Ralf Böer beim Bruchtest an einem Flusskiesel. Beim Bruchtest geht es nicht um Zerstörung, sondern um die Präzision der Technik.

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Castrop-Rauxeler Ralf Böer wurde nach Verwechslung zum Kampfsport-Meister

rnTaekwondo

Wegen einer Verwechslung verschiedener Kampfsportarten ist Ralf Böer beinahe dem Taekwondo fern geblieben. Zum Glück wurde ihm die Sportart damals als „Koreanisches Karate“ angepriesen. Heute ist der Castrop-Rauxeler Meister des 6. Dan.

Castrop-Rauxel

, 10.04.2021, 12:05 Uhr / Lesedauer: 3 min

Taekwondo ist eine koreanische Kampfsportart. Die drei Worte tae (trampeln), kwon (Faust) und do (Weg) bedeuten im Kontext übersetzt in ungefähr: „Weg und Lehre der Fuß- und Fausttechniken“.

Nicht der gerade Weg führt zum Ziel

Ein solcher Weg muss nicht immer gradlinig verlaufen, kann Umwege oder gar Sackgassen enthalten. Dass man es dennoch zur Meisterschaft bringen kann, zeigt die sportliche Biografie des Castrop-Rauxelers Ralf Böer. Er ist inzwischen Taekwondo-Meister, Träger des 6. Dan, also Meister der 6. Stufe.

Ralf Böer, Taekwondo-Meister und Träger des 6. Dan, zeigt die Verteidigungstechnik sonnal-maki, einen Doppel-Handkantenblock.

Ralf Böer, Taekwondo-Meister und Träger des 6. Dan, zeigt die Verteidigungstechnik sonnal-maki, einen Doppel-Handkantenblock. © privat

Begonnen hat Ralf Böer im Alter von zwölf Jahren in der Sportschule Joshi an der Bahnhofstraße. An der Tür befand sich ein Schild, das „Koreanisches Karate“ anpries. Taekwondo war damals in Deutschland nahezu unbekannt.

Auch Ralf Böer kannte die waffenlose, koreanische Kampfkunst damals nicht. Er verband sie fälschlicherweise gar mit einem Nunchaku, eine japanische Schlagwaffe, die aus zwei Holzstäben besteht, welche mit einer Metallkette verbunden sind - und Europäer meist nur aus Bruce Lee-Filmen kennen. „Bloß kein Taekwondo, habe ich damals gedacht“, sagt Böer, „ich wollte einfach lernen, mich zu verteidigen.“

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Inzwischen residiert eine Immobilienfirma an der Bahnhofstraße, wo einst die Sportschule Joshi war. „Dort habe ich eine Weile trainiert, es war aber nicht das, was ich mir vorgestellt hatte“, erklärt Böer. „Der Trainer hat uns ein Buch hingelegt, daraus sollten wir lernen. Er war sicherlich ein guter Judo-Trainer.“ Von Taekwondo hatte er offenbar nicht so viel Ahnung. Der koreanische Meister, der Böer damals an die Bahnhofstraße gelockt hatte, war längst wieder weg.

Böer und einige seiner Kampfsport-Mitschüler suchten daher in Eigenregie einen neuen Trainer. „Wir haben praktisch jeden Koreaner angesprochen, bis wir jemanden gefunden hatten, der uns trainieren wollte“, so Böer. Das klingt heutzutage vielleicht etwas schräg, aber Taekwondo ist Nationalsport auf der ostasiatischen Halbinsel.

Ralf Böer 1985 bei einer Taekwondo-Demonstration. Mit den Füßen voran zertrümmert er zwei Dachpfannen bei einem Bruchtest in einer Sporthalle in Dortmund-Bövinghausen.

Ralf Böer 1985 bei einer Taekwondo-Demonstration. Mit den Füßen voran zertrümmert er zwei Dachpfannen bei einem Bruchtest in einer Sporthalle in Dortmund-Bövinghausen. © privat

So entstand in Dortmund-Bövinghausen der Lee Yoo Hwan Dojang. Lee Yoo Hwan ist inzwischen Großmeister und Träger des 9. Dan, sein Name ziert verschiedene Kampfsportschulen im Ruhrgebiet. Mit vier anderen Schülern legte Böer die Prüfung zum schwarzen Gürtel (1. Dan) ab. Als Meisterschüler verließen sie den Dojang (Trainingsraum), um Taekwondo in ihren jeweiligen Städten bekannt zu machen.

Ralf Böer, Taekwondo-Meister und Träger des 6. Dan, beim Formenlauf. Dabei wird der Kampf gegen einen oder mehrere Gegner simuliert. Es kommt auf die perfekte Ausführung der einzelnen Techniken an.

Ralf Böer, Taekwondo-Meister und Träger des 6. Dan, beim Formenlauf. Dabei wird der Kampf gegen einen oder mehrere Gegner simuliert. Es kommt auf die perfekte Ausführung der einzelnen Techniken an. © privat

Inzwischen trägt Böer den 6. Dan, ist also Meister der koreanischen Kampfkunst. Die Prüfung wollte er eigentlich in Korea ablegen. Im Kukkiwon, dem Welt-Taekwondo-Hauptquartier. Doch dann kam alles ganz anders. Der koreanische Großmeister Kim Mu In nämlich betrat mit zwei weiteren Dan-Trägern seine Schule und eröffnete Böer völlig unerwartet: „Du hast jetzt Deine Prüfung abzulegen.“ Böer bestand. Ob er noch den Schritt zum 7. Dan gehen wird, will er dem Zufall überlassen.

