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Dortmunder Traditionsklub wird 100 Jahre alt: „Wir feiern nur mit Umarmungen und Bier“
Fußball
Während die blau-weißen Schalker gerade trauern, gibt es Blau-Weiße in Dortmund, die bald ganz groß feiern wollen.
Landesweit tragen Blau-Weiße Trauer. Ihr FC Schalke 04 steigt aus der Bundesliga ab. In Dortmund feiert aber eine große Gruppe in diesen Farben groß, und das ist bestimmt keine Schadenfreude. Denn es ist ein Fest in eigener Sache. Einer der wichtigsten Köpf dieses Vereins hat sogar auch noch ein ganz großes rot-weißes Herz.
Thomas Sprenger (53) ist mit seinem Amateur-Herzensklub BW Huckarde in vielerlei Hinsicht auf Erfolgskurs. Ihm schenkte der aktuelle 2. Vorsitzende in verschiedenen Funktionen sportliche Erfolge, hielt ihm die Treue, ging mit ihm durch dick und dünn, half dabei, ihn wieder aus der Versenkung zu holen. Und die Feier soll, sofern Corona es zulässt, im Oktober mit voller Herzlichkeit über die große Bühne gehen.
Die Blau-Weißen werden in diesem Jahr 100. Wer Thomas Sprenger kennt, weiß, dass sein Herz im Profisport nur für Bayern München schlägt. Den Fans des Rekordmeisters sagen viele nach, dass sie nur durch dick und nicht durch dünn mit ihm gehen. Dem tritt Sprenger aber klar entgegen. Ein Interview mit einer Persönlichkeit aus der schwarz-gelben Stadt über Blau-Weiß und Rot-Weiß.
Thomas Sprenger, selbst wenn wir mit einer abgedroschenen Floskel anfangen, freuen wir uns auf ein Gespräch mit ganz vielen neuen Aspekten. Also haken wir die aber so sehr passende Phrase ab. Also: Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus! Die Frage dazu: Geht das in Coronazeiten überhaupt?
Wir wissen es noch nicht genau. Fakt ist, dass unser Verein 100 Jahre alt wird und wir das unbedingt feiern möchten. Wir haben die Schmiede in Huckarde für den 2. Oktober gebucht. Wenn der Adler Hundertsten hat, muss es richtig abgehen. Wir feiern aber nur richtig.
Das heißt?
Mit großen Herzen, Umarmungen und Bier! Und mit den kompletten 220 Leuten. Sollte das wegen Corona im Oktober nicht gehen, verschieben wir die Party und feiern dann eben den 101. Geburtstag. Äußerst schade ist, dass wir ein geplantes Juniorenturnier nicht ausrichten können. Das wäre eine tolle Gelegenheit, viele Leute, auch Personen des öffentlichen Lebens, und Sponsoren einzuladen.

Thomas Sprenger ist ein Huckarder Urgestein. © Sprenger
Wie sieht sich der Verein im 100. Jahr organisatorisch und sportlich?
Ich bin nicht der Typ, der sich gerne in den Vordergrund stellt. Es gibt ja auch sehr viele emsige Leute, die uns wieder nach vorne gebracht haben. Vor ungefähr sechs Jahren, als wir auch den Kunstrasen erhielten, haben mehrere Leute mit Leidenschaft für das Huckarder Blau-Weiß einen neuen Vorstand gebildet. Und unser Vorsitzender Heinz Bahls ist ja schon sehr lange dabei. Seit sechs Jahren hat sich unser Verein zum Positiven entwickelt.
Woran machen Sie das fest?
Unser Juniorenabteilung lebt, unsere Seniorenmannschaften repräsentieren den Verein sehr gut. Insgesamt bieten wir als Verein unseren Trainern und Spielern auch ein ruhiges Arbeiten.
Reden wir etwas über die Senioren: In Thomas Faust für die 1. Mannschaft und Dong-Joon Kim für die Reserve haben Sie zwei bekannte Gesichter in der Verantwortung. Gerade, wenn Thomas Faust eine Kabine betritt, ist es manchmal bestimmt alles andere als ruhig…
Das stimmt. Aber er ist ein absoluter Fachmann. Wir hatten ja wegen der Quotientenregelung etwas Glück, in die Bezirksliga aufgestiegen zu sein. Thomas Faust ist aber für diese Herausforderung genau der richtige. Unsere Ergebnisse waren bis zur Coronapause ordentlich. Wir wollen uns in der Bezirksliga etablieren. Wir sind alle heiß, dass es bald unter geordneten Bedingungen – mit Zuschauern, Bratwurst und Bier – wieder losgeht.

Thomas Faust trainiert aktuell das Bezirksliga-Team von Blau-Weiß Huckarde. © Stephan Schuetze
Thomas Faust und Sie kennen sich schon ewig. Gestatten Sie bitte noch eine weitere – allerdings wieder zutreffende – Floskel: Sie funken auf einer Wellenlänge…
Thomas‘ Augen leuchten ja sogar, immer wenn er über Fußball spricht. Ja, wir sind beide mit Leib und Seele Fußballer. Natürlich ist er auch speziell, aber wir sind immer offen zueinander. Mit Daniel Nilkowski macht er das richtig gut. Das trifft übrigens auch auf unser Urgestein Dong-Joon Kim mit der 2. Mannschaft zu.
