Schon ab der kommenden Saison könnte das alljährliche „Kasperletheater“ um 5. Gelbe Karten vor einem Ruhetag Geschichte sein. Die Dortmunder würden es begrüßen - wenn die neue Regel strikt ist.

von Moritz Lerch, Daniel Otto

Dortmund

, 19.11.2019, 18:30 Uhr / Lesedauer: 3 min

Es ist ein offenes Geheimnis unter Fußballern in ganz Nordrhein-Westfalen: Vor spielfreien Wochenenden holt man sich seine fünfte oder zehnte Gelbe Karte ab und kassiert die daraus resultierende zehntägige Sperre. Denn ein - aus neutraler Sicht verrückter - Passus in den Durchführungsbestimmungen des Verbandes macht es möglich, dass man diese Sperre an einem Wochenende absitzt, an dem gar keine Spiele ausgetragen werden.

Durchführungsbestimmungen machen es möglich

In Paragraph 1, Absatz 7 heißt es in den Durchführungsbestimmungen des FLVW: „Ein Spieler, den der SR in fünf Meisterschaftsspielen durch Zeigen der Gelben Karte verwarnt hat, ist automatisch für die nächsten 10 Tage für alle Spiele im Seniorenbereich (ausgenommen Pokalspiele, Entscheidungsspiele sowie DFB-/DFL-Spielklassen) seines Vereins, höchstens jedoch für ein Meisterschaftsspiel der Mannschaft, in der die Verwarnung erfolgte, gesperrt, ohne dass es eines besonderen Verfahrens oder einer Benachrichtigung bedarf.“

„Man müsste ja doof sein, wenn man das nicht nutzt“, sagt Marco Nagel, Trainer beim Bezirksligisten VfR Sölde und ist mit dieser Sicht der Dinge absolut auf der Linie seiner Trainerkollegen in Dortmund: „Wenn solche Spieltage anstehen, schaut man da immer besonders drauf“, sagt Nagel.

„Kasperletheater“ geht weiter

Heißt: Das „Kasperletheater“ - wie es Kollege Tobias Vößing von Mengede 08/20 nennt - geht zuverlässig ab der 80. Minute in Spielen vor Ruhetagen wie dem kommenden Totensonntag los: Es werden Trikots gezogen, unnötig Zeit von der Uhr genommen, Bälle weggeschlagen: „Ich kann dir ein Buch darüber schreiben, was wir schon alles probiert haben“, sagt Dimitrios Kalpakidis vom Landesligisten TuS Bövinghausen.

Dimitrios Kalpakidis sagt: “Ich kann dir ein Buch darüber schreiben, was wir schon alles probiert haben.“

Dimitrios Kalpakidis sagt: “Ich kann dir ein Buch darüber schreiben, was wir schon alles probiert haben.“ © Stephan Schuetze

Auch eine Liga höher beim FC Brünninghausen haben sie am Sonntag beim 2:1-Erfolg gegen den Lüner SV die Regel im Hinterkopf gehabt: „Wir haben auch versucht, das zu bringen“, sagt Geschäftsführer Sport Klaus-Dieter Friers, „wir haben es aber halt nicht geschafft.“ Zu eng sei die Partie gewesen: „Da war es einfach zu gefährlich“, sagt Friers.

Drei Gelb-Sperren verfallen

Eng war die Partie auch bei Vößings Mengede 08/20 in der Bezirksliga-Partie gegen den Tabellenführer TuS Körne. Doch nach der 3:1-Führung zur Pause kassierten genau die drei Mengeder noch eine Gelbe Karte, die in der bisherigen Saison vier Stück gesammelt hatten und damit ohne echte Sperre davonkommen. Zufall? „Lustigerweise ja“, sagt Vößing, „diese Regelung ist ja vor solchen Tagen ein Riesenthema und das war bei uns auch der Fall.“ Vößing versichert aber glaubhaft, dass die drei Gelben Karten aus normalen Zweikämpfen resultierten.

