Beim MSV Dortmund peilt man den nächsten Aufstieg an.

Beim MSV Dortmund peilt man den nächsten Aufstieg an. © Folty

Klub mit marokkanischen Wurzeln will aber keine in der B-Liga schlagen

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Was haben ein bekanntes Kinderlied und ein junger Dortmunder Fußballverein gemeinsam? Ganz einfach! Da kommt jemand aus Marokko. Im Lied ist es die Tante, auf die sich alle freuen.

Dortmund

, 21.10.2022, 14:00 Uhr / Lesedauer: 4 min

In der Kreisliga B ist es eine Mannschaft, auf die sich die reihenweise unterlegenen Gegner eher weniger freuen.

Tatsächlich gibt es Parallelen zwischen der marokkanischen Tante und dem Marokkanischen Sport-Verein (MSV Dortmund). Heutzutage pädagogisch und politisch grenzwertig, sangen wir Kinder der Siebziger und Achtziger: „Und sie schießt aus zwei Pistolen, wenn sie kommt, piff, paff!“ Gerne verschaffen wir Abhilfe und dichten es politisch und inhaltlich korrekt auf die Spieler um: „Und sie schießen mit zwei Füßen, wenn sie kommen, Tor, Tor! Dann boten die Sänger des Ur-Textes, wahrscheinlich unwissend, wieviel Arbeit das sein kann, an: „Und dann schrubben wir die Bude, wenn sie kommt, schrupp, schrupp!“ Wieder ein Angebot: „Und dann machen sie ne Bude, wenn sie kommen, Tor, Tor!“

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Noureddien El Yahyaoui (38) ist eher der gutmütige Onkel aus Marokko, der weiß, dass beide Strophen ziemlich zutreffend wären. Übrigens ist El Yahyaoui in Scharnhorst aufgewachsen. 109 Tore im Aufstiegsjahr, jetzt nach zehn Spieltagen in der höheren B-Liga schon wieder 41. Der Spielertrainer des Nordstadt-Klubs ist selbst maßgeblich beteiligt an den Torquoten, die den Verein mit seinen marokkanischen Wurzeln zu einem ganz großen Kandidaten auf den nächsten Aufstieg machen.

Vom direkten Verfolger absetzen

Am Sonntag könnte sich der MSV mit einem Sieg beim direkten Verfolger Dortmunder Löwen 2 absetzen. „Das ist natürlich unser Ziel“, bekräftigt El Yahyaoui. „Stopp, stopp“, könnte ein weiteres Vers-Ende des MSV-Liedes sein. Denn der erfahrene Torjäger, der die Liste der C6 mit 26 Toren anführte und jetzt sieben Treffer beisteuerte, erklärt, dass das Toreschießen längst nicht mehr so einfach ist wie im Vorjahr. „Die Ergebnisse sind deutlich knapper, wir hatten sogar zwei ärgerliche Unentschieden“, berichtet El Yahyaoui. „Gegen meinen alten Verein FV Scharnhorst haben wir jetzt auch zwar verdient, aber nur 2:1 gewonnen. Und gegen die Löwen fehlt uns Karim Bouzerda wegen der fünften Gelben Karte. So einfach ist das nicht mehr.“

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Der MSV ist auch nicht mehr das Nonplusultra in Sachen Toreschießen in der Liga, aber das sei gar nicht mehr das vorrangige Ziel. „Wir mussten auf Grund der stärkeren Gegner, aber auch der Weiterentwicklung unseres Spiels den Fokus mehr auf die Abwehrarbeit legen.“ Und aus der Torfabrik ist tatsächlich ein Verteidigungsverbund geworden. Mit nur acht Gegentreffern ist der MSV hinter dem Torverhältnis-Doppelpunkt einsame spitze. Die vielen gelben Karten für den langjährigen Spitzenstürmer der Stadt, Karim Bouzerda, zeugen laut Coach übrigens auch davon, dass alle in die Defensivarbeit eingebunden sind, was in der Vorsaison nicht notwendig gewesen sei.

Lerneffekt innerhalb der Mannschaft

El Yahyaoui nennt neben dem Lerneffekt innerhalb der Mannschaft einen weiteren logischen Grund dafür, dass die Räder ineinander greifen: „In der C-Liga hatten wir teilweise wochenlang spielfrei wegen diverser Rückzüge. Manchmal wussten wir erst kurz vor Anpfiff, ob unser Gegner überhaupt antritt. Das ist jetzt anders. Wir finden das aber gut so. Denn wenn wir in der B-Liga oben stehen, ist das zunächst mal eine sehr guter Leistung.“

Der MSV Dortmund hat marokkanische Wurzeln.

