Kölns Trainer Steffen Baumgart gestikuliert an der Seitenlinie. Immer.

Kölns Trainer Steffen Baumgart gestikuliert an der Seitenlinie. Immer. © picture alliance/dpa

Der Steffen Baumgart der Kreisliga B verpasst dem „großen“ TuS Bövinghausen einen Seitenhieb

rnFußball

Sie nennen ihn den Steffen Baumgart der Kreisliga B. Wo er an der Seitenlinie steht, wächst kein Gras mehr. Er nimmt kein Blatt vor den Mund. Den größten Seitenhieb bekommt der TuS Bövinghausen ab.

Dortmund

, 30.06.2022, 12:00 Uhr / Lesedauer: 5 min

Echte Typen braucht die Stadt! Dass ausgerechnet ein ehemaliges Mauerblümchen des Amateurfußballs genau solch einen seit zwei Jahren als Trainer hat, lief in Dortmund fast unter dem Radar. Erst als sein Sportlicher Leiter diesen öffentlich mit Kölns Steffen Baumgart verglich und den Profi-Coach als eher harmlos im Vergleich zu dem Dortmunder Trainer bezeichnete und das mit dem Satz garnierte, „wenn er mit seiner Motivation fertig ist, kommen ihm selbst die Tränen“, wuchs das Interesse an einem Mann, der mit seiner Art beachtliche Erfolge vorzuweisen hat.


Adalbert „Adi“ Komor von GW Kley ist der Steffen Baumgart der Kreisliga B

Adalbert „Adi“ Komor (45) ist mit GW Kley Fünfter hinter den Hochkarätern der Kreisliga B geworden. „Um eins vorwegzuschicken: Steffen ist Steffen. Und Adi ist Adi. Aber trotzdem nett, dass unser Sportlicher Leiter Michal Goldmann mich mit ihm vergleicht.“ Und das Komor eigenes Temperament kommt sofort durch: „Mein Motto ist es: immer neue Ziele setzen. Wir waren Sechster nach der Hinrunde. Da habe ich den Jungs gesagt: Wir können Fünfter werden. Als wir diesen Platz hatten, habe ich das Torverhältnis genommen: Ihr könnt über 100 schaffen. Am Ende waren es 124. Und am Schluss habe ich gesehen, dass wir Zweiter der Auswärtstabelle werden können. Jetzt stehen wir hinter Westrich.“

Die Mannschaft von GW Kley steht jubelnd in der Kabine.

Kley-Coach Adi Komor (l.) hält gerne mitreißende Motivationsreden in der Kabine. © GW Kley

Dass Komor seine Ziele in impulsive Ansprachen verpackt, sei für einen, der Fußball lebt, normal. „Ich habe mal Peter Stöger als BVB-Trainer völlig regungslos bei einem Heimspiel vor 80.000 Zuschauern gesehen. Wenn ich so wäre, kann ich auch in den Kleingartenverein gehen und Blümchen pflücken.“ Ein Typ in seinem Element: „Das gehört doch dazu. Fußball ist ein Emotionssport. Und wenn ich einem Spieler etwas dreimal erklärt habe und er es beim vierten Mal immer noch verkehrt macht, werde ich eben deutlich. Das wollen die Jungs auch so.“

Jetzt lesen

Und sie nehmen es ihrem Adi ab. Denn er hilft ihnen ja auch: „Ich arbeite taktisch, aber auch menschlich. Jeder kann zu mir kommen. Ich versuche, immer zu helfen. Auch wenn es bei privaten Dingen ist.“

Kley-Coach Komor spielte früher für den VfL Bochum

Komor selbst weiß, wie es sein könnte, hilflos zu sein. Der ehemalige talentierte Juniorenfußballer des VfL Bochum zog sich als junger Spieler neben einem Kreuzbandriss eine gefährliche Infektion zu. „Ich hatte zum Glück tolle Ärzte als Unterstützer. Ihnen bin ich heute noch dankbar, dass sie erst mein Leben und dann mein Bein gerettet haben. Sie hätten es beinahe amputieren müssen.“ Das Emotionspaket spricht jetzt mit Rührung in der Stimme.