Selbst als Dortmunder Lokalredaktion kommen wir nicht drumherum, mit Ihnen über Ihre zweite große Fußball-Leidenschaft zu sprechen, und zwar nicht nur, weil Sie diese mit Thomas Faust teilen. Jeder, der Sie kennt und Ihre Social-Media-Beiträge verfolgt, erkennt, dass in der schwarz-gelben Stadt ein Bayern-Fan lebt, der auch mit diesem Klub neben den ständigen Höhen die Tiefen mitnehmen würde. Und das bestimmt emotionaler als mancher in München lebende Fan. Also gibt es auch beim FC Bayern Fans, die nicht unter die Kategorie Erfolgsfan fallen. Wie war es bei Ihnen?
Am Anfang meiner Liebe zu den Bayern spielte wie bei so vielen kleinen Kindern natürlich auch der Erfolg eine Rolle. Mein zwei Jahre älterer Bruder erlebte die Hochphase von Borussia Mönchengladbach. Und ich entdeckte den Fußball, als die Bayern in den Siebzigern dreimal Europapokalsieger der Landesmeister wurden. Aber es ist doch immer so, dass der Erfolg Leute anzieht. Wir sehen das doch sogar auch im Kleineren: Als der ASC 09 Dortmund hochkam, entdeckten ihn viele Leute. Und dann hofften und bangten sie mit ihm. In der Entwicklung aber sage ich natürlich, dass ich in guten und schlechten Zeiten treuer Fan bin.
Ihr WhatsApp-Status zeigt regelmäßig, dass Sie sich trotz der vielen Bayerntitel über jeden einzelnen riesig freuen?
Das stimmt. Ich bin auch im Fanclub Gipfelstürmer Castrop 99 Mitglied. Ich bin bestimmt fünfmal pro Jahr in München. Und ich liebe besonders die Auswärtsfahrten. Dafür sind wir doch Fan. Aber klar, es gibt auch gerade in München die Leute, die ständig etwas zu meckern haben. Ich erinnere mich an Arjen Robbens verschossenen Elfmeter in der Verlängerung des denkwürdigen Champions-League-Finals 2012 in München gegen Chelsea, das wir verloren. Danach traten wir in einem Test gegen die niederländische Nationalmannschaft an. Und die Sitzplatzleute pfiffen Arjen aus. Das machen meine Stehplatzkumpels und ich nicht. Wir bauen unsere Leute immer wieder auf.
Die Vereinstreue nicht nur der Bayern-Fans wird allerdings nicht wegen verschossener Elfmeter, sondern wegen der aktuellen Entwicklungen auf die Probe gestellt? Stichworte Katar und Super League. Wie schmal ist der Grat?
Für mich persönlich steht fest: Ich bleibe Bayern-Fan bis zu meinem Lebensende. Denn ich hoffe, dass der Fußball mir immer noch die ewig in der Erinnerung bleibenden Momente ermöglicht. Ich war in Glasgow, London und vielen anderen Städten mit beeindruckenden Begegnungen. Aber klar: Das Geld regiert. Wenn die spanischen Vereine Geld benötigen, versuchen sie etwas zu machen, was ihnen die Einnahmen bringt. Ein Stück weit, auch wegen der Katar-Frage, müssen wir uns die Frage stellen, wo oder ob wir überhaupt eine Grenze ziehen könne. Ich verstehe die Ultras nämlich auch sehr gut. Ihnen geht es um den Fußball, wie wir ihn lieben.
Stichwort Liebe: Welcher war und ist Ihr Lieblingsfußballer?
Klaus Augenthaler! In den Achtzigern war er eine Riesen-Persönlichkeit – cool, trocken und draufhaltend. Und dann noch Sören Lerby, der die Stutzen immer unten hatte. Ein Kämpfer wie euer Murdo MacLeod.
Hatte denn der BVB nie eine Chance, einen Platz in Ihrem Herzen zu finden?
Nein, aber Fußball bedeutet auch Respekt und Achtung vor anderen Vereinen. Ich erkenne den Weg an, den der BVB unter Aki Watzke gegangen ist. Im Übrigen waren wir früher eine blau-weiße Clique, allerdings eine aus Huckarde, die regelmäßig im Block 1 der damals noch kleinen Nordtribüne im Westfalenstadion stand. Wir waren dabei alle recht entspannt. Und nachher habe ich mich als eingefleischter Bayern-Fan mit den Borussen über Dortmund-Spiele unterhalten.
Ist Ihr Sohn Raphael auch ein Roter?
Ja, und einer, der wie ich damals in Huckarde kickt. Ich hoffe, dass er das auch bald wieder darf. Wir sind ja beide auch heiß auf Blau-Weiß.
Dortmunder Jung! Seit 1995 im Dortmunder Sport als Berichterstatter im Einsatz. Wo Bälle rollen oder fliegen, fühlt er sich wohl und entwickelt ein Mitteilungsbedürfnis. Wichtig ist ihm, dass Menschen diese Sportarten betreiben. Und die sind oft spannender als der Spielverlauf.
