Die Angeklagte aus Kirchhellen zwischen ihren Verteidigern Malte Englert (links) und Siegmund Benecken (rechts).

Versteckt hinter ihren Haaren: Die Angeklagte aus Kirchhellen zwischen ihren Verteidigern Malte Englert (li.) und Siegmund Benecken kurz vor der Urteilsverkündung am Essener Schwurgericht. © Jörn Hartwich

Haftstrafe für Mutter nach Mord an Emma (6): „Eine katastrophale Tat“

rnLandgericht Essen

Beim Urteil wollen die Richter ihre Fassungslosigkeit über die Tötung der Sechsjährigen aus Kirchhellen nicht verbergen. Die Mutter zeigt keine Regung.

Essen, Kirchhellen

, 30.09.2022, 12:50 Uhr / Lesedauer: 2 min

Die kleine Emma hatte ihr Kuscheltier im Arm, als sie gefunden wurde. Sie lag im Bett der Mama. Es gab keine Hoffnung mehr. Am Freitag ist die Mutter der Sechsjährigen am Essener Landgericht verurteilt worden. Die Strafe: 13 Jahre Haft wegen Mordes.

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Es müssen dramatische Szenen gewesen sein, die sich in der Nacht auf den 28. Januar 2022 in der Kirchhellener Wohnung der 46-Jährigen abgespielt haben. Laut Urteil hat die studierte Sozialpädagogin ihrer Tochter zunächst eine Überdosis Beruhigungsmittel verabreicht, dann versucht, sie in der Badewanne zu ertränken. Anschließend stach sie Emma mit einem Messer mehrfach in den Hals.

Messer auf dem Badewannenrand

Das Essener Schwurgericht hält es für möglich, dass auch die Bluttat in der Badewanne passiert ist. „Auf dem Rand lag ein Sammelsurium an Messern“, so Richter Jörg Schmitt. Da, wo andere ein Buch hinlegen oder eine Kerze hinstellen. „Das ist grauenvoll.“

Für eine Messerattacke in der Wanne spräche auch die Aussage der Angeklagten, die gegenüber einer Psychiaterin von „rotgefärbtem Wasser“ gesprochen hatte. Und davon, dass Emma leblos in ihrem Arm gelegen habe. Die Tat hatte die 46-Jährige im Prozess gestanden, sich dabei aber auf große Erinnerungslücken berufen. „Ich kann das alles selbst nicht begreifen“, hatte sie den Richtern mit leiser Stimme gesagt.

Vertrauen auf schlimmste Art missbraucht

Die Angeklagte war am Morgen nach der Tat nackt auf dem Fußboden ihrer Wohnung gefunden worden – ebenfalls vollgepumpt mit Psychopharmaka. Die Arme hatte sie sich mit einem Messer angeritzt. „Ein völlig dilettantischer Selbstmordversuch“, so Richter Schmitt.

Eine Lehrerin von Emma hatte damals die Polizei alarmiert, weil sie sich Sorgen gemacht hatte. Das Mädchen, das sie bei ihrer Zeugenvernehmung als extrem traurig bezeichnet hatte, war nicht zum Unterricht erschienen.

Eingang Landgericht Essen

Der Prozess fand am Essener Landgericht statt. © Jörn Hartwich

„Eine katastrophale Tat“, so Richter Schmitt, der seine Fassungslosigkeit bei der Urteilsbegründung auch gar nicht verbergen wollte. Die Angeklagte habe das Vertrauen ihrer Tochter auf schlimmste Art und Weise missbraucht – um sie zu töten. „Es passierte an einem Ort, an dem sich ein Kind sicher fühlt und auch sicher fühlen darf: in der eigenen Wohnung, bei der Mama.“

Zwischen Vater und Mutter hin- und hergerissen

Auslöser sei ein erbitterter Scheidungs- und Sorgerechtsstreit gewesen. Im Urteil war von einem regelrechten „Gezerre um das Kind“ die Rede. Dass müsse auch Emma schwer zu schaffen gemacht haben. „Sie war hin- und hergerissen zwischen Vater und Mutter.“ Tatsächlich war dem Vater des kleinen Mädchens am Tattag vom Familiengericht Bottrop ein erweitertes Umgangsrecht zugesprochen worden. Damit sei die Angeklagte nicht fertig geworden.

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„Es gibt Hinweise darauf, dass sie sich mit dem Mord am Vater des Mädchens rächen wollte“, so Schmitt. Oder nach dem Motto gehandelt hat: Wenn ich das Kind nicht ganz für mich haben kann, dürfe es niemand haben. Das lasse sich allerdings nicht sicher feststellen.

Vermindert schuldfähig

Im Vordergrund habe eindeutig die psychische Erkrankung der Kirchhellenerin gestanden, die seit ihrer Jugend unter Depressionen leide. Diese Depressionen hätten sich vor der Tat dramatisch verstärkt. Die Sechsjährige hatte zwar Abwehrverletzungen an den Armen, trotzdem gehen die Richter davon aus, dass Emma durch die Beruhigungsmittel weitgehend sediert war und nichts mitbekommen hat.

Mit dem Urteil ist das Essener Schwurgericht sogar noch zwei Jahre über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinausgegangen, die elf Jahre Haft gefordert hatte. Dass keine lebenslange Haft wegen Mordes verhängt worden ist, hängt mit der psychischen Erkrankung der Angeklagten zusammen. Die Richter können laut Urteil nicht ausschließen, dass sie zur Tatzeit vermindert schuldfähig war.