Jetzt lesen

Es bedeutete ja auch, dass die Profiträume des jungen Mannes, der als Zwölfjähriger aus Oberschlesien nach Bochum übergesiedelt war, beendet waren. Komor hat seine Empfindungen spontan parat. Und so verwundert es nicht, dass er sofort wieder seinen Humor und damit auch seine positive Lebenseinstellung zeigt: „Adi gibt nicht auf. Adi steht dann zwölf Monate später auf dem Platz.“ Für den Traditionsverein Langendreer 04 kickte er lange. „Auch bei Südfeldmark, später SW Wattenscheid, war ich bekannt wie ein bunter Hund.“ Wenn er genauso Fußball spielte, wie er spricht, ist das nun wirklich kein Wunder. „Ich war der Spielgestalter. Und da ich das Spiel verstand, wollte ich später auch Trainer werden.“

GW-Kley-Trainer Komor ist ein Familienmensch

Komor, der Familienmensch, realisierte aber schnell, vielleicht nicht auf dem Niveau trainieren zu können, für welches er das Potenzial hatte. „Ich liebe meine Familie und bin beruflich auch viel unterwegs. Das musst du doch alles unter einen Hut kriegen. Um Trainer in hohen Ligen zu sein, hätte ich mehr Zeit benötigt.“ Nach Stationen im Bochumer Raum, zuletzt beim SuS Wilhelmshöhe, kaufte Familie Komor ein Grundstück in Kley. „Michael Goldmann war vorher schon in Kley. Und dann hat Goldi mich gefragt, ob ich nicht dabei mithelfen möchte, Grün-Weiß aus der Versenkung zu holen.“

Jetzt lesen

Und so packten sie es, sofern Corona das zuließ, an. Und stießen an ihre Grenzen. „Was anderswo normal ist, mussten wir uns hart erarbeiten. Wir hatten keine Trainingsshirts, geschweige denn Anzüge. Goldi und ich legen aber Wert darauf, dass wir als Mannschaft gut angezogen sind.“ Sie können sich mittlerweile sehen lassen. Dann aber wird es schnell Zeit, den Adi wieder in der dritten Person von sich reden zu lassen: „Adi lässt nicht locker. Und wenn du den Text schreibst, kannst du gerne erwähnen, dass wir gerne neue Shirts hätten. Es sind echt tolle Jungs, die sie dann tragen.“

Marketing kann er also auch. Sein Kerngeschäft aber bleibt erfolgreicher Fußball. „Nur wenn sich die Spieler taktisch und fußballerisch weiterentwickeln, bin ich ein guter Trainer.“ Das Gemeinsame in Kley („anderswo bewegen sich 1. und 2. Mannschaft oft in zwei eigenen Welten, nicht so bei uns“) sei neben der Chance, Spielanteile und eine individuelle Ansprache zu erhalten, das, was Fußballspielen im Dorney schön mache.

Aus Kley gibt es einen Seitenhieb in Richtung Bövinghausen

„Daher bleiben auch alle, bis auf Torwart Vincent Saborowski, der in Bochum spielen möchte, und Leon Mlodzikowski, der zum TuS Bövinghausen II geht.“ Sofort ist Komor wieder in seinem Element: „Zum Glück haben einige unserer Leistungsträger dem Werben aus Bövinghausen widerstanden. Die haben das, was wir nicht haben: Geld! Dass auch Leistungsträger wie Juri Lefarov, Sven Ewers oder Dominik-Tobias Distler bleiben, spricht viel mehr für unseren Verein.“

Jetzt lesen

Selbst wenn sich Komor durchaus mal vorstellen können, ein, zwei Ligen höher zu trainieren, hatten er, sein Co-Trainer Dietmar Budzinski und weitere Funktionsträger längst verlängert: „Momentan ist das auch genau der richtige Verein für mich. Einen reichen Klub wie Bövinghausen zu trainieren, finde ich langweilig. Du kriegst da fertige Spieler hingestellt und stehst als Trainer am Rand und sagst ab und an mal was. Einfach kann jeder!“ Ganz klar: Wenn Komor die Wahl zwischen Baumgart und Stöger hat, ist er eben doch lieber der aktuelle Kölner Trainer, selbst wenn er der Adi ist und Steffen der Steffen.

