Den eigenen Vater als Trainer im Leistungssport - das muss nicht zwangsläufig gut gehen. Im Fall der Familie Schalk funktioniert diese Kombination aber schon seit 20 Jahren bestens.
Vater Jürgen Schalk (53) und seine Zwillingstöchter Anna und Katharina (25) zählen zu den erfolgreichsten Sportler-Familien der vergangenen Jahre in Ahaus. Am kommenden Wochenende (Samstag, 8. Dezember) streben sie gemeinsam mit der Mannschaft des TuS Wüllen ihr nächstes großes Ziel an: den erneuten Aufstieg in die 3. Bundesliga.
„Wir haben richtig Bock darauf und wollen den Aufstieg noch mal packen, machen uns aber überhaupt keinen Druck“, sagt Katharina Schalk. Und warum auch? Die Kunstturnriege des TuS Wüllen hat seit der Jahrtausendwende mit relativ bescheidenen Mitteln schon etliche Erfolge gefeiert. Zu den Highlights zählen der Mannschaftssieg beim Bundespokal 2011 oder der Aufstieg in die 3. Liga 2016. Eng verknüpft sind diese Erfolge mit der Turnfamilie Schalk.
„Damals war Ahaus eine Hochburg“
Jürgen Schalk war Ende der 1990er-Jahre beteiligt, als in der Wüllener Turnabteilung neben dem Breitensport auch eine Leistungsgruppe aus der Taufe gehoben wurde. Er selbst war zu der Zeit noch im Leistungsbereich aktiv, turnte mit dem SuS Stadtlohn bis zur Oberliga und mit der KTS Mettingen sogar bis zur 3. Liga. „Angefangen habe ich als Siebenjähriger beim VfL Ahaus. Damals war Ahaus noch eine Hochburg im Männerturnen“, erinnert sich Schalk, dessen Paradegerät immer die Ringe waren.
Die Turnerei ließ sich später gut mit seiner Ausbildung bei der Polizei und dem Studium zum Diplom-Verwaltungswirt vereinbaren und war immer ein zentraler Punkt in Jürgen Schalks Alltag. Dabei lernte er auch seine heutige Frau Anne, ebenfalls Turnerin, kennen. „Wo sonst als in einer Turnhalle hätte ich auch eine Frau finden sollen?“, fragt er sich heute.

Schon als Kinder verbrachten die Zwillinge viel Zeit in der Turnhalle mit ihrem Vater. © privat
Nachdem die Zwillinge Anna und Katharina 1993 zur Welt gekommen waren, stand die nächste Generation in den Startlöchern. Große Teile ihrer Kindheit verbrachten sie bereits in der Halle. „Ich kann mich noch erinnern, dass Kathi und ich als Kinder oft mit bei Papas Wettkämpfen oder beim Training in Stadtlohn waren und auf den Matten rumgeturnt sind“, sagt Anna Schalk. Das Talent der Zwillinge war recht schnell erkennbar. „Als die beiden dann vier, fünf Jahre alt waren, mussten wir überlegen, ob wir in Wüllen nicht auch leistungsmäßig etwas auf die Beine stellen sollten“, so Jürgen Schalk. Und das passierte dann auch. Neben Ramona Ostendorf, Hanna Schepers oder Gabriele Venhues zählten auch die Schalk-Schwestern zu den ersten Mädchen beim TuS, die speziell gefördert wurden.
Mädchen müssen viel früher gefördert werden
Trainer Schalk musste sich das Wissen rund ums Mädchenturnen erst einmal aneignen. „Die Grundlagen sind zwar die gleichen wie bei Männern. Aber bei Mädchen musst Du als Trainer viel schneller sein. Da geht es schon mit vier Jahren los und mit 16 sind sie im Grunde fertige Turnerinnen. Bei Männern fängt das Ganze ja erst mit 15 oder sogar 20 richtig an.“ Schalk holte sich also Tipps, vom Leistungszentrum in Greven und vor allem von den Trainern Michael und Martin Schulz, die auch heute noch wichtige Bausteine beim TuS sind. Auch die Kooperation mit dem Turnzentrum Amsterdam half dem TuS dabei, im Laufe der Jahre erste große Erfolge zu feiern.
Ein großer Sprung gelang dem kleinen Verein 2011, als erstmals der Aufstieg in die Regionalliga gelang. Auf diesem Level hat sich der TuS bis heute gehalten. Am Wochenende kämpft das Team erneut um den Sprung in die 3. Bundesliga. „Das ist dann aber auch das Ende der Fahnenstange. Mit anderen Vereinen, wo die Turnerinnen zum Teil 25 Stunden in der Woche trainieren, können wir einfach nicht mithalten“, erklärt Jürgen Schalk.

