beiden Mittelstreckenläuferinnen bald für die LG Olympia Dortmund starten werden, ihrem alten Verein bleiben sie trotzdem verbunden. Denn Bernhard Bußmann wird die beiden weiterhin in Absprache mit den neuen Trainern unterstützen - eine Ausnahme auf Wunsch der Athletinnen, betont der SuS-Trainer.

Wie weit genau Marie Gövert und Luca-Lynn Faßbender es bei der LGO schaffen, kann Bußmann aktuell schwer einschätzen. Von einer deutlichen Leistungssteigerung in allen Disziplinen geht er aber definitiv aus. Denn auch vom Kopf her stimme bei den beiden alles. „Die Mädels haben die richtige Einstellung, und auch die Motivation, um sportlich weiterzukommen.“

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