Seine Philosophie aber erlaubt durchaus auch Neuverpflichtungen, die ins idyllische Dorney kommen möchten: „Das müssen Jungs sein, die zuhören, die aber besonders puren Spaß am Fußball mitbringen. Von mir aus bin ich auch gerne Sprungbrett für Talente. Hier bekommen sie Zeit, sich zu entwickeln.“ Kaum ein Zitat ohne Augenzwinkern. Der Spaßtrainer sagt: „Ich erzähle jedem guten jungen Spieler, er hat meinen Segen, wenn er ein paar Ligen höherspielen möchte. Da lege ich niemandem Steine in den Weg. Ich könne jetzt ein paar meiner Talente nennen, denen ich das schon jetzt zutraue. Ich wecke aber auch keine schlafenden Hunde. Die Vereine müssen da schon selbst draufkommen.“

GW Kley freut sich über die Neuzugänge

Also erzählt der Coach ein wenig etwas über die, die mit Kley den nächsten Schritt machen möchten. „Das heißt nicht, dass ich hier unrealistisch werde. Vereine wie Urania Lütgendortmund oder bald auch Aufsteiger Bövinghausen bedienen sich in Ligen, aus denen wir keine Spieler bekommen. Aber unsere Neuen passen einfach.“

Jetzt lesen

Komor stellt sie vor: „Bald wird es richtig international bei uns. Wir holen einen Argentinier. Marcel Fabian Amado von Wilhelmshöhe ist 31, kein Messi, aber ein für uns flexibel einsetzbarer Mittelfeldspieler oder Außenverteidiger.“ Abwehrspieler Sebastian Mohr (22) kommt aus der Reserve von Westfalia Huckarde. Angreifer Mohammad Matar (27) kehrt zurück zu den Grün-Weißen. Und für das Tor verpflichtet GW Marvin Dellmann (28), einen erfahrenen Mann vom ESV Langendreer-West. Mit ihm wechselt Dennis Tatar (28) aus Bochum nach Kley. Dazu kommt ein weiterer Torwart. Fabian Wolf (23) trug zuletzt auch das Trikot von Westfalia II.

Richtig jung sind die Neuen nicht. Die echten Talente anderer Klubs suchen sich dann doch eher andere Vereine. Vielleicht kennen sie Kley auch noch gar nicht. Das soll sich ändern: „Unser Goldi pusht uns schon bei Facebook. Das ist nicht meins. Ich habe aber noch Kontakte. Vielleicht sprechen sich unsere Leistungen jetzt auch rum.“

Adi Komor ist der Mann für die Ansprachen bei GW Kley

Oder: Ansprachen von Komor mal erlebt zu haben, könnten schon einen Wechsel attraktiv machen. Goldmann berichtete unlängst, in seinen vielen Jahren im Fußball hätte er solch eine Show nie erlebt. Komor muss selbst ein wenig lachen, wenn er an seine wilden Reden denkt. Aber: So gerne er sich als Werbeträger für seinen Klub gibt, so sehr möchte er aber auch, dass seine Spieler als diejenigen, die aktiv für positive Ergebnisse, in den Vordergrund rücken.

Jetzt lesen

„Der Verein entwickelt sich, die Mannschaft macht Fortschritte. Mich interessiert jetzt, wie weit uns das noch vorne bringt. Wir können wieder Fünfter werden. Schlechter aber möchte ich es nicht haben. Und dann finden wir schon wieder Schritt für Schritt neue Ziele.“

Wenn er diese dann wieder in eine seiner legendären Ansprachen verpackt, könnten seine Tränen am Ende sogar aus purer Freude rollen.