Weltstar springt am Wochenende in Dortmund Malaika Mihambo im Exklusiv-Interview

Weltstar springt am Wochenende in Dortmund: Malaika Mihambo im Exklusiv-Interview
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Man kann mit Malaika Mihambo wunderbar über Weitsprung plaudern, übers schnelle Anlaufen, das richtige Abspringen, das erhebende Gefühl des Fliegens. Die 29-Jährige sammelt in der Sandgrube Titel und Auszeichnungen wie Kinder Bonbons beim Karnevalsumzug: Olympiasiegerin 2022, zweifache Weltmeisterin 2019 und 2022, Europameisterin, vielfache Deutsche Meisterin, drei Mal Deutschlands Sportlerin des Jahres und und und. Doch die Gedanken der Heidelbergerin enden nicht bei ihrer Bestweite von 7.30 Meter, wie im Exklusiv-Interview mehr als deutlich wurde.

Die meisten von uns kennen Weitsprung aus dem Schulsport und auch das Problem, nach langem Anlauf den Balken richtig zu treffen. Haben Sie ein paar geheime Tipps für uns?

(lacht) So ein Sprung besteht aus vielen Komponenten. Wenn die alle gut sind, kann es weit gehen: so schnell wie möglich anlaufen, der Anlauf sollte stabil sein. Ganz wichtig sind die letzten drei Schritte vor dem Sprung: kurzer, dann langer, dann kurzer Schritt, und dann kommt schon der Absprung. Den muss man tatsächlich üben, damit die Geschwindigkeit nicht verloren geht. Dann lange fliegen, hochsteigen, mit den Füßen weit vorne im Sand landen und mit dem Po nachrutschen. Das Nachrutschten fehlt bei vielen Schülern.

Okay, das klingt komplex. Sie machen es in Ihren Wettkämpfen ja auch oft sehr spannend und fahren Siege manchmal mit dem allerletzten Sprung ein, sodass Ihnen „Nerven wie Drahtseile“ attestiert wurden. Woher kommt Ihre unglaubliche Nervenstärke?

Manchen liegt es von Natur aus besser. Man muss aber sehr viel üben, denn Übung macht tatsächlich den Meister. Drucksituationen gibt es immer wieder, da muss sich jeder seinen eigenen Weg suchen. Mir zum Beispiel hilft die Meditation, um mich zu konzentrieren und zu fokussieren, um im Hier und Jetzt zu sein. Aber Meditation braucht auch tiefe Selbstreflexion, dass man sich selbst kennenlernt, sich mit sich auseinandersetzt, seine Ängste wahrnimmt und zulässt und einen neuen Zugang findet zu Dingen, die einem Angst machen.

Arbeiten Sie dafür mit einem Sportpsychologen zusammen?

Ja, aber auch mit anderen Coaches. Ich arbeite aber auch viel selbstständig daran, neue Perspektiven zu entwickeln, in bestimmten Situationen immer noch mal neu draufzuschauen. Wenn man das lernt, kann man besser mit Druck umgehen und mentale Stärke entwickeln.

Sie sind DAS Aushängeschild der deutschen Leichtathletik, ist das im Mittelpunkt stehen anstrengend oder eher anspornend?

Anstrengend ist es nicht, ich versuche immer mein Bestes zu geben, unabhängig davon, wie es wahrgenommen wird. Für mich ist es schön, meine Sportart in die Welt zu tragen, Menschen anzuregen, selbst Sport zu machen oder sie auf andere Weise zu inspirieren. Es macht mich glücklich zu sehen, dass mein Handeln positiven Einfluss auf andere Menschen hat. Von daher freue ich mich über die Rolle des Aushängeschildes.

Sie sind viel unterwegs, setzen sich immer neuen Wettkämpfen aus. Wie schalten Sie am besten ab?

Ach, das gelingt mal besser, mal schlechter. Ich will mich da nicht in ein Korsett pressen und schaue deshalb, wie ich mich selbst unterstützen und mir Gutes tun kann. In einer Phase brauche ich Meditation, in einer anderen Selbstreflexion, mal brauche ich Struktur und einen Plan, mal etwas anderes. Es geht darum, sich selbst immer neu kennenzulernen und sich so anzunehmen, wie man gerade ist. So kann man besser abschalten, weil man sich nicht selbst unter Druck setzt.

Belohnen Sie sich auch mal für Ihre Erfolge, und wie sieht die Belohnung dann aus?

Sich mal einen Tag frei nehmen, die Seele baumeln lassen, die Füße hochlegen, einfach mal nichts tun oder einen schönen Abend mit Freunden oder der Familie verbringen. Einfach Zeit zu haben für Menschen, die ich gern habe. Ich denke bei Belohnung an nichts Materielles, es können Kleinigkeiten sein.

Haben Sie ein Beispiel?

(überlegt und lacht): Ja, nach dem WM-Titel in Eugene (USA) im vergangenen Jahr habe ich mir eine Donauwelle gebacken, da ich total Lust auf Süßes hatte.

