
© Jörg Heckenkamp
Medizin-Produkte aus Herbern hoch im Kurs: „Fünf Millionen Masken hängen in Türkei fest“
Coronavirus
Eigentlich vertreibt Joachim Raguse Medizinprodukte wie Waschhandschuhe. Seit der Coronakrise ist er weltweit auf der Suche nach Masken und Kitteln. Er findet für die Situation klare Worte.
Fast täglich erlässt die NRW-Regierung neue Maßnahmen, um die Ausbreitung des Coronavirus in Deutschland einzudämmen. Viele Geschäfte befinden sich in der Schwebe, wissen nicht, ob sie morgen noch öffnen.
Während Cafés und Modegeschäfte ihre Türen schließen, herrscht bei anderen Hochkonjunktur. „Es ist verrückt ohne Ende, alles dreht sich“, sagt Joachim Raguse von der KL Medical GmbH in Herbern.
Raguse vertreibt Medizin-Produkte von Herbern nach ganz Deutschland. Normalerweise sind das Waschhandschuhe und Fließstoffrollen zum Desinfizieren von Tischen, die man etwa aus Fitnessstudios kennt. Seit einigen Wochen hat sich sein Sortiment aber radikal verändert.
Eine der ersten Anfragen kam aus China
Es war etwa zwei Wochen nach Ausbruch des Coronavirus in China, als eine Anfrage aus China bei dem Herberner Unternehmen einläuft. Darin die Bitte, ob Raguse Masken besorgen könne, um die nach China zu schicken. „Wir haben allerdings nichts exportiert. Ich dachte noch, das geht vielleicht zwei bis drei Wochen, dann hat sich das. Ich hätte auch gar keine Möglichkeit gehabt, Händler zu finden, das geht ja nicht von heute auf morgen. Und man kann auch nicht einfach Masken herstellen, man muss CE-zertifiziert sein.“
Es bleibt nicht bei den Anfragen aus China. Nach und nach wollen auch aus Deutschland immer mehr Kliniken, private Pflegeeinrichtungen und Handelsorganisationen im medizinischen Bereich von Raguse Masken, Schutzkittel.
Raguse begibt sich auf die Suche nach Geschäftspartnern. „Ich wusste, jetzt passiert was. Man versucht, entsprechende Produzenten zu finden. Das war aber schon relativ schwer, weil der Markt gesättigt ist. Und die Hersteller hatten ja auch ihre Abnehmer.“
„Die Nachfrage derzeit zu bedienen, ist relativ schwer, weil man die Menge, die man braucht, nicht bekommt. Hinzu kommt das Exportverbot, das es seit dem 12. März gibt“, sagt Raguse. Er hätte sich eine europaweite Lösung für diese Krise gewünscht, sagt er. Stattdessen würden auch für den Handel Grenzen geschlossen. Alleine in der Türkei hingen derzeit 5 Millionen Schutzmasken fest, die nicht nach Europa exportiert werden dürften. Derzeit „galoppierten“ die Preise für diese Artikel. Aber wer Kontakte habe, der finde auch, was er suche.
Die erste Fracht an Masken startet am Donnerstag aus Indien
Momentan versucht Joachim Raguse, Besucherkittel für medizinische Einrichtungen aus Indien zu beziehen. Die ersten 100.000 Masken sollen Donnerstagmorgen per Luftfracht von dort nach Deutschland gebracht werden. Das, so Raguse, verursache natürlich Kosten. Aber: „Der Umsatz hat sich verdoppelt. Auch immer mehr Privatpersonen tragen Masken.“ Auch der Palliativ-Pflegedienst Constanze Jakube aus Werne hatte sich mit rund 150 Filtermasken für seine Mitarbeiter bei Joachim Jakube eingedeckt.
„Wir merken momentan, was für eine Abhängigkeit wir uns geschaffen haben“, sagt Raguse. „Wir haben uns auf Billiganbieter aus Asien verlassen.“ Nun Alternativen zu finden, sei schwer. Die Coronakrise, sagt Raguse, habe keiner kommen sehen. „Was ich aber habe kommen sehen, ist diese Abhängigkeit.“ Das sei für ihn 2012 auch der Grund gewesen, einen neuen Standort des Unternehmens in Marokko zu gründen, um die Produktion ein Stück weit näher zu Europa zurückzuholen.
Für Joachim Raguse ist klar, dass es, nachdem die Welt diese Krise überstanden hat, so nicht weitergehen kann. „Es muss ein Umdenken stattfinden.“ Kliniken müssten verpflichtet werden, einen Teil ihrer Produkte von deutschen Unternehmen zu beziehen. „Wenn das so kommt, dann wäre ich auch bereit, in eine Produktionslinie in Deutschland zu investieren.“
Gebürtige Münsterländerin, seit April 2018 Redakteurin bei den Ruhr Nachrichten, von 2016 bis 2018 Volontärin bei Lensing Media. Studierte Sprachwissenschaften, Politik und Journalistik an der TU Dortmund und Entwicklungspolitik an der Philipps-Universität Marburg. Zuletzt arbeitete sie beim Online-Magazin Digital Development Debates.