Der MSV Dortmund hat marokkanische Wurzeln. © Folty

Wo soll das noch hinführen? Diese in diesem Zusammenhang ganz positive Frage bringt eine weitere mit sich, die für die Entwicklung der Mannschaft ganz elementar sein wird: Wächst der Verein mit? Denn oft war es in der Vergangenheit so, dass junge Vereine nur ein paar Sommer tanzten. Wenn nun die Mannschaft aus Marokko kommt, die sich im Übrigen weder alleine aus Menschen des nordafrikanischen Landes zusammensetzt noch nur Personen dieses Ursprungs ansprechen möchte, stellt sich die Frage, wen sie auf ihrem Ritt durch die Ligen mitnehmen und was für länger bestehen bleiben könnte.

Unbedingt eine Jugend aufbauen

Gedanken, die sich die Crew um den im Dortmunder Fußball sehr verwurzelten El Yahyaoui von Anfang an gemacht hatte. „Wir wollen unbedingt eine Jugend als Fundament des Vereins für hoffentlich mehrere Seniorenmannschaften, ziehen das aber anders auf“, verrät der MSV-Planer, -Spieler und -Trainer. „Es könnte durchaus logisch sein, mit Kindern in den unteren Altersklassen anzufangen und die im Verein wachsen lassen, so dass hinter ihnen weitere Kinder und Jugendliche die dann jüngeren Mannschaften füllen. Wir aber fangen jetzt mit A-Junioren an und versuchen es, von oben nach unten.“

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Klingt in der Tat nach einem nachdenkenswerten Ansatz. „Wir haben viele ältere Jugendliche, die sofort Lust auf unseren Klub haben. Das sind übrigens – wie in unserem Team - Marokkaner und Fußballer vieler Nationalitäten, so bunt wie die Nordstadt oder meine Heimat Scharnhorst eben ist. Das sind Jungs, die den Fußball lieben, aber auch unsere vielfältige Gemeinschaft.“

Soziale Verantwortung war immer wichtig

Der MSV öffnet sich bewusst allen Erwachsenen und Kindern der Umgebung. „Wir essen öfter zusammen, waren sogar auch gemeinsam schwimmen. Wir haben uns damals nicht gegründet, um ein paar alternden Fußballern eine Plattform zu bieten, nach unserer Lust und Laune einfach zu kicken. Von Anfang an war uns eine soziale Verantwortung wichtig.“

Das Modell mit dem engen Kontakt zum Seniorenteam lockt noch in erster Linie ältere Jugendliche an, was im großen Ganzen ein wenig überraschen mag. „Gerade B- und A-Junioren haben viele andere Sachen im Kopf. Die Spielzeiten morgens früh sind auch nicht jedermanns Sache. Aber wer bei uns spielt, nimmt das alles in Kauf.“

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Der 2002 gegründete Verein möchte in den unbestritten schönen, aber für Vereine ohne eigenes Gelände eher anonymen Hoesch-Park menschliche Wärme bringen. Die kommt alleine durch viele verbindende Erfolge fast von selbst. El Yahyaoui und Co. planen jetzt, da der Oberbau und die mit 25 Spielern bestückte A-Jugend florieren, nach und nach untere Jahrgänge ansprechen. „Wir selbst sind ja schon in einem Alter, in dem wir eigene Kinder haben und diese begeistern können. Und in der Nachbarschaft kicken so viele fußballbegeisterte Kinder auf den Straßen, den Höfen und Bolzplätzen. Die nehmen wir gerne auf.“

Der MSV ist wirklich im Kommen

In der letzten Strophe des Kinderliedes steht in der Urform: „Und es kommt ein Telegramm, dass sie doch kommt. Juchhe!“ Was ein Telegramm war, dürfte der Generation, die der MSV für sich gewinnen möchte, eher heute nicht geläufig sein. Um zu wissen, dass der MSV im Kommen ist, benötigt aber auch keiner mehr ein Telegramm, geschweige denn eine SMS oder WhatsApp, wie es in der modernen Fassung des Liedes heißt.

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Denn Tabellen lesen können sie sehr gut. Und wenn vorne und hinten weiterhin alles passt, singen Jung und Alt im Hoesch-Park ganz andere Lieder. Wieder ein Vorschlag: „Campeones, Campeones!“ Das ist zwar Spanisch, kennt aber mittlerweile jeder Verein. Und El Yahyaoui und seine MSV-Kollegen müssen gar nichts mehr erklären und dürfen dann mal doch der Verein sein, der den Fußball einfach so lebt und genießt.