„Geistesgestörter“ Stürmer führt nach vier Kreuzbandrissen die Torjägerliste an

© Stephan Schuetze

„Geistesgestörter“ Stürmer führt nach vier Kreuzbandrissen die Torjägerliste an

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Dass er „geistesgestört“ sei, schreibt sich der Bezirksliga-Stürmer übrigens selbst zu. Nach vier Kreuzbandrissen grüßt der Fußballer aktuell von der Spitze der Torjägerliste.

Dortmund

, 07.10.2020, 18:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Er spielte Oberliga, sah sich in Zweikämpfen als „verrückt“ oder gar „geistesgestört“, beendete wegen vier Kreuzbandrissen seine Karriere, meldete sich mit einem „Muskelkater des Grauens“ in einem Alte-Herren-Team zurück und ist aktuell Führender der Torjägerliste der Bezirksliga 9. Eine bewegte Karriere eines meinungsstarken Spielers läuft – trotz aller Widrigkeiten – bemerkenswerterweise auf hohem Niveau weiter. „Ganz oder gar nicht“, machte er sich zur Lebens-Überschrift.

Aaron Vasiliou heißt der freundliche Herr, beruflich in der Gastronomie in einem stylishen Steakhaus im Einsatz. Da serviert er zwar gutes Essen, erscheint dennoch oft hungrig im Mengeder Volksgarten – und zwar hungrig nach Toren. Im Restaurant verpflegt er Gäste, im Trikot von Mengede 08/20 sorgt er für sich selbst.

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Vasiliou ist heute mit sich im Reinen

Sowohl im Steakhaus als auch in Mengede ist der Teller voll. Der Weg an die Spitze der Torjägerliste war voller Hindernisse, er war aber auch der Weg eines jungen Mannes, der sich nie unterkriegen ließ und seinen damaligen Hürden heute mit Humor begegnet.

"Durchziehen ist besser als zurückziehen", sagt Aaron Vasiliou.

"Durchziehen ist besser als zurückziehen", sagt Aaron Vasiliou. © Archiv

Wer so seine gar nicht mal einfache sportliche Vergangenheit aufarbeitet, dürfte mit sich im Reinen sein. Und das ist Aaron Vasiliou heute im Alter von 29 Jahren.

Seine einst hoffnungsvolle Karriere führte den damals – logischerweise – noch jüngeren Angreifer zu verschiedenen Oberligisten: die Spielvereinigungen Erkenschwick und Hamm oder Westfalia Rhynern. Dort musste er immer wieder Rückschläge erleiden, stand aber immer wieder auf.

Viermal reißt das Kreuzband

Vor ziemlich genau zehn Jahren zitierte die Erkenschwicker Homepage Magnus Niemöller, den damaligen U19-Coach.
Beim Spitzenreiter vom Stimberg wird es vor allem darauf ankommen, wie der Ausfall von Aaron Vasiliou (20 Saisontore) kompensiert werden kann, der nach seinem Kreuzbandriss für mindestens sechs Monate ausfallen wird. Ohne Aaron Vasiliou wären wir nicht da, wo wir jetzt stehen. Das ganze Offensivspiel wurde von ihm mitgestaltet und gelenkt und war auf ihn zugeschnitten. Ein Spieler alleine kann ihn wohl nicht ersetzen. Den Ausfall müssen wir gemeinsam auffangen. Am Sonntag spielen wir auch für Aaron Vasiliou.“

Seine eingangs von ihm selbst ziemlich deutlich in Worte gefasste Aggressivität machte ihn zu einem der gefährlichsten Angreifer der Liga. „Ich ließ mich damals kaum bremsen“, sagt er. Aber: Drei weitere Kreuzbandrisse folgten.

Einer, der immer wollte, wollte dann plötzlich nicht mehr. Der vierte Kreuzbandriss war der eine zu viel. „Es gibt ja andere Dinge im Leben als Fußball. Familie, Gesundheit und Job gehen vor.“ Also beendete der Torjäger seine Karriere. „Zwei Jahre machte ich gar nichts.“ Doch der Gastronom hatte seine Rechnung ohne den Wirt gemacht.

„Durchziehen ist besser als zurückziehen“

Und der Karriere-Wirt war sein Vater Panagiotis. Er brachte Sohn Aaron den Alten Herren der Sportfreunde Nette und dem erwähnten Horror-Muskelkater nach der langen Pause näher. Schnell merkte er, dass sein altes Credo „Ganz oder gar nicht“ in ihm wieder durchbrach. Er landete im Winter 2018/2019 bei Mengede 08/20, wo sein Vater, ein ehemaliger Spieler, auch noch heute ein gern gesehener Gast ist.

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Und da Vasiliou Junior weder halbe Steaks noch im Sport halbe Sachen mag, legte er sich wieder ins Zeug. „Ich habe Respekt vor meinem Körper, spüre aber keine Angst. Wer Angst hat, verletzt sich noch schwerer.“ Vasiliou klingt vielleicht nicht verrückt, aber schon ziemlich mutig, wenn er ein weiteres Credo nennt: „Durchziehen ist besser als zurückziehen.“

Die Gegner bekommen es allerdings nur noch dosiert zu spüren: „So geistesgestört gehe ich da nicht mehr rein. Wenn es geht, meide ich harte Kontakte.“ Wenn er hungrig (nach Toren) ist, wird er aber bestimmt nicht zur Diva, sondern geht einfach zielstrebig in Richtung gegnerisches Gehäuse.

Schnell fand er auch in Rot-Gelb seine Torlaune wieder. In dieser Saison ist er mit sechs Treffern bester Schütze der Liga. Besonders heiß läuft der wieder intakte Motor in Derbys: Drei Treffer glückten ihm zum Saisonstart gegen Westfalia Huckarde beim 5:2, zweimal schlug er jetzt bei RW Germania zu. Das Spiel endete 3:1 für Mengede. Das 1:0 beim 3:0 gegen Union Lüdinghausen soll hier nicht unterschlagen werden.

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Vasiliou hat großen Anteil an der Serie von Mengede

Fest steht: Hätte 08/20 nur die leistungsstarken namhaften Rückkehrer wie Robin Dieckmann, Christof Tielker, René Kuck und Dennis Schultze-Adler, wäre das Team jetzt nicht Tabellendritter. „Nach der einzigen Niederlage in Eichlinghofen haben wir mit drei Siegen wieder eine schöne Serie gestartet“, sagt der Torjäger.

„Ein festes Ziel setze ich weder mir persönlich noch der Mannschaft. Klar, meine Tore sind gut für mein Selbstvertrauen, entscheidend ist jedoch das Team. Aber wir dürfen unsere Serie gerne fortsetzen.“

Eine Serie, die sie eben auch ihm verdanken. So sieht es ebenfalls Thomas Gerner: „Als Trainer kann ich mich sehr glücklich schätzen, einen solchen Typen in meinem Team zu haben. Er ist immer positiv, bewegt sich am Limit. Aaron geht auch ein paar Schritte mehr, obwohl sein Körper eigentlich wegen verpasster Trainingseinheiten nein sagt.“

Das Training verpasst er öfter, weil die Gastronomie nicht immer fußballerfreundliche Arbeitszeiten serviert. So lange aber Vasiliou die Mengeder Tafel mit Toren anreichert, nimmt ihm keiner das Fehlen übel. Sie wären ja verrückt, täten sie dies.

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