Beim FC Brünninghausen herrscht große Trauer.

Beim FC Brünninghausen herrscht große Trauer. © Foltynowicz

Jugendspieler stirbt: Fußballer helfen – Experte spricht von Zerstörung, die fassungslos macht

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Tod eines Fußballers aus Dortmund: Dr. Andreas Marlovits – der die betroffenen Bundesligisten nach dem Tod von Malanda und Robert Enke betreute – appelliert in den Ruhr Nachrichten an Eltern und Trainer.

Dortmund, Westfalen

, 21.06.2022, 18:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Ein Fall, der schockiert und nicht nur bei den Betroffenen selbst für Entsetzen sorgt: Der FC Brünninghausen vermeldete den tragischen Badeunfalltod eines U19-Spielers via Facebook und Instagram. Im Klub versuchen sie nun irgendwie, die Antwort auf die Frage nach dem richtigen Umgang mit der Trauer zu finden.

Die Ruhr Nachrichten sprachen mit Dr. Andreas Marlovits, der als Sportpsychologe sonst Bundesligavereine betreut. Er rät vor allem eins: professionelle Unterstützung für die Mitspieler.

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Westfalenligist FC Brünninghausen startet Spendenaktion

Ein erster Versuch, mit der Trauer umzugehen: Die Familie des verunglückten Fußballers soll irgendwie unterstützt werden. Dafür startete Philipp Sprenger bereits einen Spendenaufruf. Als wir ihn am Dienstagmittag (21. Juni) erreichen, macht der FC-Jugendleiter sofort deutlich, dass das Geschehene nur schwer in Worte zu fassen sei.

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„Es ist vielleicht die einzig positive Nachricht in diesen Tagen, dass sich viele aus der gesamten Dortmunder Fußballcommunity schon beteiligt haben“, so Sprenger, der noch ergänzt: „Wir wissen ja noch gar nicht, wie das jetzt abläuft, aber wenn es möglich ist, wollen die Spieler auch zur Beerdigung. Irgendwie etwas dazu beitragen, den Abschied so erträglich wie eben möglich zu machen.“

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Sportpsychologe: „Trauerprozess muss geformt und geleitet werden“

Auf so eine schreckliche Situation richtig zu reagieren und vorbereitet zu sein: so gut wie unmöglich. Das weiß auch Dr. Andreas Marlovits. Der Sportpsychologe betreute unteranderem die Bundesliga-Mannschaften von Hannover 96 und dem VfL Wolfsburg nach schweren Schicksalsschlägen.

„Für die betroffene Mannschaft, die von jetzt auf gleich in Trauer verwickelt wird, ist es natürlich ein Schock. In der Regel wird es im Fußball-Kontext noch dramatischer, wenn so ein junges Leben geht. Da ist Lebendigkeit und Vitalität normalerweise das vorherrschende Bild. Der Tod ist nun das Gegenteil, nämlich Zerstörung, die fassungslos macht“, erklärt Dr. Marlovits.

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Nun sei die wichtige Frage, wie die U19-Mannschaft des FC Brünninghausen, die Fassung dennoch wahren kann. Der Sportpsychologe beantwortet sie selbst.

„Durch die Familie als Stütze lässt sich das auffangen. Aus der Erfahrung heraus wäre es aber auch sinnvoll, wenn es auch professionelle Unterstützung gibt. Der Trauerprozess muss geformt und geleitet werden. Das bedeutet, dass seine Mitspieler beim FC Brünninghausen Ansprechpartner bekommen“, betont Andreas Marlovits.

Dr. Andreas Marlovits: „Der Tod ist nun das Gegenteil, nämlich Zerstörung, die fassungslos macht“

Dr. Andreas Marlovits: „Der Tod ist nun das Gegenteil, nämlich Zerstörung, die fassungslos macht“ © Privat

Neben den professionellen Möglichkeiten und der Unterstützung durch die Eltern sollte zudem der Trainerstab eine bedeutende Rolle einnehmen, meint der Sportpsychologe. Eine Atmosphäre „in der auch einfach mal geweint werden könne“, sei wichtig.

Ansonsten warnt Dr. Marlovits: „Wenn das alles nicht passiert und man die Trauer mit sich herumschleppt, kann das auf Dauer zu schwerwiegenden Entwicklungen führen.“

Erfahrung von Dr. Marlovits beim VfL Wolfsburg und Hannover 96 machen Betroffenen Hoffnung

Dass der Psychologe weiß, wovon er spricht, zeigt seine große Erfahrung im Profi-Geschäft. „Ich habe die Mannschaft vom VfL Wolfsburg nach dem Tod von Junior Malanda 2015 begleitet. Damals wurde vom Verein schnell reagiert und erkannt, wie wichtig eine Unterstützung in der Bewältigung der Trauer ist. Immerhin musste die Mannschaft wenige Tage nach dem tragischen Ereignis ja Fußball auf höchstem Niveau spielen – im Auftaktspiel der Rückrunde ging es gegen Bayern München mit ihrem Erfolgstrainer Pep Guardiola. Das Team aus Wolfsburg hat das Spiel dann 4:1 gewonnen“, erinnert sich Marlovits.

Ein paar Jahre zuvor, im Jahr 2009, sorgte der Suizid von Robert Enke bei dessen Mannschaftskollegen von Hannover 96 für Entsetzen. „Ein Suizid ist da nochmals dramatischer in der Bearbeitung, weil dieses Ereignis noch fassungsloser macht“, ordnet der Psychologe ein.

Hannover 96 gewann nach dem Freitod Enkes zunächst kein Spiel mehr. Nach der Sieglos-Serie setzte der Bundesligist auf Unterstützung durch Marlovits – mit professioneller Unterstützung gelang es damals, den Abstieg zu verhindern.

Im Fall des verunglückten Dortmunder Jugendspielers macht er allen Beteiligten daher auch die Hoffnung: „Aus einer Bewältigung der Trauer kann Großes entstehen.“

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