
© Markus Gehring
Nach Ausgrabungen in Legden: Analyse von rund 30 Urnengräbern läuft
Ausgrabungen
Spektakuläre Funde sicherten Archäologen im Sommer 2020 in der Bauerschaft Haulingort. Obwohl die Analyse noch läuft, gibt es erste Ergebnisse. Der Traum vom Museum erfüllt sich wohl nicht.
Östlich von Legden, in unmittelbarer Nähe des Mühlenbachs, führte ein Team von Archäologen im Sommer 2020 Grabungen durch. Diese Maßnahme erfolgte in Zusammenhang mit dem Bau der Zeelink-Gasleitung. Was die Experten zu Tage förderten, bezeichnete Archäologe Dr. Bernhard Stapel vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) schon damals als „spektakulären Fund, der uns sehr voranbringen wird.“ Genaue Details konnte er zu jenem Zeitpunkt allerdings noch nicht angeben.
Gut sieben Monate später sieht das zumindest teilweise anders aus. Im Gespräch mit der Redaktion erklärt Bernhard Stapel: „Unsere ersten Analysen haben ergeben, dass wir circa 30 Urnengräber aus der Bronzezeit ausgehoben haben.“ Gleichzeitig bittet er noch um Geduld: „Es ist ein langwieriger Prozess. Bei Notbergungen, wie der in Legden, hat die Sicherung der Funde oberste Priorität. Jetzt arbeiten wird sie peu à peu ab.“
Keramikscherben werden eingegipst
Das bedeutet: Die Keramikscherben, die die Archäologen in der Bauerschaft Haulingort ausgegraben haben und als Teile von Urnen identifizierten, wurden zusammengesetzt und eingegipst. Anschließend wandern sie in die Restaurierungswerkstätte und werden unter Laborbedingungen analysiert.
„Dort schauen wir zum Beispiel auf die Sortierung der Asche. Wurden zuerst die Beine, dann der Rumpf und dann der der Kopf in das Gefäß gefüllt? Gibt der Inhalt Hinweise auf Beigaben wie zum Beispiel Wegzehrung für den Gang vom Diesseits ins Jenseits?“, erklärt Bernhard Stapel. Dieser Schritt steht bei den Legdener Funden allerdings noch aus. „Es stockt gerade ein bisschen“, räumt der LWL-Archäologe ein.
Auch wenn Bernhard Stapel die Funde im Juli 2020 als „spektakulär“ bezeichnete, sind sie in Westfalen keine Ausnahme. „Wir stoßen immer wieder auf Urnengräber. Aber jedes Gräberfeld hat seine regionalen Besonderheiten. Es hilft uns, zu verstehen, wie Bestattungsriten damals aussahen.“ Zum Beispiel zeichne sich mittlerweile ab, dass Kinder in der Bronzezeit (2200 bis 800 v. Chr.) anders bestattet wurden als Erwachsene. Denn die Reste ihrer Körper finden sich in aller Regel nicht in Urnen wieder.
Jeder Fund bringt Forschung voran
Ein weiterer Grund, warum die Archäologen sich auch weiterhin über jeden Fund freuen: „Auch wir entwickeln uns immer weiter. Wenn wir heute Gräber finden, haben wir ganz andere Möglichkeiten, die Lebenswirklichkeiten der Menschen zu rekonstruieren. Die Fortschritte sind enorm“, berichtet Bernhard Stapel. Als Beispiel nennt er die Isotopenanalyse von sterblichen Überresten.
Doch wer waren eigentlich die Menschen, die vor deutlich über 2000 Jahren in der heutigen Bauerschaft Haulingort lebten? Sicher ist: Es handelt sich um anatomisch moderne Menschen (Homo Sapiens) und nicht um Neandertaler (Homo Neanderthalensis). Der LWL-Archäologe erklärt: „Sie lebten hier von Ackerbau und Viehzucht. Im Durchschnitt wurden sie nicht älter als 30 Jahre, was vor allem an der hohen Kindersterblichkeit lag. Sie arbeiteten schwer, weshalb es häufig Hinweise auf Erkrankungen des Knochenapparats gibt.“
Ob es sich bei den Siedlern um Germanen handelte, vermag Bernhard Stapel nicht zu sagen. „Wir können heute nicht sagen, in welcher Sprache sie untereinander kommuniziert oder gesungen haben.“ Es gebe aber eine sogenannte archäologische Kontinuität ohne größere Brüche. „Das bedeutet, das genetische Spektrum entspricht ab der Bronzezeit dem, was wir heute noch in Westeuropa vorfinden.“
Wenig Hoffnung auf Museum in Legden
Gerhard Schulze Hauling hat die Ausgrabungen in seiner Nachbarschaft genau verfolgt. Er steht in regelmäßigem Kontakt mit verschiedenen Behörden, Politikern und Andreas Eiynck, dem Leiter des Emslandmuseums in Lingen. Der Legdener Landwirt bezeichnet die Funde als „echte Schätze“ und „historisch bedeutend“. Er wünscht sich daher einen entsprechenden Umgang.
„Für uns als Bauerschaft haben die Urnengräber dieselbe Bedeutung wie ein Römerlager.“ Seine Ziele sind unter anderem weitere Ausgrabungen und vor allem die Verhinderung der geplanten Verdichterstation (wir berichteten mehrfach). Stattdessen könnte er sich gut ein Museum vorstellen, in dem die Funde als Exponate präsentiert werden.
Museum mit Funden wird es wohl nicht geben
Diesem Gedanken schiebt LWL-Archäologe Bernhard Stapel aber quasi einen Riegel vor: „Ich kann den Wunsch verstehen, aber es hat sich bewährt, die Dinge in Münster zu konzentrieren. Es soll gar kein Vorwurf sein, aber es kann immer passieren, dass sich Personen oder örtliche Institutionen wie der Heimatverein das Interesse verlieren und dann bestünde die Gefahr, dass die Funde in irgendeinem Keller landen.“
Eine ernsthafte Überlegung könne es aber sein, Einzelstücke für einen bestimmten Zeitraum der Öffentlichkeit zu präsentieren. „Dafür eignet sich zum Beispiel die Filiale einer Bank“, sagt Stapel. Bis dahin wird es aber noch etwas dauern. „In eingegipstem Zustand möchte die Urnen glaube ich kein Besucher sehen.“
1991 in Ahaus geboren, in Münster studiert, seit April 2016 bei Lensing Media. Mag es, Menschen in den Fokus zu rücken, die sonst im Verborgenen agieren.