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So war es tatsächlich auch bei Kalpakidis’ Debüt in Bövinghausen gegen Horsthausen, als in der Schlussphase noch drei seiner Spieler eine Gelbe Karte kassierten - mit André Witt auch einer darunter, der bis dahin schon vier gesammelt hatte: „Da war nichts geplant“, sagt Kalpakidis, „auch weil ich ja sehr wenig Zeit hatte, mich um solche Sachen zu kümmern.“

„Es passiert immer mal wieder“

Beim Verband ist dieses Schlupfloch bekannt: „Ein oder zweimal im Jahr ist es möglich, so eine Sperre zu umgehen“, sagt Reinhold Spohn, der Vorsitzende des Verbandsfußball-Ausschusses und Staffelleiter der Oberliga Westfalen. Zahlen hat er nicht parat, „aber es passiert immer mal wieder, dass Spieler so ihrer Sperre entweichen.“

In Bövinghausens Landesliga gibt es dagegen Zahlen, ohne allerdings Vergleichswerte zu haben: „Am Sonntag wurden zehn 5. Gelbe Karten verteilt“, sagt Staffellleiter Klaus Overwien, „das kann Zufall sein, das kann aber auch genauso gut absichtlich passiert sein.“ Das Problem ist den Staffelleitern aber durchaus bekannt: „Das ist kein neues Thema“, sagt Overwien.

Echte Spielsperren werden umgangen

Und trotzdem wird es von den Vereinen seit Jahren genutzt, um echte Spielsperren zu umgehen. „Das ist natürlich nicht das, was wir uns wünschen“, sagt Overwien. „Die Regel ist nun mal wie sie ist. Sie wurde von Juristen beschlossen und wir müssen lernen, damit umzugehen“, sagt Volker Schneeloch, Staffelleiter der Dortmunder B-Ligen. Und Lothar König, Staffelleiter der Bezirksliga 8, der zunächst noch daran zweifelte, „ob die Spieler von der Regel und über die Anzahl ihrer Gelben Karten Bescheid wissen“, sagt: „Die Art der Regel ist natürlich nicht befriedigend.“

Zumindest nicht für die Intention, dass Spieler nach fünf Gelben Karten - wie es aus der Bundesliga bekannt ist - ein Spiel Sperre absitzen müssen. Eine Regel, die dafür gedacht ist, faire Teams zu belohnen und besonders hart agierende Spieler zu einer faireren Gangart zu bewegen. „Wenn man so eine Regel erfindet, sollte die auch einen Sinn haben“, sagt Kalpakidis dann auch.

Verband will gegensteuern

Und genau das passiert nun, wenn man den Worten von Reinhold Spohn folgt: „Wir haben auf dem Verbandstag des Westdeutschen Fußball-Verband den klaren Auftrag erhalten, hier eine neue Regelung einzuführen.“ Demnach sei im Kreis Euskirchen genau diese Problematik mehrfach angeprangert worden: „Das ist noch nicht fix, aber man kann es so formulieren, dass da Bewegung drin ist.“

Wenn die drei Verbände (Westfalen, Mittelrhein und Niederrhein) zu einer Einigung kämen - was in diesem Fall aufgrund des Konsens hinsichtlich der Regelung wahrscheinlich ist - „dann wird das ab dem 1. Juli 2020 eingeführt“, sagt Spohn.

Klare Formulierung gefordert

Tobias Vößing von Mengede 08/20 würde das begrüßen: „So wie es jetzt ist braucht es kein Mensch. Aber das Regelwerk wird dann vermutlich komplizierter als bisher.“ Vößing sieht die Gefahr, dass Trainer, Spieler und Vereine doch wieder Schlupflöcher im Vertragswerk finden werden. Auch Kalpakidis fordert eine klare Formulierung: „Wenn sie es wasserdicht machen wollen, dann musst du nach fünf Gelben Karten definitiv das nächste Spiel, das stattfindet, pausieren.“ Egal, ob ein Totensonntag, Weihnachten oder die Sommerpause dazwischenliegt.

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