Überhöhter Schmerzmittel-Konsum ist im Amateursport ein großes Problem, das fand eine Umfrage von Correctiv und ARD bereits 2020 heraus. Ein Dortmunder Trainer hat nun darüber berichtet.
Schmerzmittel gehören zum Amateursport wie das Pils nach dem Training, das weiß auch ein Dortmunder Handball-Trainer. Er habe während seiner aktiven Karriere regelmäßig zur Ibuprofen vor Spielen gegriffen, um schmerzfrei auflaufen zu können. Doch zu häufiger Schmerzmittelgebrauch kann durchaus mehr schaden als nutzen.
Vom häufigen Gebrauch von Schmerzmitteln kann der Dortmunder Handballer Florian Edeling ein Lied singen. Zur kommenden Saison übernimmt er die Verbandsliga-Handballer des ATV Dorstfeld als Trainer, zu seiner aktiven Zeit gab es Phasen, da ging ohne eine Ibuprofen 800 gar nichts.
Vorweg möchte er sagen, dass er die Tabletten nicht „wie Drops geschluckt“ habe, das betont er ausdrücklich. „Es war nicht so, dass ich vor jedem Spiel Schmerzmittel zu mir genommen habe.“ Regelmäßigen Konsum vor Spielen kann und möchte der Handball-Trainer aber nicht abstreiten, so offen möchte er sein.
Erschreckende Ergebnisse einer Umfrage
Damit ist Edeling nicht alleine: 1142 Amateursportler hatten sich an einer 2020 veröffentlichten CrowdNewsroom-Befragung des gemeinnützigen Recherchezentrums Correctiv und der ARD-Dopingredaktion zum Thema Schmerzmittel beteiligt, die Ergebnisse waren erschreckend. 80 Prozent gaben an, im Verlauf ihrer Karriere Schmerzmittel geschluckt zu haben. Dass sie es mehrmals pro Saison täten, gab mehr als ein Drittel an.
Fast 42 Prozent der Antworten bezogen sich nicht nur darauf, dass sie Schmerzen lindern wollten. Eine höhere Belastbarkeit und Leistungssteigerung waren Ziele, die sich die Spieler von der Einnahme der Schmerzmittel versprachen. Sie wollten den Kopf frei haben, Sicherheit gewinnen.

Florian Edeling trainiert ab der kommenden Saison die Handballer des ATV Dorstfeld. © Peter Ludewig
So eine Phase habe es bei Edeling auch mal gegeben: „Ich möchte nicht abstreiten, dass ich die Mittel in Phasen auch mal einfach für den Kopf genommen habe“. Auch für ihn sei es dann um Sicherheit gegangen. Zu häufiger Schmerzmittelgebrauch kann aber abhängig machen, das wisse er. Edeling habe, je älter er wurde, gemerkt, dass „man dann einfach auch mal wegbleibt und keine Tablette zu sich nimmt“, erzählt er.
Wenn ihn mal ein Wehwehchen plagte oder ein wichtiges Spiel anstand, habe er aber ohne zu zucken zur Ibu 800 gegriffen, um den Schmerz für die paar Stunden zu betäuben, sagt Florian Edeling.
Der Handballer leidet an Multipler Sklerose, einer chronisch entzündlichen, nicht ansteckenden Erkrankung des zentralen Nervensystems. Dagegen bekommt er alle zwei Wochen eine Spritze, an diesem Tag muss er gegen die Nebenwirkungen drei Ibu 800er nehmen. Deswegen haben bei ihm irgendwann die kleinen Tabletten wie Ibuprofen 400 oder Paracetamol nicht mehr geholfen, um Schmerzen am Rücken oder an der Hüfte zu betäuben.
Bei den meisten Menschen sei es so, erklärt er, dass sie morgens zur Schmerztablette greifen, wenn sie Kopfschmerzen haben. „Bei mir war es ähnlich.“ Nur ging es darum, dass er vor dem Sport in gewissen Bereichen am Körper Schmerzen hatte, die es zu lindern galt.
Einmal habe er es übertrieben
Sportler, die ebenfalls vorm Training oder Spielen Schmerzmittel nehmen, kann der Handball-Trainer verstehen. Denn im Grunde wolle jeder von ihnen seinem Hobby nachgehen, und mit Schmerzen werde das schwierig. „Wenn man eine Prellung hat, kann man grundsätzlich damit spielen, auch wenn mir jeder Medizinier für diese Aussage den Kopf abreißen dürfte.“ Prellungen täten halt nur sehr weh, und um diesen Schmerz zu betäuben, greift man dann schnell zur Schmerztablette, besonders wenn ein wichtiges Spiel ansteht.
Einmal habe er es aber übertrieben. „Ich hatte mir eine Ibu 800 reingeschmissen vor dem Spiel“, sagt er. Und weil er das Gefühl hatte, dass diese nicht sofort wirkt, gab es eine 400er direkt hinterher. Umgekippt sei er in der Halle nicht, „aber ich habe gemerkt, dass ich sehr, sehr müde und träge wurde“, sagt Edeling.
Bei übermäßigem Konsum können Schmerzmittel durchaus gefährlich sein. Magen-, Herz- und Nierenschäden sind nur einige Nebenwirkungen, die von zu häufigem Gebrauch oder zu hohen Dosierungen der Mittel ausgehen. Amateursportler schrieben von „Abhängigkeit“, von „Blut im Stuhl“, „chronischen Entzündungen“ oder „Darmbluten“.
Auch die Gefahr, dass sich Verletzungen verschlimmern, weil Amateursportler wegen ihnen nicht zum Arzt gehen, besteht. In einem bei Correctiv veröffentlichten Text wird mit Jörg Wertenbruch ein Orthopäde und Unfallchirurg aus Wanne-Eickel zitiert. Er empfiehlt: „Jede Verletzung sollte komplett ausgeheilt werden. Erst dann kann die Belastung wieder langsam hochgefahren werden.“ Ansonsten drohten „Muskelfaserrisse, Bänder- und Gelenkverletzungen.“
Auch nach der Karriere noch „geradeaus laufen können“
Edeling halte deshalb nichts davon, sich fitspritzen zu lassen, wenn es gar nicht anders ginge. „Bis zu einem gewissen Maß halte ich den Gebrauch von Schmerzmitteln für okay.“ Nämlich dann, wenn es sich um Prellungen oder einen ausgekugelten Finger handelt. Wenn es dahin geht, dass man sich den Körper durch den Gebrauch von Schmerzmitteln kaputt macht, hält er es für nicht mehr vertretbar. Schließlich wolle man als Amateursportler auch noch nach der Karriere „geradeaus laufen können“.
Wenn Edeling als Trainer im Sommer bei Dorstfeld beginnt, ist ihm bewusst, dass er gegenüber seiner Mannschaft auch in diesem Bereich Verantwortung trägt. „Als Trainer hat man einen kleinen Bildungsauftrag“, sagt er. „Da ich selber weiß, dass es nicht förderlich ist, wenn jemand zu oft und zu viele Schmerzmittel nimmt, würde ich denjenigen rausnehmen.“ Vorausgesetzt, er würde merken, dass ein Spieler zu oft zu den Mitteln greift.
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