Der Kopf spielt im Sport eine große Rolle, wie wichtig ist es Ihnen, den Kopf auch außerhalb der Sandgrube zu beschäftigen? Sie stecken im Masters-Studium der Umweltwissenschaften...

Das ist mir sehr wichtig, ich brauche das einfach. Nur der Sport allein würde mich unglücklich machen. Ich wäre wie eine Pflanze, die eingeht, wenn ich den Kopf nicht fordere, denn ich lerne gerne Dinge, ich bin neugierig und weltoffen. Das Studium ist anspruchsvoll, es kombiniert Natur- und Ingenieurwissenschaften mit Geisteswissenschaften, es geht darum, mit verschiedenen Brillen auf die Welt zu gucken und dafür zu sorgen, dass Mensch und Umwelt in Einklang miteinander sind. Mir macht es einfach Spaß, mein Wissen kontinuierlich zu erweitern.

Dann schauen Sie sicher auch mit anderen Augen auf eine deutsche Olympia-Bewerbung, die gerade wieder diskutiert wird, oder?

Die Olympischen Spiele im eigenen Land zu haben, ist immer etwas Besonderes und Schönes. Es gibt für mich über die Veranstaltung an sich aber viele Faktoren, die auch passen müssen. Zum einen natürlich die Nachhaltigkeit. Bei meinen ersten Spielen in Rio 2016 konnte ich sehen, wie politisch Olympia ist. Da gab es Zwangsumsiedlungen von armen Menschen aus den Favelas, was für viele Leid bedeutet hat. Oder nicht nachhaltige Infrastruktur von Sportstätten, die keine Nachnutzung haben. Bei aller Freude, mir einen sportlichen Traum erfüllt zu haben – diese Dinge konnte ich nicht ausblenden. Deshalb war es für mich alles in allem ein bittersüßes Ereignis.

Die letzten Anläufe, Olympia nach Deutschland zu holen, sind am Unwillen der Bevölkerung gescheitert. Ist die Zeit jetzt reif?

Es ist absolut wichtig, die Menschen hinter der Bewerbung zu vereinen, es gibt viele Sportinteressierte in unserem Land. Viel wichtiger wäre es aber, die Olympische Charta in den Vordergrund zu stellen, die Werte, die gelebt werden sollen wie Fairplay, Toleranz, interkultureller Austausch. Es ist eine Notwendigkeit, dass diese Werte von allen gelebt werden. Wenn man aktuell die Presse in Deutschland verfolgt, gibt es inzwischen sehr viele Situationen, in denen das nicht der Fall ist.

Malaika Mihambo
Malaika Mihambo will am Wochenende ihren sechsten Hallen-Titel in Serie gewinnen. © AFP

Die nächsten Spiele sind 2024 in Paris, also in Europa. Was erwarten Sie in der Hinsicht?

Zunächst einmal hat Paris die nachhaltigsten Spiele aller Zeiten versprochen, das freut mich erst mal. Es ist ein Land mit Meinungs- und Pressefreiheit, in dem die Menschenrechte eingehalten werden. In Frankreich gibt es mehr interkulturellen Austausch als in Deutschland. Es sind aber auch dort noch nicht alle Konflikte der Kolonialzeit geklärt. Migration bedeutet, Integration von und für alle Beteiligten zu erreichen, also von der heimischen Bevölkerung wie von Emigrierten, und da gibt es auch bei den Franzosen noch wunde Punkte in der Gesellschaft. Grundsätzlich schaue ich mit Vorfreude auf die Spiele 2024..

Bis dahin ist es wichtig, gesund zu bleiben. Bei der EM in München 2022 sind Sie mit den Nachwirkungen einer Corona-Erkrankung noch zu Silber gesprungen. Ist alles inzwischen überstanden?

Ja, das hoffe ich doch. Ich denke eigentlich von Woche zu Woche, von Wettkampf zu Wettkampf und versuche dort immer, das Beste zu machen. Nach den deutschen Hallen-Meisterschaften in Dortmund (18./19.02.) überlege ich mit meinem Trainer Ulli Knapp, ob es Sinn macht, bei der Hallen-EM im März in Istanbul zu starten.

Eine andere Frage zum Schluss: Mit wem würden Sie gern einmal zu Abend essen, es kann eine historische, aber auch eine lebende Person sein ...

(lacht) Das ist eine knifflige Frage, es gibt so viele interessante Menschen, mit denen ich mich gern austauschen würde. Da ist es schwierig, eine Person herauszupicken.

Okay, Mehrfachnennungen sind möglich.

Ich musste grade spontan an Buddha denken, einen Menschen mit großer Erleuchtung. Das könnte ein gutes Gespräch werden.

Malaika Mihambo startet am 18./19. Februar bei den Deutschen Hallenmeisterschaften in der Dortmunder Helmut-Körnighalle und könnte dort ihren sechsten Titel in Serie unter dem Hallendach holen.

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