Das Jahr 2022 ist gerade einmal 28 Tage alt, da erschüttert ein Todesfall Kirchhellen: Die sechsjährige Emma wird freitagmorgens tot in ihrem Zuhause in der Kirchhellener Vogelsiedlung gefunden. Getötet von der eigenen Mutter.
Als Emma an jenem 28. Januar unentschuldigt nicht zur Schule kam und sie die vom Vater des Kindes getrennt lebende Mutter nicht erreichen konnte, beschlich die Grundschullehrerin offenbar ein mulmiges Gefühl. Sie alarmierte die Polizei. Den Beamten bot sich ein schreckliches Bild: das kleine Mädchen tot, die Mutter verletzt.
Wie sich später herausstellte, hatte die Mutter ihrem einzigen Kind zunächst eine Überdosis Psychopharmaka verabreicht. Als der Versuch, Emma in der Badewanne zu ertränken, fehlschlug, legte die Frau das Mädchen ins Bett und schnitt ihm die Kehle durch. Wie Gutachter im Prozess später zu Protokoll gaben, haben die Medikamente Emma nicht bewusstlos gemacht. Sie scheint sogar versucht zu haben, sich gegen ihre Mutter zu wehren. Sie starb mit ihrer Schmusekatze im Arm. Als Emma tot war, schluckte ihre Mutter selbst Medikamente und fügte sich Verletzungen an den Pulsadern zu, die sich allerdings als nicht lebensbedrohlich herausstellten.
Wenige Stunden nach dem Fund der Kinderleiche erließ ein Richter Haftbefehl wegen Mordes. Im August erhob die Staatsanwaltschaft dann Anklage und gab auch ein mögliches Motiv preis: Der Tat soll ein Streit mit dem von ihr getrennt lebenden Ehemann vorausgegangen sein.
Dabei soll es um das Sorgerecht für Emma gegangen sein. Das Familiengericht hatte dem Vater kurz zuvor einen Tag mehr Umgang im Monat mit der Tochter zugebilligt. Das war für die Mutter so unerträglich, dass sie offenbar beschloss, sich und das Kind zu töten, bevor sie möglicherweise das Sorgerecht ganz verlieren würde.

Als der Prozess am 17. August begann, hatte Emmas Mutter neben Rechtsanwalt Malte Englert auch Siegmund Benecken an ihrer Seite, einen renommierten Strafverteidiger aus Marl, der bereits in vielen aufsehenerregenden Kriminalfällen als Verteidiger fungiert und schon Mörder und Satanisten verteidigt hat. Während seine Mandantin zunächst schwieg, räumte Benecken in ihrem Namen die schreckliche Tat ein, die sich die Mutter überhaupt nicht erklären könne: „Die Tochter war das Liebste, was sie hatte auf Erden.“
Einer Psychiaterin öffnete sich die Frau vor dem zweiten Verhandlungstag, berichtet von einem Blackout am Tattag. Nur einzelne Szenen seien ihr noch in Erinnerung. Wie Emma scheinbar schlafend mit dem Rücken zu ihr im Bett liegt. Dass sie selbst etwas in der Hand hat. Vielleicht ein Messer. Wie sie mit Emma Arm in Arm in der Badewanne liegt. Das Badewasser blutrot gefärbt. Und wie sie versucht, den linken Unterarm aufzuschneiden. „Emma lag wie ein nasser Sack in der Badewanne in meinem Arm.“ Genauso hatte es die Angeklagte der Psychiaterin erzählt.
Weil sich die Richter Sorgen um den Gesundheitszustand der offenbar schwer mitgenommenen Angeklagten machten, wurde sie noch während des Prozesses vom Dinslakener Gefängnis in die psychiatrische Abteilung des Justizvollzugskrankenhauses Fröndenberg verlegt.
Elf Jahre Haft wegen Mordes, so die Forderung der Staatsanwaltschaft, nachdem eine Gutachterin der depressiven Frau verminderte Schuldfähigkeit attestiert hatte. Die Essener Richter verurteilten die Frau schließlich zu 13 Jahren Haft. Ihre Anwälte hatten aufgrund der psychischen Ausnahmesituation der Frau eine Verurteilung wegen Totschlags angestrebt. Sie sind in Revision gegangen. Der Bundesgerichtshof muss das Urteil nun überprüfen. Mit einer Entscheidung ist voraussichtlich erst Anfang 2023 zu rechnen. Dann ist Emma bereits ein Jahr tot.
Mordfall Emma: Verteidiger der Mutter aus Kirchhellen lassen Urteil überprüfen
Haftstrafe für Mutter nach Mord an Emma (6): „Eine katastrophale Tat“