Katharina Schalk springt auf dem Balken. © Johannes Kratz
Er glaubt, dass auch seine Töchter unter den gegebenen Umständen das Optimum aus sich herausgeholt haben. Trainiert haben Anna und Katharina nicht nur in der Wüllener Turnhalle, sondern auch im heimischen Keller. „Da hatten wir Matten, einen Mini-Balken, ein Tau und eine Sprossenwand“, erinnert sich Anna Schalk. „Auch in den Urlaub haben wir schon mal Handstand-Klötze mitgenommen.“
Das Training zahlte sich für die Schwestern schnell aus. Ob als Kinder bei den Ahauser Stadtmeisterschaften, auf Landesebene und später beim Deutschland-Cup – die Schalk-Schwestern waren meist auf den vorderen Plätzen zu finden, immer auf einem ähnlichen Level. „Es ist tatsächlich so, dass die beiden als Turnerinnen fast identisch sind. Da merkt man schon, dass sie Zwillinge sind“, sagt Vater Jürgen. Nur an einzelnen Geräten zeigen sich Unterschiede. Während Anna am Balken einen Tick stärker turnt, hat Katharina ihrer Schwester beim Sprung etwas voraus.
Für ihre Leistungen wurden beide Schwestern schon ausgezeichnet. So wurde Anna Schalk 2008 zur Ahauser Sportlerin des Jahres gewählt, Katharina 2009 und 2012. Vater Jürgen war Sportler des Jahres 2007 und mit dem TuS gewannen die Schalks sogar schon viermal die Wahl zur Mannschaft des Jahres (2007, 2008, 2009 und 2012).

Anna Schalk beim Sprung © Johannes Kratz
So ähnlich sich die Zwillinge als Sportlerinnen sind, so nah beieinander verbringen sie auch ihr Leben abseits des Turnens. Nach der gemeinsamen Zeit an der Canisiusschule in Ahaus verließen sie 2012 ihr Elternhaus in Wüllen, um gemeinsam eine Wohnung in Dortmund zu beziehen, gemeinsam beim KTV Dortmund zu trainieren und gemeinsam Sport und Mathe auf Lehramt zu studieren. Im kommenden Jahr treten beide ihr Referendariat an - dann müssen sie wohl erstmals getrennte Wege gehen. Vorher steht aber erst mal eine Weltreise auf dem Programm. Gemeinsam.
Keine Gedanken ans Aufhören
Turnen wollen die Schwestern weiterhin auf hohem Niveau, auch wenn sie mit 25 Jahren schon recht weit über dem durchschnittlichen Alter einer Turnerin liegen. „Wir haben noch nie ans Aufhören gedacht“, sagt Anna Schalk. Natürlich habe es auch mal schlechte Phasen gegeben, in denen man sich hinterfragt habe. „Aber dann haben wir einfach noch mehr Gas im Training gegeben.“ Einen Unterschied zu jüngeren Turnerinnen gebe es aber schon: „Neue Elemente einüben, das schaffen die Jüngeren auf jeden Fall schneller.“
Auch Vater Jürgen Schalk bescheinigt seinen Töchtern, dass sie längst noch nicht zum alten Eisen gehören. „In einer normalen Turnkarriere ist es mit Mitte 20 schon gut, wenn man sein Niveau hält. Bei Anna und Katharina sieht man immer noch kleine Fortschritte. Das hat sicher auch mit ihrer großen Selbstdisziplin und Motivation zu tun. Ich musste sie in all den Jahren nie antreiben - und das hätte ich auch nicht gewollt.“ So ging es auch auf Initiative der Töchter oft samstags in die Halle, um eine Zusatz-Einheit im Familienkreis zu absolvieren.
Im Video zeigt Katharina Schalk eine Übung am Stufenbarren beim Heimwettkampf 2018 in Stadtlohn (Quelle Facebookseite der Kunstturnriege TuS Wüllen)
Und wie haben es die Schalks geschafft, den Sport und das Familienleben unter einen Hut zu bekommen? Das erklärt Katharina: „Wir haben von Anfang an immer gesagt: Zu Hause ist zu Hause und Training ist Training. Klar gab es auch mal Tage, an denen wir schlecht gelaunt vom Training kamen. Da war unsere Mutter dann aber immer der Ruhepol.“
Mit der nötigen Ruhe und Gelassenheit wollen Vater Schalk und seine Töchter nun auch das Highlight ihres Turnjahres angehen: den Relegationswettkampf in Backnang bei Stuttgart. Für die Schalks wäre es das nächste Kapitel einer jetzt schon bemerkenswerten Erfolgsgeschichte.
Anfang des Jahrtausends von der Nordseeküste ins Münsterland gezogen und hier sesshaft geworden. Als früher aktiver Fußball-, Tennis- und Basketballspieler sportlich universell interessiert und immer auf der Suche nach spannenden Geschichten.