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Ralf Böer (links) mit Kim Mu In. Der heutige Großmeister erschien einst ungemeldet bei Böer, um ihm die Meisterprüfung zum 6. Dan abzunehmen.

Ralf Böer (links) mit Kim Mu In. Der heutige Großmeister erschien einst ungemeldet bei Böer, um ihm die Meisterprüfung zum 6. Dan abzunehmen. © privat

Nach seiner Zeit bei Lee Yoo Hwan in Bövinghausen übernahm Böer zunächst eine Sportschule in Recklinghausen. „Das ging aber nur drei Monate gut“, sagt Böer. In der Breckenstraße in Obercastrop entstand 1988 Böers erste eigene Taekwondo-Schule, Rolf Böer Dojang. Da besaß er bereits den 3. Dan.

2003 folgte der Umzug ins Westringcenter. „Ich wollte mich vergrößern und mehr Kampfsportarten anbieten. Vielleicht war das kein guter Schritt“, so Böer. „Ich liebe Taekwondo. Für die anderen Sportarten habe ich mir Trainer geholt, aber nicht alle standen richtig dahinter.“ Im November 2018 kam dann der Umzug zum heutigen Standort des Mudo Sportcenter in der ehemaligen Pestalozzi-Grundschule auf Schwerin.

Ralf Böer, Taekwondo-Meister und Träger des 6. Dan, beim Formenlauf. Dabei wird der Kampf gegen einen oder mehrere Gegner simuliert. Es kommt auf die perfekte Ausführung der einzelnen Techniken an.

Ralf Böer, Taekwondo-Meister und Träger des 6. Dan, beim Formenlauf. Dabei wird der Kampf gegen einen oder mehrere Gegner simuliert. Es kommt auf die perfekte Ausführung der einzelnen Techniken an. © privat

„Wir unterrichten dort klassisch koreanisch, also nicht nur den körperlichen Kampfsport“, betont Böer. Taekwondo vermittelt auch Konzentrationsfähigkeit sowie Respekt für (Mit-)Schüler und Meister. „Wenn Kinder Koordination und Gleichgewicht entwickeln, oder wenn sich ein Mobbing-Opfer traut, sich zur Wehr zu setzen, dann sind das für mich größere Erfolge als Pokale“, sagt Böer.

Bei einer deutschen Meisterschaft nahmen die Schülerinnen und Schüler von Ralf Böer 2019 teil.

Bei einer deutschen Meisterschaft nahmen die Schülerinnen und Schüler von Ralf Böer 2019 teil. © privat

1983 und 1985 wurde er Europameister, 1987 und 1989 internationaler belgischer Meister. Damals wurden solche Meisterschaften noch fernab der großen Verbände organisiert. So gab es meist mehrere Europameister in einem Jahr.

In seiner sportlichen Karriere gewann Ralf Böer zahlreiche Pokale und Titel. Zweimal wurde er Europameister, zweimal internationaler belgischer Meister.

In seiner sportlichen Karriere gewann Ralf Böer zahlreiche Pokale und Titel. Zweimal wurde er Europameister, zweimal internationaler belgischer Meister. © privat


Zwischenzeitlich war Böer sogar Gasttrainer der jugoslawischen Nationalmannschaft. „Für mich als Taekwondo-Lehrer war das eine ganz tolle Erfahrung“, erklärt er. Olga und Natascha Jovanovic trainierten damals in seinem Dojang - und traten bei der Weltmeisterschaft für Jugoslawien an.

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Taekwondo ist ein wichtiger Teil in Böers Leben, der nach eigener Aussage „inzwischen die 50 überschritten hat“, aber sonst nicht näher auf sein Alter eingehen möchte. Seine Ehefrau Patrizia besitzt den 4. Dan. Seine Kinder Jette (11), Sverre (9) und Liv (9) lernen die Kampfkunst seit ihrem dritten Lebensjahr.

Ralf Böer mit Sohn Sverre. Seine Kinder lernen die Kampfkunst seit ihrem dritten Lebensjahr.

Ralf Böer mit Sohn Sverre. Seine Kinder lernen die Kampfkunst seit ihrem dritten Lebensjahr. © privat


Ralf Böer spielt zudem Tennis beim TC Castrop 06, als sportlichen Ausgleich. Zu Beginn hat er ein paar Trainerstunden genommen. „Für mich ist das eine schöne Sache, selbst mal wieder Schüler zu sein“, sagt der Taekwondo-Meister. „Ich bin immer dankbar, wenn mich jemand verbessert.“

Ralf Böer mit Tochter Jette. Seine Kinder lernen die Kampfkunst seit ihrem dritten Lebensjahr.

Ralf Böer mit Tochter Jette. Seine Kinder lernen die Kampfkunst seit ihrem dritten Lebensjahr. © privat

Seitdem darf er auch seinen Kindern auf dem Tennisplatz einen Rat geben, zuvor hörte er nur: „Du brauchst mir gar nichts zu sagen. Du spielst ja kein Tennis.“

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